ZDF Heute Journal, 22 Uhr, Mitschrift, 08.07.2009
Tillichs Vergangenheit im ZDF - nach Trauerfeier für Michael Jackson, Obama trifft auf Putin und der Papst zur Finanzkrise …
Heute Journal, Sprecher Claus Kleber: „Stanislaw Tillich, Ministerpräsident von Sachsen, ist unter Druck wegen seiner Vergangenheit in der DDR, obwohl ihm da wenig vorzuwerfen ist. Er war Mitglied des Rates seines Kreises Kamenz als Abgeordneter der gleichgeschalteten Ost-CDU, aber das ist es nicht, was ihn in Schwierigkeiten bringt, sondern der Versuch, diese Tätigkeit so klein wie möglich darzustellen, als er 1999, 10 Jahre nach der Wende aufsteigen sollte zum Staatsminister für Bundes und Europaangelegenheiten. Das war der Anfang seiner Karriere und es kam nun raus und wird zum bundesweiten Politikum, weil in Sachsen in diesem Sommer noch gewählt wird, im August, vier Wochen vor der Bundestagswahl, das muss ein Signal werden. Natalie Steger und Stefan Kelch berichten aus Dresden“:
Natalie Steger: „So sollte Stanislaw Tillich die müde Sachsen CDU ins Wahljahr führen. Als Tiger am Start, aber wird auch als solcher landen?
Der erste sächsische Ministerpräsident aus dem Osten. Auf diese Wurzel legt Tillich großen Wert. Doch seine DDR Vergangenheit hat ihn zunehmend unter Druck gebracht. Die Sachsen wollen wissen, ob Tillich als CDU Lokalpolitiker mit dem SED Staat gekungelt hat.“
Stanislaw Tillich: „Sie werden jetzt sofort fragen, warum haben Sie denn so ungeschickt reagiert ……… das ist so wie es auch gesagt habe, es ist kein Ruhmesblatt in meiner Biografie, es ist kein Ruhmesblatt dieser Teil meiner Biografie. Deswegen ist man auch darauf nicht per se stolz.“
Stefan Kelch: „Seit Monaten häppchenweise Wahrheiten, Tillich veröffentlicht alte Kaderakten. Eer will klarstellen, dass er keine Stasi-Vergangenheit hat und hofft, dass jetzt Ruhe ist. Die Stasiakte sauber und doch hatte Tillich als CDU Blockflöte im SED-Regime funktioniert. In Archiven finden sich Hinweise, dass Tillich noch kurz vor dem Ende der DDR an staatlichen Enteignungen mitgewirkt hat. Tillich versucht immer wieder die Diskussion abzuwürgen.“
Stanislaw Tillich: "Ich bin es mittlerweile leid, liebe Freunde, jedem und immer wieder und immer wieder, mein Leben und mein Tun erklären zu müssen, bis es der Letzte verstanden hat.“
Stefan Kelch: „Doch der Druck wächst, ein Buch erscheint, nachgewiesen werden soll, wie sehr er einst mit dem SED Staat verbandelt war. Erst jetzt veröffentlicht Tillich einen Fragebogen, den er vor 10 Jahren ausfüllen musste, als er Minister wurde. Damals verneint er die Frage, ob er Stasikontakte gehabt hat. Inzwischen räumt er Begegnungen nun mit der Stasi ein. Damals gibt er zwar an, dass er im Rat des Kreises gearbeitet hat, nicht aber, dass er stellvertretender Kreisvorsitzender war, ein klar politisches Amt."
Stanislaw Tillich: „Und da ist ja die Frage gestellt, ob ich Vorsitzender des Rates des Kreises war oder erster Stellvertreter und das war ich nicht. Und es ist ja immer die fälschliche Darstellung, die oft gemacht wird, es gab dann mehrere Stellvertreter hinter dem ersten und da ist die Frage nach dem Mitglied des Kreises und die habe ich exakt richtig beantwortet.“
Natalie Steger: „Also nur Stellvertreter des Stellvertreters, Gewerkschafter erinnert sich noch sehr gut an die Fragebogenaktion nach der Einheit. Pförtner, Lehrer, jeder, der in den öffentlichen Dienst wollte musste diese Fragen beantworten.“
Cornelia Falken, GEW: „Wenn die nicht ordnungsgemäß ausgefüllt worden sind dann sind sie fristlos gekündigt worden die Begründung der Kündigung war immer ein Vertrauensmissbrauch beim Arbeitgeber,“
Natalie Steger: „Um Vertrauen geht es. Sachsen ist im Wahlkampf. Die CDU hat ihn auf Tillich zugeschnitten, doch der erweckt mit seinen Mauern den Eindruck, er habe etwas zu vertuschen.“
Professor Wolfgang Donsbach Kommunikationswissenschaftler TU Dresden: „Je länger man wartet, desto schlimmer wird es. Einerseits weil Spekulationen entstehen, dass man wirklich etwas zu verbergen hat und das andere man hält einfach ein Thema am Leben, unnötigerweise am Leben, das einem möglicherweise Schaden kann. Insofern war es ein Fehler.“
Natalie Steger: „Das scheint Tillich nun begriffen zu haben, denkbar knapp vor der Wahl. Seine Chance, viele Sachsen haben das Thema, Tillichs Vergangenheit, die gründlich satt.“