spiegel-online.de, 06.01.2010
Reallöhne sinken seit 1990 um bis zu 50 Prozent
Ernüchterndes Ergebnis: Ein großer Teil der Beschäftigten verfügt heute über eine geringere Kaufkraft als vor 20 Jahren. Das geht aus einer Untersuchung der Gehälter in den 100 häufigsten Berufen hervor. Die Einbußen im Vergleich zu 1990 liegen bei bis zu 50 Prozent.
Hamburg - Schlechte Nachricht: Die Beschäftigten in Deutschland verdienen einer Studie zufolge heute unterm Strich weniger Geld als noch 1990. In jedem zweiten der 100 gängigsten Berufe sei das Realeinkommen seit Anfang der neunziger Jahre gesunken, berichtet der "Stern" in seiner aktuellen Ausgabe.
Besonders stark seien die Gehälter von Ärzten geschrumpft. Sie hätten sich seit 1990 halbiert. Dennoch seien die Mediziner nach wie vor Top-Verdiener mit einem monatlichen Durchschnittseinkommen von 6400 Euro im Jahr 2008. Neben Ärzten hätten Informatiker, Werbefachleute oder Zahntechniker hohe Einbußen verkraften müssen. Ihre Einkünfte seien um mehr als 30 Prozent gesunken.
Deutliche Steigerungen bei ihren Reallöhnen konnten laut "Stern" seit 1990 unter anderem Bankkaufleute, Anlageberater, Makler und Verwaltungsfachleute verzeichnen. Die Inflation seit 1990 betrug demnach 47 Prozent.
Die Untersuchung habe einige bemerkenswerte Trends ans Tageslicht befördert, schrieb der "Stern" weiter: "Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst konnten ihre Einkommen deutlich steigern - auch nach Abzug der Preissteigerung." Selbstständige hätten alle anderen Berufsgruppen überflügelt.
Dennoch gebe es unter den Freiberuflern wie Anwälten große Unterschiede, sagte Claus Schäfer von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung dem Magazin: "Etablierte Kanzleien verdienen sehr gut, während sich manche Berufseinsteiger mit Nebenjobs über Wasser halten - tagsüber Anwalt, abends Taxifahrer."
Ein weiterer Trend zeige sich auch mit Blick auf die Hierarchie, hieß es weiter: Angestellte mit Führungsaufgaben hätten ihre Gehälter deutlich steigern können, ihr Bruttoeinkommen sei inflationsbereinigt um 18 Prozent gestiegen. Die mittleren und untereren Einkommensschichten hätten dagegen in der Regel höchstens ihr früheres Niveau halten können.
Und schließlich sei festzustellen, dass ältere Arbeitnehmer ihr Einkommen deutlich steigern und den Kaufkraftverlust der letzten Jahre mehr als ausgleichen konnten. Jüngeren Beschäftigten sei das nicht in dem Maße gelungen.
Untersucht wurden auch Sonderzahlungen, also etwa Urlaubs- oder Weihnachtsgeld. Immer weniger Arbeitnehmer erhalten laut "Stern" noch eine solche Zusatzleistung. "Dafür greifen die Arbeitgeber öfter zum Instrument der Gewinnbeteiligung." Die Folge: Wirtschaftet das Unternehmen gut, gibt es auch mehr Geld. In Krisenzeiten indes fällt die Prämie mager aus - oder sogar komplett weg.
Für die Untersuchung im Auftrag des "Stern" verwendete das Hamburger Sozialforschungsunternehmen Statista unter anderem Umfragedaten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und Angaben des Statistischen Bundesamts.
böl/AFP/APD