Frankfurter Rundschau, 04.01.2010
Theaterdonner - Die Schuhe des Herrn Westerwelle
Von Bernhard Honnigfort
Seit dem Wochenende weiß man mehr über den politischen Schuhschrank des Guido Westerwelle. Die leichten, grell gelb-blauen Slipper des FDP-Vorsitzenden stehen darin, das war bekannt. Und ein Paar schwarze, riesig, elegant und mit glatter Ledersohle, einst getragen von Hans-Dietrich Genscher und dem jetzigen Außenminister noch erkennbar zu groß und für Hühneraugen sorgend - auch bekannt.
Doch seit Westerwelle jetzt zum Focus sprach, weiß man: Da muss noch ein Paar stehen. Ein altes Paar klobiger Wanderschuhe mit schiefen Absätzen, einst getragen von Helmut Kohl, der vor bald drei Jahrzehnten losstapfte und eine geistig-moralische Wende in Deutschland forderte. Westerwelle hat sie sich übergestülpt und fordert nun eine "geistig-politische Wende".
Stolpern kann er schon
Aber mehr als Stolpern ist noch nicht erkennbar. Es ist das übliche, wahrscheinlich folgenlose verbale Gehampel: "Wir müssen die Mittelschicht stärken", sagt Westerwelle. Es müsse Ziel der vier schwarz-gelben Regierungsjahre sein, "wegzukommen von immer stärkerer Abkassiererei bei denen, die den Karren ziehen".
Und wenn er schon mal dabei ist: "Fleißigen Menschen von der Krankenschwester über den Handwerker bis zum Mittelständler wird viel zu viel von ihrem Einkommen abgenommen", sagt der kleine Kohl. Das zurückliegende Jahrzehnt sei "eines der übertriebenen Umverteilung gewesen", so Westerwelle - ohne genauer auszuführen in welche Richtung sich das Umverteilte bewegte, ob nach oben oder unten oder gleich irgendwo ins Ausland. Das neue Jahrzehnt, trompetet er, solle für "Leistungsgerechtigkeit" stehen. "Da lasse ich mich von keinem Theaterdonner beeindrucken."
Theaterdonner?
Im Moment wird in Berlin eher Klamauk geboten und auf der schwarz-gelben Bühne wird er eher ausgebuht als beklatscht. Als Westerwelle noch Genschers Schuhe trug und zur Londoner Afghanistan-Konferenz Sätze sagte, die sich wie eine deutsche Boykott-Drohung anhörten, da hagelte es Spott. Nicht nur von der SPD und ihrem Vorsitzenden Sigmar Gabriel: "Ich finde es einigermaßen merkwürdig, dass Herr Westerwelle sich erst wochenlang nicht zu Afghanistan und der Strategie dort äußert, um dann aus dem Busch zu kommen und zu sagen, ich fahre nicht zur Konferenz nach London."
Gepiesackt von der Union
Koalitionspartner CSU konnte sich dann auch nichts verkneifen: "Wenn Westerwelle nicht nach London fahren will, verhandelt eben zu Guttenberg allein für Deutschland - mal schau´n, ob es auffällt", ätzte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt im Spiegel. Westerwelle hat am Wochenende dann klar gestellt, dass er "nie mit einem Boykott gedroht" habe. CSU-Chef Horst Seehofer torpediert zudem Westerwelles Nein zu mehr Soldaten für den Hindukusch, Bild am Sonntag sagte er: "Wenn es ein klares integriertes Konzept der militärischen, zivilen und gesellschaftlichen Ebene gibt, dann kann man auch über mehr Soldaten reden."
Offensichtlich fehlt noch ein viertes Paar im Westerwelleschen Schuhschrank: Ein Paar Arbeitsschuhe wie sie fleißige Dachdecker und andere Karrenzieher tragen. Schlicht, mit rutschfester Sohle und Sicherheitskappen. Gebrauchsanweisung: Einfach anprobieren und die Schleife mit einem kleinen Ruck festzurren.