sz-online.de, 14.02.2010
Zehntausend bei Anti-Neonazi-Kette
Dresden stemmt sich gegen die Geschichtsklitterer
Eine Stadt wehrt sich: Mehr als zehntausend Menschen haben einen Ring um Dresdens Altstadt gebildet - um ein Zeichen gegen den Zug von 1300 Rechtsextremen zu setzen. Die "braunen Horden" seien unerwünscht, rief die Bürgermeisterin den Menschen zu. Vereinzelt kam es zu Gewaltausbrüchen.
Hamburg/Dresden - Es ist der größte Neonazi-Aufmarsch seit langem - und der Protest dagegen ist gewaltig. Rund zehntausend Menschen bildeten eine geschlossene Menschenkette um die Altstadt, um der Bombardierung der Stadt vor 65 Jahren zu gedenken und zugleich ein Zeichen gegen den Zug der Rechtsextremen zu setzen.
Sie sei "überwältigt", wie viele Dresdner und Gäste der Stadt dem Aufruf gefolgt seien, sagte Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU). Sie seien in Gedenken an "die schlimmste Stunde" Dresdens zusammengekommen: Der Jahrestag der Bombardierung im Februar 1945 sei eine Erinnerung daran, "wer diesen verdammten Krieg losgetreten hatte". Zu der Menschenkette hatte Orosz mit Kirchen, Gewerkschaften, Parteien, Wirtschaftsverbänden und anderen Gruppen aufgerufen.
"Machen wir Dresden zu einer friedlichen, weltoffenen, zu einer Festung gegen Intoleranz und Dummheit", rief die Bürgermeisterin den Teilnehmern zu. "Den Jung- und Altnazis, die heute wieder versuchen, unseren Tag der Trauer zu missbrauchen, stellen wir uns entgegen." Dresden lasse nicht zu, dass "braune Horden" die Stadt als Plattform für Geschichtsklitterung nutzten. "Dresden will sie nicht, und diese Bande gehört nicht hierher. Ich habe gespürt, dass die Menschen wirklich dabei waren, dass es sie in die Stadt getrieben hat, um dieses Signal zu setzen."
"Sehr deutliches Signal an die, die diese Stadt zu missbrauchen versuchen"
Auch Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) nahm an der Kundgebung teil. Dresden habe den angereisten Neonazis klar die Stirn geboten, sagte er. "Ich hoffe, dass das ein sehr deutliches Signal war an die, die diese Stadt zu missbrauchen versuchen."
Die Rechtsextremen versuchen seit Jahren, die Zerstörung der Stadt für ihre Propaganda zu instrumentalisieren. Vor dem Bahnhof Dresden-Neustadt versammelten sich zunächst etwa 1300 von ihnen, unter Polizeischutz waren weitere tausend Anhänger der rechten Szene dorthin unterwegs. Doch der Marsch kam nicht in Bewegung, wegen einer Straßenblockade von rund 2000 Gegenprotestanten. Zu einer Räumung sehe sich "die Polizei außerstande", sagte Einsatzleiter Ludwig-Gerhard Danzl am Mittag. Zwischenzeitlich versuchte die Polizei allerdings Augenzeugen zufolge, die Blockaden aufzulösen. An mehreren Orten hätten sie Demonstranten weggetragen. Die Linke rief die Bürger bei einer Kundgebung dazu auf, den Neonazi-Zug zu blockieren. "Dieses Jahr stoppen wir die Nazis", rief die stellvertretende Vorsitzende Katja Kipping.
Am Rande der Feiern kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen rechtsextremen und linken Demonstranten, es flogen Flaschen und Feuerwerkskörper. Auch Polizisten wurden einem Sprecher zufolge angegriffen. Es sei ein Wasserwerfer eingesetzt worden. Verletzt worden sei bisher niemand. Die Polizei nahm laut eigenen Angaben bis zum Nachmittag sieben Menschen fest.
Gegendemonstranten hatten Barrikaden auf den Gleisen zwischen den beiden großen Dresdner Bahnhöfen wurden errichtet, um die Anreise der Rechtsextremisten zu verhindern. Die Polizei ist nach eigenen Angaben mit 6000 bis 8000 Beamten in der Stadt. Sechs große Transporthubschrauber, dunkelblau, weiße Türen, kreisten laut "taz" über der Stadt. Ein Bus mit 30 Neonazis sei angegriffen worden. In einer Seitenstraße wurde nach Angaben der Nachrichtenagentur dpa ein parkendes Auto umgestoßen.
Die Versammlung der Rechtsextremisten überschattet das Gedenken an die Zerstörung Dresdens durch die Luftangriffe alliierter Bomber am 13. und 14. Februar 1945. Das Bombardement kostete nach Angaben einer Expertenkommission bis zu 25.000 Menschen das Leben. In der Nazipropaganda war von bis zu 200.000 Toten die Rede, was nun missbraucht wird, um die deutsche Schuld am Zweiten Weltkrieg zu relativieren.
Das breite Bündnis gegen rechts wird von Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) angeführt. Ab 13 Uhr hatten Gegendemonstranten mit einer Menschenkette und weißen Rosen symbolisch die Altstadt gegen Rechtsextremisten abgeriegelt. Laut eigenen Angaben wollen sie damit ein Zeichen für die Überwindung von Krieg, Rassismus und Gewalt setzen.