Karl Nolle, MdL

Freie Presse, 04.08.2009

„Chefaufklärer" für Neuauflage von Schwarz-Rot

Karl Nolle verteidigt Machtkonstellation in Sachsen
 

Beim Sturz der CDU-Ministerpräsidenten Biedenkopf und Milbradt hatte der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle seine Hände im Spiel. Mit seinem kürzlich erschienen Blockflöten-Buch über die DDR-Vergangenheit zahlreicher heutiger CDU-Politiker befeuert der „Chefaufklärer" der SPD den Landtags-Wahlkampf und schießt gegen den Regierungspartner. Damit gerät er selbst in der eigenen Partei unter gehörigen Druck Über sein Verhältnis zur CDU sprach Uwe Kuhr mit Karl Nolle.

Karl Nolle, MdlL im Plenum des Landtages
Foto: Norbert Millauer/ddp

Freie Presse: Ist Ihnen nicht etwas mulmig, dass ein schlechtes Abschneiden der SPD bei der Landtagswahl Ihnen angelastet werden könnte?

Karl Nolle: Wenn es so wäre, ja. Niemand kann sagen, ob nicht Themen der Bundestagswahl in Sachsen durchschlagen. Selbst Experten sind sich uneins, ob - die heftigen Diskussionen um Stanislaw Tillich uns schaden oder nutzen. Auf jeden Fall haben sie die Demokratie in Sachsen gefördert. 20 jahre Heuchelei und Doppelmoral von CDU-Partei- und Staatsfunktionären über ihre Systemfunktion in der DDR kamen nun zur Sprache. Hätte Tillich im Herbst 2008 gleich rein Schiff gemacht, wäre heute Ruhe.

Freie Presse: Sie sitzen seit 1999 im Landtag, in der Zeit haben Sie am Sturz von zwei Ministerpräsidenten mitgewirkt. Was hat die harte Gangart gebracht?

Nolle: Ich bin nicht als Ministerpräsidenten-Jäger geboren. Meine Partei hat mich in die wichtigen Untersuchungsausschüsse entsandt: Da ging es um Vetternwirtschaft im Leipziger Paunsdorf-Center, eine Partei-Spendenaffäre, und um die Machenschaften in der Landesbank Sachsen. Man schickte mich dorthin, weil es für mich keine Tabu-Fragen gab und zu geben hat. Ich habe meinen Job gemacht.

Freie Presse: Sollte Tillich die Nummer 3 werden?

Nolle: Nein. Ich habe ihn 2008 gewählt und war froh, dass die Ara von Georg Milbradt vorbei war, der oft wie ein Panzer auftrat und mit der SPD nicht sehr fein umgegangen ist. Tillich machte einen guten Eindruck. Er ist über sich selbst und den Umgang mit seiner Biografie gestolpert. Das ist sein alleiniges Verdienst und das seiner mittelmäßigen Berater.

Freie Presse: Auch Sie haben Federn lassen müssen. In der SPD gelten Sie als „Überzeugungstäter" oder gar als „Hassprediger". Lässt Sie das kalt?

Nolle: Volksparteien sind nicht stromlinienförmig, sie repräsentieren sehr unterschiedliche Meinungen und Temperamente. Ich bin kein Diplomat, ich rede Klartext und beiße, wo gebissen werden muss. Andererseits muss, wer austeilt, auch einstecken können. Das kann ich. Ich bin kein Leisetreter. Für meinen Diskurs habe ich große Unterstützung in meiner Partei. Dort bin ich keineswegs isoliert.

Freie Presse: Bereitet sich Nolle schon auf die Opposition vor?

Nolle: Wo denken Sie hin. Wenn es der Wille des Wählers ist, bin ich für eine Neuauflage von Schwarz-Rot. Die SPD ist das einzige Ernst zu nehmende politische Korrektiv zur CDU. Die FDJ treibt die CDU noch weiter in die neoliberale Sackgasse.

Freie Presse: Hat der Wolf Kreide gefressen?

Nolle: Um Gottes Willen, nein. Es gibt keinen Feldzug gegen die CDU oder gegen DDR-Biografien, nur gegen einige wenige Karrieristen und deren Umgang mit ihrem DDR-Lebenslauf. In der CDU gibt es sehr gute Leute, mit denen man gut Kooperieren kann. Willy Brandt hat einmal gesagt: Demokratie ist Kontrolle von Macht. Das ist mein Thema.

Freie Presse: Wie gehen Sie künftig mit der CDU, mit Tillich um?

Nolle: Vorausgesetzt es kommt zu einer Koalition CDUISPD und Tillich soll Ministerpräsident werden, dann wähle ich ihn. Ich habe in den vergangenen 5 Jahren nicht einmal gegen die Koalition gestimmt.

Freie Presse: Warum sollte sich die CDU auf ein neues Nolle-Experiment einlassen?

Nolle: Die Fragestellung „Nolle oder nicht Nolle?" halte ich für unprofessionell. Ich habe die Koalition und ihre Vereinbarungen nie ge fährdet, was im Übrigen nicht immer leicht war. Loyalität ist mir nicht fremd. Aber man muss sich auch als Kollegen den Spiegel vorhalten können, auch heftig, wenn es um Missstände oder gar Fälle von Amtsverfehlung geht.

Freie Presse: Ihr Blockflöten-Buch hat unterschiedliche Reaktionen ausge löst. Fühlen Sie sich falsch verstanden?

Nolle: Ich fühle mich ganz gut Verstanden. Mir ging es um die Doppelmoral einiger CDU-Größen. In meinen zehn Jahren Landtag hatte die CDU immer wieder auf die PDS/Linke, sogar auf die SPD, eingehauen und ihr alles Schlechte aus jenen DDR-Tagen angelastet. Dabei habe ich mich gefragt, wann redet die CDU einmal über ihre eigene Rolle? Offensichtlich war, dass für sie selbst komplett unterschiedliche Maßstäbe als für andere galten, womit viele Ungerechtigkeiten der Nachwendezeit zu erklären sind.

-------------------------------------------------------------------------------------------------------------Kommentar von Karl Nolle:

Das Interview hat Staub aufgewirbelt. Es ist schon interessant, dass eine demokratische Binsenweisheit, wenn die Wähler wieder eine Koalition von CDU/SPD in Sachsen wollen und wenn dann  die CDU Herrn Tillich benennt, dass dann alle Abgeordneten einer Koalition diesen Kandidaten zum Ministerpräsidenten wählen, soviel Aufmerksamkeit erfährt  Wenn meine angeblich "überraschende" Aussage eine Lektion in Sachen Demokratie und Parlamentarismus gewesen sein sollte, wäre viel gewonnen.

An der in meinem Buch "Sonate für Blockflöten und Schalmeien" geäußerten grundsätzlichen Kritik an der Rolle der Blockflötenfunktionäre in der DDR und ihr heutiger Umgang damit, habe im Freie-Presse-Interview  nichts zurückgenommen (warum auch?).


 

Karl Nolle im Webseitentest
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