spiegel-online.de, 19:24 Uhr, 27.02.2010
Sachsen: Opposition sieht System im CDU-Sponsoring
Es scheint gängige Praxis in der CDU zu sein: Nach SPIEGEL-Informationen verkauft auch die Union in Sachsen Unternehmen exklusive Treffen mit Ministerpräsident Tillich. Der Generalsekretär der Landespartei verteidigte die Termingeschäfte. SPD und Grüne ge
Berlin - Die Sponsorenaffäre bei der CDU weitet sich aus. Wie zuvor in Nordrhein-Westfalen haben auch die Christdemokraten in Sachsen in Sponsoren-Verträgen interessierten Firmen gegen Geld Gespräche mit ihrem Landeschef, Ministerpräsident Stanislaw Tillich, angeboten. Tillichs Generalsekretär Michael Kretschmer bestätigte unter anderem SPIEGEL TV (Sonntag, 22.25 Uhr, RTL) diese umstrittene Praxis.
SPD und Grüne reagierten mit scharfer Kritik.
Konkret geht es um die CDU-Veranstaltung "Denkfabrik Sachsen" am Montag in Dresden, zu der 800 bis 1000 Gäste erwartet werden. Nach SPIEGEL-Informationen bot die CDU vorab Firmen schriftlich vier "Präsentationsstufen" zum Preis von 500 bis 8000 Euro an.
Die Sponsoring-Stufen drei und vier umfassen ein "kurzes Gespräch mit dem Landesvorsitzenden Stanislaw Tillich". Zusätzlich wird Sponsoren ab Präsentationsstufe drei, die 3900 Euro kostet, die Erwähnung ihres Firmennamens in der Begrüßungsrede Kretschmers in Aussicht gestellt.
"Schmale Mitgliedsbeiträge"
Für Sponsoren der Stufe vier (8000 Euro) organisiert die CDU nach Informationen des SPIEGEL zudem noch "ein separates Fachgespräch im Rahmen der Veranstaltung". Kretschmer sagte dazu, die Partei benötige die Einnahmen dringend. "Es sind ja 800 bis 1000 Menschen, die wir am Montag erwarten. Das können wir nicht bezahlen aus unseren schmalen Mitgliedsbeiträgen", sagte er im MDR.
Mit den Präsentationsstufen eins und zwei buchen Firmen nach seinen Angaben Werbebanner auf der CDU-Homepage. Die Stufen drei und vier umfassten größere Stände auf der Veranstaltung. "Und wir haben eine Tradition, dass wir alle diese Stände im Laufe der Veranstaltung auch besuchen", sagte Kretschmer. Dies halte er für vollkommen in Ordnung. Trotzdem veranlasste er sofort, die strittige Passage aus dem Vertrag zu streichen.
Wegen ähnlich formulierter Sponsoring-Angebote war vergangene Woche der Generalsekretär der nordrhein-westfälischen CDU, Hendrik Wüst, zurückgetreten. Die CDU hatte Parteitagssponsoren Einzelgespräche mit Ministerpräsident Jürgen Rüttgers versprochen. Durch die Schreiben wurde Rüttgers mit dem Vorwurf der Käuflichkeit konfrontiert.
Kein Einzelfall
Die Bundesgeschäftsführerin der Grünen, Steffi Lemke, erklärte zu den neuen Vorwürfen gegen Tillich, das Beispiel Rüttgers sei offenbar kein Einzelfall in der CDU, sondern scheine Methode zu haben. Man könne fast den Eindruck bekommen, solche Angebote seien Bestandteil eines CDU-internen Seminars zum Thema Sponsoring gewesen. Vor diesem Hintergrund sei es völlig unglaubwürdig, wenn die CDU-Landesvorsitzenden Rüttgers und Tillich von dieser Praxis nichts gewusst haben wollen.
Lemkes Fazit: "Es ist erschreckend, wie nonchalant die CDU die Position eines Landesministerpräsidenten zum Vorteil der Partei nutzt und dabei vor allem ihrem zahlungskräftigen Klientel zu Diensten ist." Der sächsische SPD-Fraktionschef Martin Dulig sagte, das Vertrauen in die Politik und die Demokratie werde "generell in Misskredit gezogen, wenn man den Eindruck weiter verschärft, dass man sich Politik und Politiker kaufen kann". Gerade in Sachsen gebe es "mindestens eine Partei, die Nazis, die daraus Kapital schlagen", sagte er im MDR.
Der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Volker Kauder, stärkte unterdessen Rüttgers den Rücken. Kauder sagte dem "Hamburger Abendblatt": "Schön sind die Vorgänge wahrlich nicht. Aber die Menschen werden danach urteilen, welche Koalition das Land weiterbringt."
Die Sponsoring-Affäre um Rüttgers beschäftigt inzwischen auch die Bundestagsverwaltung. Die SPD bat Parlamentspräsident Norbert Lammert um eine genaue Prüfung des umstrittenen Vorgangs. Im Raum stehe der "Verdacht der verdeckten Parteienfinanzierung".
jdl/apn