Beschluss-Wortlaut Oberlandesgericht Düsseldorf, 26.01.2010
Beschluss zur IKB Deutsche Industriebank AG - Sonderprüfer soll mögliche Pflichtverletzungen von Vorstand und Aufsichtsrat prüfen
Der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf hat entschieden, dass das Landgericht Düsseldorf zu Recht einen Sonderprüfer für die IKB Deutsche Industriebank AG (IKB) bestellt hat um mögliche Pflichtverletzungen zu prüfen.
(siehe Pressemitteilung Nr. 39/09 des Oberlandesgerichts Düsseldorf )
http://www.karl-nolle.de/suche/ergebnis/typ/2/id/10262
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-6 W 45/09
Datum: 09.12.2009
Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper: 6. Zivilsenat
Entscheidungsart: Beschluss
Aktenzeichen:I-6 W 45/09
Vorinstanz: Landgericht Düsseldorf, 31 O 38/09 [AktE]
Tenor: Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin vom 9. September 2009 gegen den Beschluss der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf vom 14. August 2009 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der erst in der Beschwerdeinstanz angefallenen Kosten der Streithilfe werden der Antragsgegnerin auferlegt.
Beschwerdewert: 500.000,– €.
G r ü n d e:
I.
Die Antragsteller begehren die gerichtliche Bestellung eines Sonderprüfers zur Untersuchung möglicher Pflichtverletzungen von Vorstand und Aufsichtsrat der Antragsgegnerin im Zusammenhang mit den Umständen, die zur Krise der Antragsgegnerin im Sommer 2007 geführt haben. Die Antragsteller sind Aktionäre der Antragsgegnerin. Der Antragsteller zu 1.) hält ununterbrochen seit dem 8. September 2000 bzw. 19. April 2002 insgesamt 47.100 nennwertlose Inhaber-Stammaktien, die Antragstellerin zu 2.) verfügt ununterbrochen seit dem 24. August bzw. 2. September 1999 über insgesamt 64.500 solcher Aktien und die Antragstellerin zu 3.) besitzt ununterbrochen seit dem 20. September 1999 99.500 entsprechende Wertpapiere. Der Kurswert der Aktie im Zeitpunkt der Antragstellung betrug ca. 0,73 €. In der Hauptversammlung der Antragsgegnerin vom 27. März 2008 wurde mit den Stimmen der A. als damaliger Großaktionärin zu den Tagesordnungspunkten 2 und 3 (Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat) beschlossen, den Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater B. zum Sonderprüfer zur Untersuchung möglicher Pflichtverletzungen von Vorstand und Aufsichtsrat der Antragsgegnerin im Zusammenhang mit den Umständen, die zur Krise der Antragsgegnerin geführt haben, zu bestellen. Nachdem die A. ihr inzwischen auf über 90 % gestiegenes Aktienpaket an die US-amerikanische Beteiligungsgesellschaft C., welche zur Gruppe des US-amerikanischen Finanzinvestors "D." gehört, verkauft hatte, wurden in der von C. einberufenen außerordentlichen Hauptversammlung der Antragsgegnerin vom 25. März 2009 unter TOP 3 und 4 die Hauptversammlungsbeschlüsse vom 27. März 2008 zur Bestellung des Sonderprüfers mit den Stimmen der neuen Mehrheitsaktionärin wieder aufgehoben und die Bestellung des Sonderprüfers widerrufen. Diese Aufhebungsbeschlüsse sind Gegenstand von Anfechtungsklagen mehrerer Minderheitsaktionäre.
Die Antragsteller haben die Bestellung eines Sonderprüfers in Person von Herrn B. gemäß § 142 Abs. AktG verlangt, der – wie in den aufgehobenen Beschlüssen – bei der Antragsgegnerin überprüfen soll, ob Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats im Zusammenhang mit den Umständen, die zur Krise der Antragsgegnerin geführt haben, Pflichtverletzungen sowohl durch aktives Handeln als auch durch Unterlassen begangen haben bei der Aufnahme, Fortsetzung, Überwachung oder Ausweitung von Geschäften in oder mit Verbriefungs- oder Refinanzierungsgesellschaften, insbesondere der "E.", der "f.", G." und der "H." sowie bei Einrichtung und Auslagerung wesentlicher Funktionen auf die I-GmbH. Zur Begründung haben sie die Auffassung vertreten, dass nunmehr die gerichtliche Bestellung eines Sonderprüfers geboten sei, weil Tatsachen vorlägen, die den Verdacht von Unredlichkeiten oder groben Verletzungen des Gesetzes oder der Satzung durch den ehemaligen Vorstand und damaligen Aufsichtsrat der Antragsgegnerin rechtfertigten. Bereits der eingetretene Schaden in Höhe von unstreitig mehreren Milliarden Euro indiziere regelmäßig den Verdacht schwerer Pflichtverletzungen. Der Vorstand habe gegen den in der Satzung festgelegten Unternehmensgegenstand der Antragsgegnerin, der in der Förderung und Kreditierung des Mittelstandes bestehe (§ 2), sowie gegen die satzungsmäßige Verpflichtung verstoßen, Schuldverschreibungen durch Vermögenswerte der Gesellschaft zu decken (§ 3), weil die Antragsgegnerin sich als "global player" auf dem internationalen Verbriefungsmarkt betätigt habe und deren Vermögen die von ihr eingegangenen Verbindlichkeiten aus dem eigenen und dem Verbriefungssegment der Zweckgesellschaften nicht abgedeckt habe. Der Verbriefungssektor der Antragsgegnerin und ihrer Zweckgesellschaften habe im Geschäftsjahr 2006/2007 mit einem Volumen von 24,7 Mrd. € bei einer Bilanzsumme von ca. 52 Mrd. € ca. 47 % des Gesamtvolumens ihres Geschäftsfeldes ausgemacht. Der Vorstand habe auch gegen den allgemeinen Bankengrundsatz der Fristenkongruenz von Finanzierung und Refinanzierung verstoßen, weil die Antragsgegnerin über das Verbriefungsgeschäft langfristige, in einer Zweckgesellschaft gebündelte Darlehen über den Geldmarkt kurzfristig refinanziert habe. Da die Antragsgegnerin nur über einen Bestand von maximal 24,2 Mrd. € an kurzfristigen liquiden Mitteln verfügt habe, habe im Hinblick auf die kurzfristigen Eventualverbindlichkeiten von 24,7 Mrd. € eine Unterdeckung von ca. 500 Mio. € bestanden. Der Aufsichtsrat habe trotz der erheblichen Ausweitung der Eventualverbindlichkeiten gegenüber dem Vorjahr um ca. 1,7 Mrd. € nicht nachgefragt. Die eingegangenen Risiken bei der von der Antragsgegnerin im Jahre 2002 in den USA gegründeten Zweckgesellschaft, J. für deren Verbindlichkeiten die Antragsgegnerin voll gehaftet habe, hätten zu 85 % im Subprime-Bereich bestanden. Der Subprime-Anteil im eigenen Engagement der Antragsgegnerin habe 35 % betragen. Vorstand und Aufsichtsrat seien daher existenzbedrohende Risiken zu Lasten der Antragsgegnerin eingegangen. Der Verweis auf exzellente Ratings sei zur Exkulpation ungeeignet, weil das Geschäftsmodell im ABS- bzw. CDO-Bereich von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen sei. Es sei allgemein bekannt gewesen, dass die US-Banken bei ihrer Kreditvergabe an äußerst bonitätsschwache US-Bürger bereit gewesen seien, 120 % und mehr zu finanzieren. Aufgrund des Preisverfalls für US-Immobilien und der gleichzeitig gestiegenen Zinsen in den USA habe spätestens seit 2006 ein enorm hohes Ausfallrisiko für US-Hypotheken bestanden, so dass Vorstand und Aufsichtsrat spätestens mit Bekanntwerden der vorgenannten Umstände das erhöhte Risiko für die Antragsgegnerin hätten erkennen und Gegenmaßnahmen einleiten müssen. Letztlich habe es sich um ein Schneeballsystem gehandelt, dass nur so lange habe funktionieren können, wie die Immobilienpreise gestiegen seien und die Refinanzierungsmöglichkeit bestanden habe. Ein funktionierendes eigenes Risikomanagementsystem der Antragsgegnerin sei nicht vorhanden gewesen. Die Behauptung der Antragsgegnerin in der Pressemitteilung vom 20. Juli 2007, der Schwerpunkt ihres Engagements seien Investments in Portfolien von Unternehmenskrediten gewesen, sei falsch gewesen, weil der Schwerpunkt im Bereich CDO (Collateralized Debt Obligations) in Subprimes (35 % selbst, 85 % J.) gelegen habe. Mit Ad-hoc-Mitteilung vom 30. Juli 2007 habe die Antragsgegnerin die vorgenannte Aussage vollständig revidieren müssen. Aus dem vom damaligen Aufsichtsrat der Antragsgegnerin nach deren Zusammenbruch in Auftrag gegebenen Sonderprüfungsbericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft K. zur Untersuchung der Vorfälle und eines etwaigen Versagens der Vorstände der Antragsgegnerin, welcher nicht veröffentlicht worden sei, aber der M. nach einem ihrer Artikel vom 25. März 2009 vorliege, lasse sich eine Anfrage der X-Bank vom 29. März 2007 entnehmen, in welcher die Antragsgegnerin gebeten worden sei, angesichts der heraufziehenden Katastrophe in den USA, ihre Gesamtengagements auf dem US-Immobilienmarkt aufzuführen, weil Hypothekenspezialisten in den USA in zum Teil akute wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten seien. Diese Anfrage habe die Antragsgegnerin mit den Worten der K. "ausführlich und ausweichend zugleich" beantwortet. Laut Einschätzung der K. sei dem ehemaligen Vorstand allerspätestens zum Zeitpunkt des Antwortschreibens klar gewesen, dass die Antragsgegnerin ein erhebliches Engagement im Subprime-Bereich auf dem US-Hypothekenmarkt eingegangen sei. Vor dem Hintergrund des Inhaltes des Antwortschreibens an die X-Bank habe die K. die Pressemitteilung vom 20. Juli 2007 für widersprüchlich gehalten. Die Antragsgegnerin hat sich gegen die gerichtliche Bestellung eines Sonderprüfers gewandt und die Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung über alle Anfechtungsklagen gegen die streitgegenständlichen Aufhebungsbeschlüsse beantragt, weil es ihrer Ansicht nach an substantiiertem Vortrag zu den angeblichen groben Satzungs- oder Gesetzesverstößen ihrer Organe fehle. Auslöser für ihre Existenzkrise seien nicht ihr Engagement am Verbriefungsmarkt oder ihre Zusammenarbeit mit Zweckgesellschaften, insbesondere der J., gewesen, sondern die völlig überraschende und nicht vorhersehbare Entscheidung der X-Bank, ihre Handelslinien im Interbankenmarkt am 27. Juli 2007 zu sperren und der beispiellose Einbruch des ABCP-Marktes in der Folgezeit. Ein Verstoß gegen den Unternehmensgegenstand liege nicht vor, weil ihre Engagements außerhalb des Bereichs der Finanzierung von mittelständischen Unternehmen von der Satzung ausdrücklich gestattet seien, nämlich Bankgeschäfte und Finanzdienstleitungen aller Art. Weder ihre unmittelbare Investition in strukturierte Forderungsportfolien noch die Gewährung von Liquiditätslinien zugunsten von Zweckgesellschaften seien mit der Ausgabe von Schuldverschreibungen gleichzusetzen und daher von § 3 der Satzung gar nicht erfasst. Der Grundsatz der Fristenkongruenz entspreche schon lange nicht mehr der gängigen Praxis. Selbst dessen Einhaltung gewährleiste keine absolute Liquiditätssicherung. Die gesamte Branche sei zum damaligen Zeitpunkt von einem geringen Risiko von Investments in strukturierte Wertpapiere mit hohen Ratings ausgegangen. Dabei habe es sich um ein übliches Geschäftsmodell gehandelt. Der Subprime-Anteil sage nichts über das mit diesem Investment tatsächlich verbundene Risiko aus, weil bereits eine Spur von Subprime-Bezug für diese Bezeichnung ausreiche. Folglich seien die tatsächlichen Subprime-Investments wesentlich geringer als von den Antragstellern suggeriert. Zudem seien über 85 % dieser Subprime-Anteile mit AAA bzw. AA bewertet gewesen, hätten also eine sehr geringe Ausfallwahrscheinlichkeit gehabt. Sie habe sich zudem nicht nur auf externe Ratings verlassen, sondern schon frühzeitig ein internes Ratingsystem entwickelt, um die Risiken eines Investments abschätzen zu können, den Markt genau beobachtet und als Konsequenz daraus noch stärker auf hohe Ratings geachtet. Seit 2003 sei der Anteil von AA- und besseren Ratings von 68 % auf 74 % gestiegen. 92 % ihrer Neuinvestments hätten in 2006 ein Rating von AA oder sogar AAA aufgewiesen. Bei dem "L." habe der Anteil bei 87 % gelegen und 2007 hätten die Zahlen 70 % bzw. 97 % betragen. Sie sei bei der Einschätzung der aus ihren Liquiditätslinien für den Zweckgesellschaftsverbund L., dem verschiedene Ankaufsgesellschaften sowie J. als Refinanzierungsgesellschaft angehörten, resultierenden Risiken besonders vorsichtig gewesen, weil sie statt der branchenüblichen zwei bis drei Tage ein Marktversagen von bis zu 15 Tagen (sog. Liquiditätsstresstest) unterstellt habe. Dementsprechend habe sie in erheblichem Umfang Liquiditätsreserven aufgebaut. Die von den Antragstellern behauptete Unterdeckung von 500 Mio. € habe wegen dieser Reserven und der Möglichkeit der Refinanzierung nie bestanden. Dass der ABCP-Markt im Sinne eines dauerhaften Marktversagens zusammenbrechen würde, habe sie damals für ausgeschlossen gehalten. Sie sei im Einklang mit dem üblichen Procedere in der Branche davon ausgegangen, dass sie sich, falls Liquiditätslinien in erheblichem Umfang gezogen würden, notfalls bei anderen Kreditinstituten refinanzieren könnte. Dass auch diese Möglichkeit wegbrechen würde, habe sie damals ebenfalls für ausgeschlossen gehalten. Der US-Hypothekenmarkt habe sich bis September 2006 positiv entwickelt. Erst Ende 2006 habe es eine leichte Abwärtsbewegung gegeben. Noch im März 2007 habe N. die Ausfallraten lediglich auf 5,5 % bis 6 % geschätzt. Auch das Gutachten des Bundesrechnungshofes (AG 13, Seite 50) bestätige, dass die Risiken, die zu ihrer Existenzkrise geführt hätten, für niemanden vorhersehbar gewesen seien. Ferner werde bestätigt, dass ihr Geschäftsmodell im Bereich Verbriefungen den damaligen gesetzlichen Anforderungen gerade auch in Bezug auf die Eigenkapitalvorschriften entsprochen habe, weil die Eigenmittelquote stets über der erforderlichen Mindesteigenmittelquote gelegen habe, wobei sie auf eine Übergangsregelung habe zurückgreifen können. Die Pressemitteilung vom 20. Juli 2007 habe der damaligen Risikoeinschätzung aufgrund von Berichten externer Ratingagenturen – N. vom 11. Juli 2007 und O. vom 19. Juli 2007 – und eigener Risikoanalysen entsprochen. Der Sonderuntersuchungsbericht der K. sei für die streitentscheidende Frage der Verletzung von Sorgfalts- oder Treuepflichten unergiebig, weil die K. nicht beauftragt worden sei, das Verhalten des Vorstandes im Allgemeinen zu untersuchen. Gegenstand der – auch an andere Banken gerichteten – Anfrage der X-Bank sei nach dem damaligen Verständnis der Antragsgegnerin allein ihr unmittelbares Engagement auf dem US-amerikanischen Immobilienmarkt einschließlich der damit verbundenen Zusagen gewesen. Sie habe die Anfrage nicht so verstanden, dass mit "übernommenen Zusagen" auch Liquiditätslinien hätten gemeint sein können, welche gegenüber Zweckgesellschaften eingeräumt gewesen seien. Mangels Pflichtverletzungen des Vorstandes kämen auch keine Pflichtverletzungen des Aufsichtsrats in Betracht. Die beantragte gerichtliche (Wieder-) Einsetzung des Sonderprüfers verletze zudem das Verhältnismäßigkeitsprinzip und laufe auf eine verbotene missbräuchliche Rechtsausübung zu ihren Lasten und zu Lasten ihrer Aktionäre hinaus. Der durch die Sonderprüfung zu erzielende Nutzen, nämlich die Aufklärung etwaiger Ersatzansprüche gegen ihre ehemaligen Organe, stünde in einem groben Missverhältnis zu den durch den aufgrund der obligatorischen Einreichung zum Handelsregister (§ 145 Abs. 6 Satz 3 AktG) öffentlich zugänglichen Sonderprüfungsbericht zu befürchtenden massiven Nachteilen, weil nicht mit einer annähernden Kompensation des bei ihr eintretenden Schadens im Wege der Organhaftung zu rechnen sei. Schon die bloße Wiederaufnahme der Sonderprüfung begründe die Gefahr, dass neben den bisherigen ca. 140 – gewonnenen – Anlegerklageverfahren weitere unbegründete Anlegerklageverfahren eingeleitet würden. Allein die Geltendmachung solcher Ansprüche zwinge sie dazu, vorsorglich erhebliche Rückstellungen in der Bilanz zu bilden und auf diese Weise in beträchtlichem Umfang für den Geschäftsbetrieb notwendiges Kapital zu binden. Die Kosten der Rechtsverteidigung vor allem in den USA aufgrund bestehender und drohender Gerichtsverfahren könnten Dimensionen erreichen, die realistischerweise durch einen Regress bei etwaig verantwortlichen ehemaligen Organmitgliedern nicht zu decken wären. In den USA habe eine US-amerikanische Versicherungsgesellschaft sie auf Schadensersatz in Höhe von mehr als 1,8 Mrd. € verklagt. Diese in erster Instanz als unzulässig abgewiesene Klage befinde sich derzeit im Berufungsverfahren. Bereits die Verteidigung in erster Instanz habe – nach US-Recht nicht erstattungsfähige – Kosten in Millionenhöhe verursacht. Angesichts dieser nahezu unkalkulierbaren, durch einen Regress bei den Organmitgliedern nicht zu deckenden Haftungsrisiken überwiege ihr Interesse daran, dass die Sonderprüfung nicht fortgesetzt werde. Die Schutzklausel des § 145 Abs. 4 AktG reiche nicht aus, weil zum einen nur der Vorstand und nicht auch der Großaktionär antragsbefugt seien und zum anderen gerade die Aufnahme der Tatsachen, die den Kern der Sonderprüfung ausmachten, nicht verhindert werden könne. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGHZ 135, 244) sei zudem anerkannt, dass Vorstand und Aufsichtsrat ausnahmsweise von der Verfolgung von Ersatzansprüchen gegenüber Organmitgliedern absehen dürften und müssten, wenn das Interesse der Gesellschaft an der Vertraulichkeit der zugrunde liegenden Sachverhalte höher zu bewerten sei als das Rechtsverfolgungsinteresse. Die beantragte Aussetzung des Verfahrens analog § 148 ZPO bis zur Entscheidung über alle Anfechtungsklagen gegen die streitgegenständlichen Aufhebungsbeschlüsse sei wegen des bei erfolgreicher Anfechtungsklage und gerichtlicher (Wieder-)Einsetzung entstehenden unzulässigen "Doppelmandats" des Sonderprüfers geboten. Die Schutzklausel des § 145 Abs. 4 AktG finde nämlich auf von der Hauptversammlung beschlossene Sonderprüfungen keine Anwendung und für eine analoge Anwendung fehle es an einer planwidrigen Regelungslücke. Ferner könne ein gerichtlich bestellter Sonderprüfer gemäß § 142 Abs. 6 AktG Auslagenersatz und Vergütung auf der Basis einer gerichtlichen Festsetzung verlangen, während ein von der Hauptversammlung mandatierter Sonderprüfer gemäß den Regelungen des mit ihm geschlossenen Prüfungsvertrages zu vergüten sei. Es sei daher unklar, nach welchen Vorschriften sich die Vergütung des Sonderprüfers richte.
Mit Beschluss vom 14. August 2009 hat das Landgericht den Anträgen der Antragsteller stattgegeben. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Beschlusses verwiesen.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin, deren gleichzeitigem Eilantrag auf Außerkraftsetzung der gerichtlichen Bestellung des Sonderprüfers bis zur endgültigen Entscheidung des Senats über die sofortige Beschwerde stattgegeben worden ist. Wegen der Begründung wird auf die Gründe des Senatsbeschlusses vom 26. Oktober 2009 Bezug genommen. Hilfsweise hält die Antragsgegnerin ihren Aussetzungsantrag aufrecht. In ihrer Beschwerdebegründung nimmt die Antragsgegnerin auf ihr Vorbringen in erster Instanz Bezug und geht auf die ihrer Ansicht nach falsche Argumentation des Landgerichts ein. Sie vertritt die Auffassung, dass weder aus der Tatsache, dass zunächst eine Sonderprüfung eingeleitet worden sei, noch aus der Tatsache, dass die Sonderprüfung durch den neuen Mehrheitsaktionär abgebrochen worden sei, ein Verdacht im Sinne des § 142 Abs. 2 AktG hergeleitet werden könne. Die Anklageerhebung gegen ihren ehemaligen Vorstandssprecher begründe keinen Verdacht im Sinne des § 142 Abs. 2 AktG, weil der Vorwurf des Missmanagements bis zum Sommer 2007 nicht Gegenstand der Anklage sei. Die Veröffentlichung der Untersuchungsergebnisse stelle ein existenzbedrohendes Risiko für sie dar, welches sich eindrucksvoll auch dadurch realisiert habe, dass am 24. August 2009 die französische Investmentbank P. vor dem Londoner High Court of Justice gegen sie Klage erhoben habe, mit welcher sie von ihr Schadensersatz in Höhe von 1,675 Mrd. USD fordere. Die Abwehr dieses unbegründeten Anspruchs verursache massive Kosten und führe zu einer erheblichen Beeinträchtigung des operativen Geschäfts. Die Antragsgegnerin rügt darüber hinaus einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG mit der Begründung, dass das Landgericht, welches sich nicht auf den Vortrag der Antragsteller gestützt, sondern seinen Beschluss mit völlig anderen Erwägungen begründet habe, sie nicht zuvor dazu angehört habe. Auch habe sich das Landgericht weder mit ihrem umfassenden Vortrag zum Aspekt der Missbräuchlichkeit der Einsetzung des Sonderprüfers befasst noch die ihrer Ansicht nach erforderliche Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgenommen.
Die Antragsteller verteidigen den angegriffenen Beschluss und beantragen die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde. Weder Unverhältnismäßigkeit noch Rechtsmissbräuchlichkeit lägen vor, weil die Verfolgung von Schadensersatzansprüchen gegenüber ehemaligen Organmitgliedern die Regel sei und gewichtige, gegen eine Sonderprüfung sprechende Gründe nicht ersichtlich seien, zumal die Antragsgegnerin in Bezug auf die ausländischen Klageverfahren (vgl. Ad-hoc-Mitteilung vom 25. August 2009 (Anlage 19, Bl. 250 GA) mit der A. eine Freistellungsvereinbarung über einen Betrag von 1,1 Mrd. € getroffen habe, so dass kein relevanter Schaden eintreten könne. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs liege ebenfalls nicht vor, weil das Landgericht seine Entscheidung auf von ihnen vorgetragene Umstände gestützt habe. Es möge noch vertretbar sein, wenn in einem tragbaren Umfang gegen die "goldene Bankenregel" der Fristenkongruenz verstoßen werden. Aber es sei von der Antragsgegnerin absolut unverantwortlich gewesen, unter bloßem Verweis auf gute Ratings ohne eigene Plausibilisierung und ohne eigenes funktionierendes Risikomanagement 47 % ihrer Bilanzsumme in CDO´s mit einem überwiegenden Subprime-Anteil zu investieren.
Eine Aussetzung verbiete sich aus Gründen der Prozessökonomie. Sie würde zu einer nicht hinnehmbaren Verzögerung für die Antragsteller führen, weil ein von der Mehrheitsaktionärin nach dem 30. September 2010 betriebener Squeeze-out das Sonderprüfungsverfahren faktisch beenden würde. Die theoretische Möglichkeit eines Doppelmandats des Sonderprüfers führe sogar zu einer Besserstellung der Antragsgegnerin, weil ein Antrag nach § 145 Abs. 4 AktG nach deren Ansicht nur im Falle eines gerichtlich gestellten Sonderprüfers gestellt werden könne.
Der Streithelfer der Antragsteller beantragt ebenfalls die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde und trägt ergänzend zum Vortrag der Antragsteller vor, dass die Vorstandsmitglieder der Antragsgegnerin Klumpenrisiken übernommen hätten, obwohl deren Vermeidung zu den Grundsätzen des sorgfältigen Bankmanagements gehöre, dass sie unnötig bestandsgefährdende Risiken eingegangen seien, indem sie der J. Kredit- und Liquiditätslinien in Höhe von bis zu 11,6 Mrd. € gewährt hätten, und dass sie ihre Entscheidungen nicht auf der Grundlage angemessener Informationen getroffen hätten, weil sie laut dem der M. vorliegenden Bericht der K. vom 12. Oktober 2007 mehrere Warnsignale nicht beachtet hätten. Wegen der Einzelheiten dieser Warnmeldungen wird auf die Seiten 16 und 17 der Anlage N1 (Bl. 237 u. 238 GA) Bezug genommen. Es legten ferner Tatsachen den Verdacht nahe, dass der Vorstand der Antragsgegnerin mit der Auslagerung wesentlicher Teile der Geschäftstätigkeit im Zusammenhang mit Finanzanlagen auf die I-GmbH seine Organisationspflichten gemäß § 21 Abs. 2 AktG, § 25a KWG verletzt habe, weil die Auslagerung zu einer Delegation der Verantwortung des Vorstandes geführt habe. Auch einem vom Vorstand nur unzureichend informierten Aufsichtsrat habe es nicht entgehen können, dass die Gesellschaft übergroße und existenzbedrohende Klumpenrisiken eingegangen sei. Als seinen mit der Ausweitung des Verbriefungsgeschäfts ab 2005 verbundenen Sorgen mit dem Hinweis begegnet worden sei, dass durch die Ausplatzierung von Liquiditätslinien auf Dritte kein weiteres Risiko der Bank begründet werde, hätte er nachfragen müssen, inwieweit die Bank weiter im Risiko stehe und wo das Kreditrisiko der angekauften Forderungen zu verorten gewesen sei. Auch die erheblichen Diskrepanzen in den Geschäftsberichten 2006/2007 und 2005/2006 zwischen der Höhe der Kreditzusagen an Spezialgesellschaften (11,9 Mrd. € bzw. 12,06 Mrd. €, Seite 197 f.) und der Höhe der Forderungen an Kreditinstitute (4,441 Mrd. € bzw. 2,197 Mrd. €, Seite 168, 194) hätten entsprechende Nachfragen des Aufsichtsrats auslösen müssen.
Die Antragsgegnerin erwidert, dass die Ausführungen der Antragsteller zu der angeblichen Freistellungsvereinbarung mit der A. rein spekulativ seien. Da § 145 Abs. 4 AktG keinen hinreichenden Schutz biete, bleibe ihr Aussetzungsantrag begründet. Was den ergänzenden Vortrag des Streithelfers betreffe, sei zu entgegnen, dass der Eintritt ihrer Existenzkrise nicht in irgendeinem Zusammenhang mit den behaupteten Schwachstellen bei der Risikoanalyse, Risikosteuerung oder dem Berichtswesen stehe, also auch nicht aufgrund einer angeblich mangelhaften Überwachung der I-GmbH eingetreten sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf den Inhalt der zwischen den Parteien in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die nachstehend getroffenen tatsächlichen Feststellungen.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 142 Abs. 5 Satz 2, Abs. 8 AktG, § 22 Abs. 1 FGG), aber unbegründet.
Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht die von den Antragstellern beantragte Bestellung des Sonderprüfers angeordnet.
1. Die formellen Voraussetzungen für den Antrag gemäß § 142 Abs. 2 AktG liegen vor.
a) Die Antragsteller sind antragsberechtigt. Sie erreichen als qualifizierte Minderheit zusammen das notwendige Quorum von 100.000,– €, weil sie gemeinsam insgesamt 211.100 (47.100 + 64.500 + 99.500) nennwertlose Inhaber-Stammaktien halten, die zum Zeitpunkt der Antragstellung unstreitig einen Kurswert von ca. 0,73 € (Bl. 9 GA) hatten, und durch Vorlage entsprechender Bankbestätigungen (A 1 bis A 3) nachgewiesen haben, dass sie seit mindestens drei Monaten vor dem Tag der Hauptversammlung Inhaber der Aktien sind und dass sie die Aktien bis zur Entscheidung über den Antrag halten werden (§ 142 Abs. 2 Satz 2 AktG). In den vorgenannten Bankbestätigungen haben sich die depotführenden Kreditinstitute gegenüber dem Gericht verpflichtet, es während der Dauer des Verfahrens über jegliche Veränderungen in Bezug auf den antragsbegründenden Aktienbestand zu unterrichten.
b) Zwar setzt § 142 Abs. 2 Satz 1 AktG einen ablehnenden Hauptversammlungsbeschluss voraus, aber es ist allgemein anerkannt, dass die Aufhebung eines bereits gefassten positiven Beschlusses dem ablehnenden Beschluss gleichzustellen ist (RGZ 143, 401, 410; Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 142 Rdnr. 18 m. w. N.; Schmidt/Lutter/Spindler, AktG, § 142 Rdnr. 48). So liegt der Fall hier. Die Bestellung des Sonderprüfers in der ordentlichen Hauptversammlung vom 27. März 2008 wurde durch die außerordentliche Hauptversammlung vom 25. März 2009 wieder aufgehoben.
c) Gegenstand einer Sonderprüfung nach § 142 Abs. 2 AktG ist u. a. ein nicht über fünf Jahre seit dem Tag der Hauptversammlung, in der die Sonderprüfung abgelehnt oder aufgehoben wurde, zurückliegender Vorgang bei der Geschäftsführung. aa) Unter Vorgängen bei der Geschäftsführung ist der gesamte Verantwortungsbereich des Vorstandes im Sinne des § 76 Abs. 1 AktG zu verstehen, also jedwede tatsächliche oder rechtliche Tätigkeit für die Gesellschaft (Hüffer, aaO, § 142 Rdnr. 4; MünchKommAktG/Schröer, 2. Aufl., § 142 Rdnr. 18). Geschäftsführung im Sinne des § 142 Abs. 2 Satz 1 AktG ist auch die Tätigkeit des Aufsichtsrat, soweit sie sich durch Überwachung (§ 111 Abs. 4 Satz 2 AktG) oder Ausübung einer Zustimmungskompetenz (§ 111 Abs. 4 Satz 2 AktG) auf die Geschäftsführung des Vorstands bezieht (Hüffer, aaO, § 142 Rdnr. 5).
bb) Die der Sonderprüfung zu unterstellenden Vorgänge bei der Geschäftsführung der Antragsgegnerin stehen im Zusammenhang mit der Aufnahme, Überwachung oder Ausweitung von Geschäften in oder mit Verbriefungs- oder Refinanzierungszweckgesellschaften sowie bei Einrichtung und Auslagerung wesentlicher Funktionen auf die I-GmbH, welche ihren Ausgang im Jahr 2001 nahmen und bis zum Ausbruch der Krise der Antragsgegnerin Mitte 2007 andauerten. Dass diese Vorgänge, vom Tag der maßgeblichen Hauptversammlung am 25. März 2009 zurückgerechnet, teilweise länger als fünf Jahre zurückliegen, steht der Prüfung jedoch nicht entgegen, weil es bei einem über längere Zeit erstreckten Vorgang ausreicht, dass der letzte Teil noch in den Fünfjahreszeitraum fällt (Heidel/Wilsing/Neumann, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 2. Aufl., § 142 AktG Rdnr. 18; GroßKommAktG/Bezzenberger, 4. Aufl., § 142 Rdnr. 52; MünchKommAktG/Schröer, aaO, § 142 Rdnr. 59).
d) Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin sind die gestellten Anträge nicht rechtsmissbräuchlich. Ein Missbrauch des Antragsrechts liegt vor, wenn illoyale, grob eigennützige Rechtsausübung betrieben wird. Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn mit dem Antrag ein Lästigkeitswert aufgebaut und mit diesem Druckmittel Zahlungen an den Antragsteller durchgesetzt werden sollen (Hüffer, aaO, § 142 Rdnr. 21; Heidel/Wilsing/Neumann, aaO, § 142 AktG Rdnr. 24; MünchKommAktG/Schröer, aaO, § 142 Rdnr. 95). Es liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass die Antragsteller ausschließlich sachfremde Zwecke verfolgen.
2. Die Anträge der Antragsteller erfüllen auch die materiellen Voraussetzungen des § 142 Abs. 2 Satz 1 AktG.
a) Voraussetzung für die gerichtliche Bestellung von Sonderprüfern ist das Vorliegen von Tatsachen, die den Verdacht rechtfertigen, dass bei dem Vorgang Unredlichkeiten oder grobe Verletzungen des Gesetzes oder der Satzung vorgekommen sind (§ 142 Abs. 2 Satz 1 AktG). Erforderlich ist zunächst, dass die Antragsteller Tatsachen vortragen, aus denen sich, wenn auch nur mittelbar, diese Verdachtsgründe ergeben. Unsubstantiierte Behauptungen, bloße Verdächtigungen oder Vermutungen reichen nicht aus. Die Antragsteller brauchen die von ihnen behaupteten Indiztatsachen zunächst bei Antragstellung weder zu beweisen noch glaubhaft zu machen. Dem Antrag kann aber nur stattgegeben werden, wenn das Gericht nach Anhörung der Gesellschaft und des Aufsichtsrats zu der Überzeugung gelangt, dass hinreichende Tatsachen vorliegen, die den Verdacht von Unredlichkeiten oder von groben Verletzungen des Gesetzes oder der Satzung begründen. Gegebenenfalls kann das Gericht dazu ergänzende Ermittlungen anstellen. Ob jedoch tatsächlich Unredlichkeiten oder grobe Verletzungen des Gesetzes bzw. der Satzung vorgekommen sind, ist im Rahmen der Entscheidung über die Anordnung der Sonderprüfung ebenso wenig zu beurteilen wie die Frage, welche Rechtsfolgen sich hieraus ergeben können. Andernfalls würde nämlich dem Ergebnis der Sonderprüfung vorgegriffen (GroßKommAktG/Bezzenberger, aaO, § 142 Rdnr. 62).
aa) Pflichtverletzungen, die nicht sittlich anstößig, also nicht unredlich sind, rechtfertigen die Bestellung eines Sonderprüfers nur, wenn sie grob sind. Das setzt zum einen schuldhaftes Handeln voraus und bedeutet zum anderen, dass der Handelnde nicht nur unbedeutend, sondern erheblich von seinen Pflichten abweicht. Dabei kann die Pflichtverletzung zu einer groben auch dadurch qualifiziert werden, dass das Verschulden oder der mit der Pflichtverletzung verursachte Schaden besonders eklatant ausfällt (MünchKommAktG/Schröer, aaO, § 142 Rdnr. 68; GroßKommAktG/Bezzenberger, aaO, § 142 Rdnr. 62; Bürgers/Körber/Holzborn, Heidelberger Komm. z. AktG, § 142 Rdnr. 15). Ein Gesetzes- oder Satzungsverstoß ist auch dann grob, wenn dies die Umstände des Einzelfalles nahe legen und eine Nichtverfolgung unerträglich erscheinen würde (Heidel/Wilsing/Neumann, aaO, § 142 AktG Rdnr. 19).
bb) Neben der Beschränkung durch das Merkmal "grob" erfährt das Antragsrecht eine weitere Begrenzung durch die allgemeine Verhältnismäßigkeitsprüfung (Schmidt/Lutter/Spindler, aaO, § 142 Rdnr. 54; a. A. Fleischer, NJW 2005, 3525, 3527). Diese vom Gericht von Amts wegen vorzunehmende Verhältnismäßigkeitsprüfung ist zwar im Wortlaut von § 142 Abs. 2 AktG nicht angelegt; sie findet ihre Rechtfertigung aber in der Gesetzessystematik und wird vor allem auch in der Gesetzesbegründung ausdrücklich verlangt (BT-Drucks 15/5092 S. 18; Trölitzsch/Gunßer, AG 2008, 833, 837). Danach ist "eine ... Verhältnismäßigkeitsprüfung ... auch bei der Zulassung der Sonderprüfung in Geringfügigkeitsfällen vorzunehmen, wenn die Kosten und negativen Auswirkungen einer Sonderprüfung für die Gesellschaft nicht in angemessenem Verhältnis zu dem durch das Fehlverhalten ausgelösten Schaden stehen".
cc) Aus den vorgetragenen Tatsachen muss sich ein hinreichender Tatverdacht für eine Unredlichkeit oder erhebliche Pflichtverletzung ergeben, d.h. diese müssen denklogisch wahrscheinlich und nicht bloß nur möglich sein (MünchKommAktG/Schröer, aaO, § 142 Rdnr. 69).
b) Nach der Überzeugung des Senats liegen Tatsachen vor, die den Verdacht rechtfertigen, dass es bei den zu prüfenden Vorgängen zu groben Pflichtverletzungen durch den Vorstand und den Aufsichtsrat gekommen ist.
aa) Zunächst besteht hinreichender Verdacht, dass Vorstand und Aufsichtsrat in grobem Maße gegen den satzungsmäßigen Unternehmensgegenstand verstoßen und damit ihre Sorgfalts- und Überwachungspflichten in erheblichem Maße verletzt haben (§§ 93 Abs. 1, 111 Abs. 1 AktG).
§ 2 der Satzung der Antragsgegnerin (AG 3) lautet seit September 2006 wie folgt:
"Gegenstand des Unternehmens ist die Förderung der gewerblichen Wirtschaft, insbesondere durch Bereitstellung von mittel- und langfristigen Finanzierungen oder Eigenkapital bzw. Eigenkapitalsurrogaten und Leasingfinanzierungen sowie der damit verbundenen Beratungsleistungen. Den Finanzierungsbedürfnissen des Mittelstandes soll bevorzugt Rechnung getragen werden.
Die Gesellschaft kann Bankgeschäfte aller Art betreiben und Finanzdienstleistungen aller Art erbringen.
Die Gesellschaft ist zu allen Geschäften und Maßnahmen berechtigt, die geeignet erscheinen, dem Gegenstand des Unternehmens zu dienen. Sie kann ihre Geschäftstätigkeit ganz oder teilweise durch Tochter-, Beteiligungs- und Gemeinschaftsunternehmen verwirklichen und zu diesem Zweck im In- und Ausland andere Unternehmen gründen, erwerben und sich an solchen beteiligen."
Aus der vorgenannten Beschreibung des Gegenstandes des Unternehmens der Antragsgegnerin ist eindeutig zu entnehmen, dass ihre Tätigkeit in der Förderung und Finanzierung der gewerblichen Wirtschaft, insbesondere des Mittelstandes, liegt und alle ihre Geschäfte und Maßnahmen diesem Zweck dienen sollen. Soweit die Antragsgegnerin auf ihre in § 2 Abs. 2 vorgesehene allgemeine Berechtigung, Bankgeschäfte aller Art zu betreiben und Finanzdienstleistungen aller Art zu erbringen, zur Rechtfertigung ihrer Betätigung im Verbriefungsbereich verweist, kann dem zum einen entgegengehalten werden, dass auch diese Berechtigung bei sachgerechter Auslegung des § 2 unter dem Oberziel der Förderung und Finanzierung der gewerblichen Wirtschaft steht, also der unmittelbaren oder mittelbaren Zweckerfüllung dienen muss, und zum anderen, dass unter den Begriff der Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen nicht beliebige Wertpapier-, Risiko- und Spekulationsgeschäfte, insbesondere auch nicht das Wettgeschäft mit Finanzinnovationen und –derivaten, fallen.
Auch der in den Jahren 2001 bis 2006 in der Satzung beschriebene Unternehmensgegenstand der Antragsgegnerin kann zu keinem anderen Ergebnis führen. Absatz 1 war identisch und die beiden weiteren Absätze lauteten wie folgt (AG 13, Seite 58, Anlage 3):
Außerdem kann die Gesellschaft sonstige Finanzierungen im In- und Ausland übernehmen oder sich an solchen beteiligen, Grundstücke erwerben, verwalten und veräußern, sich an anderen Unternehmen beteiligen und solche Unternehmen gründen oder erwerben sowie Zweigniederlassungen im In- und Ausland errichten. Soweit gesetzlich zulässig, darf die Gesellschaft alle Geschäfte und Maßnahmen durchführen, die geeignet sind, den Geschäftszweck zu fördern. Die Gesellschaft ist berechtigt, ihre Geschäftstätigkeit auch durch Tochter-, Beteiligungs- und Gemeinschaftsunternehmen zu verwirklichen sowie Unternehmens- und Kooperationsverträge abzuschließen."
Durch die Formulierung "darf die Gesellschaft alle Geschäfte und Maßnahmen durchführen, die geeignet sind, den Geschäftszweck zu fördern" kommt hier sogar noch stärker zum Ausdruck, dass die Tätigkeit der Antragsgegnerin dem Zweck der Förderung und Finanzierung der gewerblichen Wirtschaft zu unterstellen ist.
Es besteht begründeter Verdacht, dass gegen diesen Unternehmenszweck dadurch verstoßen worden ist, dass das eigene Engagement der Antragsgegnerin im Verbriefungssegment, den Investments in internationale Kreditportfolien (7 Mrd. €, A 9, Seite 64), einschließlich der Eventualverbindlichkeiten der Antragsgegnerin, d. h. ihrer unwiderruflichen Kreditzusagen für die den auf dem Verbriefungssektor tätigen Zweckgesellschaften bereitgestellten Liquiditätslinien (17,7 Mrd. €, A 9, Seite 198), im Geschäftsjahr 2006/2007 ein Volumen von insgesamt ca. 24,7 Mrd. € ausmachte, während das eigentliche Mittelstandsgeschäft der Antragsgegnerin, d. h. ihre Forderungen gegen Kunden, nur etwas mehr, nämlich ca. 29,3 Mrd. € (A 9, Seite 197) betrug. Damit erreichte der Verbriefungssektor der Antragsgegnerin ca. 46 % des Gesamtvolumens ihres Geschäftsfeldes, obwohl sie in diesem Bereich nach dem satzungsmäßigen Unternehmensgegenstand gar nicht oder zumindest nur in geringem Umfang hätte tätig werden dürfen.
Dem Vorstand eines Unternehmens steht bei der Begehung von Gesetzes- und Satzungsverstößen kein Ermessensspielraum zu. Zwingende Gesetzes- und Satzungsvorschriften haben die Funktion, Handlungsgrenzen zu setzen, die nicht nach Opportunitätsaspekten vom Normunterworfenen relativiert oder modifiziert werden dürfen. Der Schutz der Business Judgement Rule (§ 93 Abs. 1 Satz 2 AktG) besteht nicht bei Gesetzes- und Satzungsverstößen (Hüffer, aaO, § 93 Rdnr. 4f). Einen Beurteilungsspielraum haben Vorstandsmitglieder nur bei der Frage, wie sie innerhalb des gesetzlichen bzw. satzungsmäßigen Handlungsspielraums agieren, um das Unternehmen so erfolgreich wie möglich zu führen (BGHZ 135, 244, 251 ff.).
Mit dem vom Vorstand der Antragsgegnerin zu verantwortenden Engagement im Verbriefungssegment einschließlich der Kreditlinien für die in diesem Bereich tätigen Zweckgesellschaften dürfte er die ihm durch § 2 der Satzung gesetzten Handlungsgrenzen in erheblichem Maße überschritten haben. Dabei handelt es sich schon im Hinblick auf den unstreitig dadurch eingetretenen Schaden in Höhe mehrerer Milliarden Euro um eine grobe Pflichtverletzung. Sowohl dem Vorstand als auch dem Aufsichtsrat waren § 2 der Satzung sowie der Umfang der Betätigung der Antragsgegnerin im Verbriefungssektor und der Kreditierung der ebenfalls in diesem Bereich tätigen Zweckgesellschaften bestens bekannt. Der Aufsichtsrat hätte daher nicht zulassen dürfen, dass der Vorstand unter Verstoß gegen den satzungsmäßigen Unternehmenszweck der Antragsgegnerin Geschäfte im Verbriefungssektor tätigt, oder zumindest rechtzeitig Gegenmaßnahmen ergreifen müssen.
bb) Ferner ist der hinreichende Verdacht begründet, dass der Vorstand der Antragsgegnerin seine Pflichten grob verletzt hat, weil er entweder nicht auf ausreichender Informationsgrundlage gehandelt hat oder bewusst übergroße Risiken, insbesondere Klumpenrisiken, eingegangen ist.
aaa) Aus § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG ergibt sich, dass eine Pflichtverletzung dann nicht vorliegt, wenn das Vorstandsmitglied annehmen durfte, dass es die auf dem Prüfstand stehende unternehmerische Entscheidung auf der Grundlage angemessener Information zum Wohl der Gesellschaft getroffen hat. Diese Formulierung des Gesetzes statuiert eine Pflicht der Vorstandsmitglieder zur Informationsbeschaffung. Sie haben dazu alle ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen auszuschöpfen. Dabei dürfen sie sich nicht nur auf Informationen Dritter verlassen, sondern sind gehalten, eigene Informationsquellen im Unternehmen zu schaffen sowie ihr Funktionieren zu überwachen und sie zu nutzen (MünchKommAktG/Spindler, aaO, § 93 Rdnr. 47 f.).
(1) Bereits die übermäßige Komplexität und Intransparenz des Verbriefungssegments bedingte nahezu die Unmöglichkeit für den Vorstand, Entscheidungen auf ausreichender Informationsgrundlage zu treffen.
Der Vorstand der Antragsgegnerin hatte im Geschäftsjahr 2001/2002 entschieden, zum einen selbst in Kreditverbriefungen mit internationalem Profil zu investieren und zum anderen Dritte bei der Anlage in derartige Investments zu beraten. Gegenstand der eigenen Investments waren Unternehmensanleihen, Mortgage Backed Securities ("MBS"), Asset Backed Securities ("ABS") sowie zunehmend strukturierte Portfolien, die ihrerseits aus Portfolioinvestments bestanden, das bedeutet, dass diesen Wertpapieren ihrerseits Referenzportfolien von Kreditderivaten oder Portfolien aus ABS-Tranchen (sog. CDOs [Collateralized Debt Obligations] of ABS) zugrunde lagen. Nach Angaben des Vorstands in den Geschäftsberichten konzentrierte sich das Investment auf "hochdiversifizierte konsumentenkreditbezogene Portfolien, wie zum Beispiel Kreditkartenforderungen, Hypothekenkreditforderungen verschiedenster Art oder auch Autofinanzierungskredite". Das Profil der aufgrund der Beratung durch die Antragsgegnerin durch die Zweckgesellschaften angekauften Forderungen entsprach dabei dem der eigenen Investitionen, es bestand also auch hier eine Konzentration auf US-amerikanische Konsumentenkreditforderungen. Die Zusammenfassung von Krediten in Portfolien, die ihrerseits als strukturierte Finanzprodukte zur Unterlegung von Anleihen dienten, hier insbesondere in der Form von CDOs of ABS, eröffnete aber nicht nur die Möglichkeit der Diversifikation von Risiken, sie war auch mit einem erheblichen Verlust von Transparenz verbunden. Die mehrfach hintereinander geschaltete Strukturierung der Portfolios hatte zur Folge, dass schließlich kaum mehr abschätzbar war, welche Risiken aus den Investments resultierten. Zum Teil war es möglich, dass sich die Zusammensetzung der zugrunde liegenden Portfolien im Laufe der Zeit durch Managementmaßnahmen der Portfoliomanager änderte. Dieser Transparenzverlust und der damit einhergehende Vertrauensverlust hatten schließlich im Juli 2007 das Zusammenbrechen des Marktes für ABCPs (Asset Backed Commercial Papers = von den Zweckgesellschaften zur Refinanzierung der Ankaufsgesellschaften an externe Investoren ausgegebene besicherte Geldmarktpapiere mit einer kurzen Laufzeit von 30 bis 90 Tagen) zur Folge, was darin resultierte, dass die Antragsgegnerin aus den den Zweckgesellschaften gewährten Liquiditätszusagen vollständig in Anspruch genommen wurde und aufgrund der Sperrung ihrer Handelslinien im Interbankenmarkt schließlich in eine Existenzkrise geriet.
Für die Gefährlichkeit und Intransparenz solcher Finanzinnovationen und -derivate ist auch anzuführen, dass Warren Buffet bereits im Geschäftsbericht 2002 von Berkshire Hathaway Inc. auf Seite 15 schrieb: ... derivates are financial weapons of mass destruction, carrying dangers that, while now latent, are potentially lethal" (übersetzt: Derivate sind finanzielle Massenvernichtungswaffen, welche Gefahren in sich bergen, die derzeit verborgen, potentiell tödlich sind).
(2) Die externen Ratings der amerikanischen Rating-Agenturen konnten den Vorstand von der Pflicht zu eigener Information nicht entbinden.
Zum einen liegt auf der Hand, dass Ratingagenturen als privatwirtschaftlich organisierte Unternehmen, die aufgrund eines konkreten entgeltlichen Auftrages Bewertungen u. a. für Finanzprodukte des jeweiligen Auftraggebers abgeben und bereits im Vorfeld die Auftraggeber bei der Gestaltung der Modelle beraten, nicht wirklich objektiv beurteilen. Die Rating-Agenturen befanden sich zudem in einem für den Vorstand erkennbaren Interessenkonflikt: Denn die Antragsgegnerin hatte ein unmittelbares Interesse daran, dass die von J. emittierten Papiere ein gutes Rating erhielten, gleichzeitig bezahlte sie die Rating-Agenturen für ihre Dienstleistungen. Hinzu kommt, dass die Rating-Agenturen in ihren Nutzungsbedingungen stets die Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit, Aktualität und Brauchbarkeit der zur Verfügung gestellten Informationen ausschließen. Zudem hatten die Rating-Agenturen selbst wenig Erfahrung mit der Bewertung von Asset Backed Securities, da es sich bei diesen um relativ junge strukturierte Finanzprodukte handelte (vgl. Lutter, ZIP 2009, 197, 198). Sollten die Ratings der Agenturen zur allein maßgeblichen Informationsquelle für Anlageentscheidungen erhoben worden sein, stellt dies einen erheblichen Verstoß gegen die Pflicht des Vorstands dar, alle verfügbaren Erkenntnisquellen auszuschöpfen.
(3) Soweit die Antragsgegnerin einwendet, sie habe sich nicht nur auf externe Ratings verlassen, sondern schon frühzeitig ein internes Ratingsystem entwickelt, um die Risiken eines Investments abschätzen zu können, den Markt genau beobachtet und als Konsequenz daraus noch stärker auf hohe Ratings geachtet, hat sie dieses interne Ratingsystem nicht näher erläutert. Ihr diesbezügliches Vorbringen ist daher unsubstantiiert und damit nicht geeignet, den begründeten Verdacht zu widerlegen. Im Übrigen sind zum einen auch nach diesem Vortrag die externen Ratings das Maß der Dinge gewesen und zum anderen war das interne System offensichtlich wertlos.
bbb) Wenn der Vorstand über die gesamten Risiken des Verbriefungssegments ausreichend informiert war, besteht der begründete Verdacht, dass er durch das eigene unmittelbare und mittelbare Engagement der Antragsgegnerin in diesem Bereich (Gewährung der Kreditlinien für die Zweckgesellschaften) ein übergroßes Risiko eingegangen ist. Denn kein Vorstand handelt sorgfältig, wenn er Risiken für sein Unternehmen eingeht, die, wenn sie sich verwirklichen, zum Untergang des Unternehmens führen. Der Vorstand hat aber – bei ausreichender Information – sehenden Auges das rechtliche Risiko dieser Papiere – infolge ihrer Intransparenz –, ihr Qualitätsrisiko, das Marktrisiko und das Klumpenrisiko, d. h. die Häufung ähnlicher Ausfallrisiken, in Höhe mehrerer Milliarden € übernommen. Die hinreichende Diversifikation des Kreditportfolios und damit insbesondere die Vermeidung von Klumpenrisiken gehört aber zu den Grundsätzen des sorgfältigen Bankmanagements (Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Ziff. 19.93). Bei dem Inhalt der Papiere ging es um Hypotheken- und Konsumentenkredite gegenüber einer großen Zahl unbekannter Schuldner. Die Gefahr etwaiger Ausfälle war daher gleich. Genau dem will das Gebot, Klumpenrisiken zu vermeiden, entgegenwirken.
Es entspricht nicht der Sorgfalt eines gewissenhaften Bankvorstands einer mittelständischen Bank, sich im Bereich ausländischer, weitgehend unbekannter und letztlich unkontrollierbarer Wertpapiere in dem hier vorliegenden Umfang zu engagieren.
Ein starkes Indiz für das Vorliegen von Sorgfaltspflichtverletzungen des Vorstands der Antragsgegnerin ist auch der Hinweis des Bundesrechnungshofs in seinem Bericht an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages (AG 13, Seite 20 Ziffer 3.5) "nach § 88 Abs. 2 BHO zur Prüfung der geschäftlichen Aktivitäten zwischen der A. und der R. sowie des Risikomanagements der A. gegenüber der R.", "dass der damalige Vorstand der R. und seine Geschäftsstrategie in erster Linie verantwortlich für die Krise der R." (so auch auf Seite 6 Ziffer 0.2) seien.
cc) Es besteht ferner begründeter Verdacht, dass auch einem vom Vorstand nur unzureichend informierten Aufsichtsrat es nicht hat entgehen können, dass der Vorstand übergroße und existenzbedrohende Risiken eingegangen ist. Als seinen mit der Ausweitung des Verbriefungsgeschäfts ab 2005 verbundenen Sorgen mit dem Hinweis begegnet wurde, dass durch die Ausplatzierung von Liquiditätslinien auf Dritte kein weiteres Risiko der Bank begründet werde, hätte er nachfragen müssen, inwieweit die Bank weiter im Risiko stehe und wo das Kreditrisiko der angekauften Forderungen zu verorten gewesen sei. Auch die erheblichen Diskrepanzen in den Geschäftsberichten 2006/2007 und 2005/2006 zwischen der Höhe der Kreditzusagen an Spezialgesellschaften (11,9 Mrd. € bzw. 12,06 Mrd. €, Seite 197 f.) und der Höhe der Forderungen an Kreditinstitute (4,441 Mrd. € bzw. 2,197 Mrd. €) sowie die Erhöhung des Umfangs der eigenen Investitionen in verbriefte Kredite von zunächst 0,7 Mrd. € auf rd. 6,8 Mrd. € sowie des Volumens der Eventualverbindlichkeiten von zunächst rd. 4,4 Mrd. € auf mehr als 12 Mrd. € im Geschäftsjahr 2006/2007 (AG 13, Seite 18) hätten entsprechende Nachfragen des Aufsichtsrats auslösen müssen. Es liegen daher Tatsachen vor, die den hinreichenden Verdacht rechtfertigen, dass der Aufsichtsrat seine Überwachungspflichten in erheblichem Maße verletzt hat.
dd) Ferner legen Tatsachen den Verdacht nahe, dass der Vorstand der Antragsgegnerin mit der Auslagerung wesentlicher Teile der Geschäftstätigkeit im Zusammenhang mit Finanzanlagen auf die I-GmbH seine Organisationspflichten nach § 91 Abs. 2 AktG, § 25a KWG verletzt hat.
§ 91 Abs. 2 AktG regelt die Pflicht des Vorstands, die Früherkennung bestandsgefährdender Entwicklungen durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen. Dieser allgemeine aktienrechtliche Grundsatz wird in § 25a Abs. 1 KWG für Banken in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft konkretisiert. § 25a KWG verlangt für eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation ein angemessenes und wirksames Risikomanagement, wozu Maßnahmen gehören, anhand derer sich die finanzielle Lage des Instituts jederzeit mit hinreichender Genauigkeit bestimmen lässt. Nach § 25a Abs. 2 KWG muss in Fällen der Auslagerung von Aktivitäten durch ein Kreditinstitut ein angemessenes und wirksames Risikomanagement durch das Institut gewährleistet bleiben; die Auslagerung darf nicht zu einer Delegation der Verantwortung des Vorstands an das Auslagerungsunternehmen führen.
Der vom damaligen Aufsichtsrat der Antragsgegnerin nach deren Zusammenbruch in Auftrag gegebenen Sonderprüfungsbericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft K. (K.) zur Untersuchung der Vorfälle und eines etwaigen Versagens der Vorstände der Antragsgegnerin, welcher nicht veröffentlicht wurde, aber der M. nach einem Artikel vom 25. März 2009 vorliegt, kommt zu dem Ergebnis: Das Management bei den on-balance Portfolio-Investments als auch den außerhalb der Bilanz laufenden Investments der Antragsgegnerin sei weitgehend der I-GmbH übertragen worden. Die Rolle und Bedeutung, die dadurch der I-GmbH zugekommen sei, sei weit über eine reine Beraterfunktion für die R. hinausgegangen. Die für die I-GmbH geltenden Kontrollstrukturen seien im Vergleich zu dem großen Handlungsspielraum und dem damit verbundenen Einfluss der I-GmbH auf die Risikoposition der Bank inadäquat gewesen. Entscheidungen über umfangreiche Investitionen im amerikanischen Subprimesegment hätten so ohne angemessene Kontrolle getätigt werden können. Der Wiedergabe dieses Ergebnisses nach der Pressemitteilung der R. vom 16. Oktober 2007 durch den Streithelfer ist die Antragsgegnerin nicht entgegengetreten. Nach dem am 25. März 2009 in der Online-Ausgabe der M. veröffentlichten Artikel habe K. bemängelt, dass der Vorstand der Antragsgegnerin lediglich durch die "Vorgabe grober Leitlinien" und über den Beirat auf die I-GmbH Einfluss nehme, obwohl es sich unter Risiko- und Ertragsgesichtspunkten um ein bedeutendes Geschäftsfeld der Bank handele. Der Vorstand sei, weil Entscheidungsbefugnisse delegiert worden seien, nicht mehr operativ in die Entscheidungsprozesse über Einzelinvestments eingebunden gewesen, was als im Hinblick auf Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt der Geschäfte nicht sachgerecht gerügt werde. Laut K. habe zudem die Konzernrevision "schwerwiegende Mängel in der Aufbau- und Ablauforganisation" der I-GmbH und dem dortigen Bestandsmanagement festgestellt, woraus nicht unerhebliche Risiken für die R.-Gruppe resultiert hätten. Ferner rüge die K., dass die I-GmbH bis zum 5. Februar 2007 nur einen Geschäftsführer gehabt habe, was "im Hinblick auf Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt der von der Y. getätigten Geschäfte sowie der Tatsache, dass sich die Gesellschaft in organisatorischer Hinsicht noch im Aufbau befand", nicht angemessen gewesen sei. Zudem sei versäumt worden, die Stelle eines Chief Risk Officers, wie geplant und geboten, einzurichten. Auch diese Inhaltswiedergabe durch den Streithelfer hat die Antragsgegnerin nicht bestritten.
Soweit die Antragsgegnerin beanstandet, dass dem Vortrag des Streithelfers nicht entnommen werden könne, dass der Eintritt ihrer Existenzkrise in irgendeinem Zusammenhang mit den behaupteten Schwachstellen bei der Risikoanalyse, Risikosteuerung und dem Berichtswesen bei der I-GmbH stehe bzw. der Schaden gerade aufgrund einer von ihm als mangelhaft gerügten Überwachung der Investmenttätigkeit der I-GmbH eingetreten sei, ist dem entgegenzuhalten, dass der Antrag nach § 142 Abs. 2 AktG die schlüssige Darlegung der Kausalität grober Pflichtverletzungen für den eingetretenen Schaden nicht verlangt, solange sie – wie hier – nicht völlig ausgeschlossen werden kann. Denn im Rahmen der Entscheidung über die Anordnung der Sonderprüfung ist nicht zu beurteilen, welche Rechtsfolgen sich aus dem begründeten Verdacht grober Pflichtverletzungen ergeben können. Andernfalls würde dem Ergebnis der Sonderprüfung vorgegriffen (GroßKomm-AktG/Bezzenberger, aaO, § 142 Rdnr. 62).
ee) Auch die den Verdacht einer weiteren erheblichen, grob fahrlässigen Pflichtverletzung der damaligen Vorstandsmitglieder begründenden Tatsachen bei der Verlagerung wichtiger Funktionen auf die I-GmbH können dem Aufsichtsrat, der über Art und Weise der Auslagerung und Gewährleistung eines angemessenen und wirksamen Risikomanagements zu informieren war, nicht verborgen geblieben sein, so dass der hinreichende Verdacht besteht, dass er auch insoweit seiner Aufgabe zur Überwachung der Geschäftsführung (§ 111 Abs. 1 AktG) nicht mit der erforderlichen Sorgfalt nachgekommen ist.
c) Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin verstößt die gerichtliche Bestellung des Sonderprüfers im vorliegenden Fall auch nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGHZ 135, 245, 254 ff.) hat die Verfolgung von Schadensersatzansprüchen gegenüber Organmitgliedern der Gesellschaft die Regel zu sein, so dass es gewichtiger Gegengründe und einer besonderen Rechtfertigung bedarf, von einer Anspruchsverfolgung ausnahmsweise abzusehen (vgl. BGHZ, aaO, 256).
Soweit die Antragsgegnerin die Auffassung vertritt, dass die negativen Auswirkungen der Sonderprüfung für die Gesellschaft außer Verhältnis zu ihrem Nutzen stünden, weil ihre nahezu unkalkulierbaren Haftungsrisiken durch einen Regress bei den Organmitgliedern nicht zu decken seien, fehlt es an hinreichend konkretem Vortrag sowohl zu den Nachteilen als auch zum Nutzen der Sonderprüfung, worauf schon die Antragsteller hingewiesen haben.
Es ist nicht nachvollziehbar, warum nach dem Vortrag der Antragsgegnerin schon die bloße Wiederaufnahme der Sonderprüfung die Gefahr begründen soll, dass neben den bisherigen ca. 140 Anlegerklageverfahren weitere Anlegerklageverfahren eingeleitet werden, welche die Bildung erheblicher Rückstellungen in der Bilanz und somit die Bindung beträchtlichen Kapitals für den Geschäftsbetrieb erfordern, zumal die Antragsgegnerin bisher in allen Verfahren obsiegt hat. Ihr pauschales Vorbringen, die Kosten der Rechtsverteidigung vor allem in den USA aufgrund bestehender und drohender Gerichtsverfahren könnten Dimensionen erreichen, die realistischerweise durch einen Regress bei etwaig verantwortlichen ehemaligen Organmitgliedern nicht zu decken wären, reicht zur Darlegung konkreter Nachteile nicht aus. Soweit die Antragsgegnerin vorträgt, in den USA habe eine US-amerikanische Versicherungsgesellschaft sie auf Schadensersatz in Höhe von mehr als 1,8 Mrd. € verklagt, diese in erster Instanz als unzulässig abgewiesene Klage befinde sich derzeit im Berufungsverfahren, bereits die Verteidigung in erster Instanz habe – nach US-Recht nicht erstattungsfähige – Kosten in Millionenhöhe verursacht, fehlt es an konkreten Angaben sowohl zum genauen Gegenstand dieses ausländischen Prozesses als auch zu den bisher angefallenen Kosten der ersten Instanz und den geschätzten Kosten für die Berufungsinstanz. Das Gleiche gilt für das Vorbringen der Antragsgegnerin, dass die Abwehr der am 24. August 2009 von der französischen Investmentbank P. vor dem Londoner High Court of Justice gegen sie erhobenen Schadensersatzklage in Höhe von 1,675 Mrd. USD massive Kosten verursache und zu einer erheblichen Beeinträchtigung des operativen Geschäfts führe. Hinzu kommt, dass die Antragsgegnerin nicht – zumindest nicht substantiiert – in Abrede gestellt hat, dass sie in Bezug auf die ausländischen Klageverfahren (vgl. Ad-hoc-Mitteilung vom 25. August 2009 (Anlage 19, Bl. 250 GA) mit der A. eine Freistellungsvereinbarung über einen Betrag von 1,1 Mrd. € getroffen hat, so dass ihr zumindest in dieser Höhe kein Schaden entstehen kann. Ferner fehlt eine konkrete zahlenmäßige Gegenüberstellung der durch die Sonderprüfung für die Gesellschaft zu befürchtenden Nachteile und dem Umfang der realisierbaren Ersatzansprüche gegen die ehemaligen Organmitglieder. Es reicht nicht aus, letztere schlicht als gering darzustellen.
3. Eine Aussetzung analog § 148 ZPO bis zur Entscheidung über alle Anfechtungsklagen gegen die streitgegenständlichen Aufhebungsbeschlüsse, wie sie die Antragsgegnerin hilfsweise beantragt, kommt nicht in Betracht.
Sie scheitert schon daran, dass in den Verfahren über die Anfechtungsklagen nicht über ein Rechtsverhältnis entschieden wird, das für die Entscheidung über den Antrag nach § 142 Abs. 2 AktG vorgreiflich ist. In den Anfechtungsverfahren wird geprüft, ob die streitgegenständlichen Aufhebungsbeschlüsse wegen Verstoßes gegen Formvorschriften, Gesetz oder Satzung nichtig oder anfechtbar sind, während bei der Entscheidung über den Antrag nach §142 Abs. 2 AktG geprüft wird, ob hinreichender Tatsachenverdacht besteht, dass bei der Geschäftsführung einer Gesellschaft Unredlichkeiten oder grobe Gesetzes- oder Satzungsverletzungen vorgekommen sind.
Der Umstand, dass der Sonderprüfer bei erfolgreicher Anfechtungsklage und gerichtlicher (Wieder-)Einsetzung ein "Doppelmandat" erhält, rechtfertigt ebenfalls keine Aussetzung. Er führt nach der von der Antragsgegnerin vertretenen Ansicht sogar dazu, dass ein – wenn auch unter Umständen wenig hilfreicher – Antrag nach § 145 Abs. 4 AktG gestellt werden kann, wonach das Gericht auf Antrag des Vorstands zu gestatten hat, dass bestimmte Tatsachen nicht in den Bericht aufgenommen werden, wenn überwiegende Belange der Gesellschaft dies gebieten und sie zur Darlegung der Unredlichkeiten oder groben Verletzungen gemäß § 142 Abs. 2 nicht unerlässlich sind. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist bei einem "Doppelmandat" auch nicht unklar, nach welchen Vorschriften sich die Vergütung des Sonderprüfers richtet, weil die vom Gericht bestellten Sonderprüfer dieselbe Rechtsstellung wie die von der Hauptversammlung bestellten erlangen, zwischen ihnen und der Gesellschaft ein privatrechtliches Vertragsverhältnis, gerichtet auf eine werkvertragsähnliche Geschäftsbesorgung, begründet wird, für den Inhalt des mit ihnen zustande gekommenen Prüfungsvertrages grundsätzlich dieselben Bedingungen gelten (GroßKommAktG/Bezzenberger, aaO, § 142 Rdnr. 69; MünchKommAktG, aaO, § 142 Rdnr. 74; Schmidt/Lutter/Spindler, aaO, § 142 Rdnr. 61) und die Gesellschaft auch bei gerichtlich bestellten Sonderprüfern gemäß § 146 Satz 1 AktG die Prüfungskosten zu tragen hat. Ein Unterschied besteht nur insofern, als das Gericht gemäß § 142 Abs. 6 AktG auf Antrag die Auslagen sowie die – mit der Gesellschaft vereinbarte oder gemäß §§ 632 Abs. 2, 675 BGB übliche – Vergütung des gerichtlich bestellten Sonderprüfers festsetzt (MünchKommAktG/Schröer, aaO, § 142 Rdnr. 86 f.) und der rechtskräftige Beschluss zugleich Vollstreckungstitel ist.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 142 Abs. 8 AktG, § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG. Den Beschwerdewert setzt der Senat in Übereinstimmung mit dem Landgericht auf 500.000,– € fest (§ 142 Abs. 8 AktG, §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO).