www.mafialand.de, Jürgen Roth blog, 05.04.2010
SÄCHSISCHE VERHÄLTNISSE: VERGELTUNG, HASS ODER DUMMHEIT?
Neues vom Sachsensumpf erstellt von Jürgen Roth (Sachsensumpf, blog)
Ich hatte wirklich nicht vor, mich noch einmal mit dem unsäglichen Sachsensumpf zu beschäftigen. Doch ein Prozess in Dresden, gegen die Kollegen Arndt Ginzel und Thomas Datt, wegen übler Nachrede, macht es leider notwendig.
Am 1. April, welch ein tiefsinniger Termin, wurde in Dresden das Verfahren gegen die beiden Kollegen, wegen übler Nachrede, vor dem dortigen Amtsgericht eröffnet. Sie hatten Widerspruch gegen einen Strafbefehl eingelegt. Die dem sächischen Legalitätsprinzip verpflichtete Staatsanwaltschaft Dresden verhängte gegen sie eine Gesamtgeldstrafe in Höhe von 120 Tagesätzen. Die schändliche Tat der Journalisten? Sie sollen, im Zusammenhang mit dem sogenannten Sachsensumpf, in einem Artikel für den SPIEGEL, am 21. Januar 2008 hochwürdige Leipziger Amtsträger übel verleumdet haben, weil sie Ausagen von zwei jungen ehemaligen Zwangsprostituierten zititierten. Und die beschuldigten diese hochwürdige Amtsträger Anfang der neunziger Jahre ihre Kunden gewesen zu sein. Die Betroffenen bestreiten das bis heute vehement, stellten Strafanzeige gegen die beiden Journalisten sowie die beiden jungen Frauen. Und eifrige Staatsanwälte aus Dresden reagierten auf ihre unnachahmliche Art und Weise.
Bekannt ist, dass die Staatsanwaltschaft Dresden, im Zusammenhang mit der Aufklärung des sogenannten Sachsensumpfes, unendlich viel Arbeit investierte, um nichts als der Wahrheit herauszufinden. Im Gegensatz zum Landesamt für Verfassungsschutz fanden sie überhaupt nichts, was irgendeinen Träger des sächsischen Staates belastete. Dem Prinzip der lückenlosen Aufklärung waren sie auch bei den Vorgängen um das Bordell Jasmin in Leipzig verpflichtet. Anfang der neunziger Jahre wurden dort jugendliche Mädchen (Alter 13-16 Jahre) mit brutaler Gewalt zur Prostitution gezwungen! Ihre spätere Anzeige wegen Vergewaltigung gegen den Zuhälter W. wurde - natürlich - nicht weiter verfolgt. Und da wagten es zwei der heute jungen Frauen doch tatsächllich zu behaupten, sie hätten auch einigen, heute hochangesehenen Juristen, zu erniedrigenden Diensten bereit sein müssen.
im Jahr 2008, fast über 15 Jahre nach ihren schrecklichen Erlebnissen, wollte die Staatsanwaltschaft im Zusammenang mit der juristischen Aufarbeitung des Sachsensumpfes wissen, welche Brille, ob randlos oder mit feinem Rahmen, einer der Täter damals getragen hatte, oder welche Augenfarbe der Kunde oder welche Farbe die Strümpfe hatten. Und weil sie sich daran und vieles andere nicht mehr genau erinnern konnten, bzw. unterschiedliche Angaben machten, waren sie - das versteht sich in Sachsen - unglaubwürdig. Wie sie von der Staatsanwaltschaft während ihrer Vernehmung "behandelt" wurden, mehr als Täter denn als Opfer, wurde auf meinem Blog ja bereits ausführlich, aufgrund der Aussagen vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss, beschrieben. In einem Wort - menschenunwürdig, gerade wegen der Traumatisierung der Frauen.
Und jetzt der Prozess in Dresden gegen die Journalisten vor dem Amtsgericht Dresden. Sie liessen sich nicht durch sächsische Machtinstitutionen vereinnahmen. Anrdt Ginzel und Thomas Datt, sowie Steffen Winter vom Spiegel-Büro in Dresden, recherchierten zeitaufwendig. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, weil man sich nicht auf die Aussagen der staatstragenden Institutionen und einiger Staatsanwälte verlassen mochte. Damit machten sie sich viele Feinde, merkwürdigerweise auch unter bestimmten Journalisten.
Als Prozessbeobachterin war unter anderem die auf regionaler Ebene sattsam bekannte Lohnschreiberin der Sächsischen Zeitung, Frau Schlottmann anwesend, um über den Prozess in Dresden gegen die beiden Kollegen zu berichten. Da schwante einigen schon nichts Gutes.
Man mag darüber hinwegsehen, dass sie während der Prozesspausen (übrigens wie ein Journalist der Frankfurter Rundschau) nicht etwa mit ihren beschuldigten Kollegen sprach, sondern mit den Anzeigeerstattern, wie Beobachter meinten beobachtet zu haben.
Der eigentliche Skandal ihres Artikels vom 3. April 2010 in der Sächsischen Zeitung ist zum einen der, wie hier ihre bundesweit anerkannten Kollegen irgendwie unglaubwürdig gemacht werden sollen. Was oder wer treibt sie eigentlich dazu? Darüber darf spekuliert werden. Hat es psychologische oder politische Hintergründe? Oder ist sie einfach von ihrer Wahrheit überzeugt?
Geradezu niederträchtig ist es jedoch, dass sie die beiden jungen Frauen, die als Jugendliche sexuell schwer mißhandelt wurden, heute noch als "ehemalige Prostitutierte" bezeichnet und schrieb: "Die Zeugin der Anklage, eine der ehemaligen Prostituierten, gab sich ebenfalls wortkarg", weil sie fürchten musste, strafrechtlich verfolgt zu werden. Kein einziges Wort über das Schicksal der jungen Frauen, über ihre Traumatisierung aufgrund ihrer Erfahrungen als Jugendliche und wie sie damals von der Justiz behandelt wurden. Warum werden sie von der Journalistin Schlottmann als Ex-Prostituierte bezeichnet? Weil man nicht mehr Zeilen zur Verfügung hatte, um die Umstände ihrer Zwangsprostitution zu beschreiben? Oder wollte man das Wort Opfer nicht benutzen?
Mit der Bezeichnung Ex-Prostituierte wird natürlich ihre Glaubwürdigkeit angegriffen. Der geneigte sächsische Leser denkt sich schon, was das für Frauen sind, wenn keine Hintergründe geschildert werden können, dürfen, sollen.
http://www.sz-online.de/special/schueler-und-zeitung/artikel/artikel.asp?id=2429012
Bei dem Verfahren gegen die beiden Journalisten stellt sich heraus, dass die Staatsanwaltschaft Dresden tatsächlich intensiv ermittelte, insbesondere welche Journalisten wann und wo Kontakte zu den beiden jungen Frauen und auch dem Zuhälter W. hatten, um deren Erlebnisse zu erfahren. Frank Sonntag vom MDR wird erwähnt, die Bildzeitungsredakteurin aus Leipzig und natürlich die Kollegen vom Spiegel. Gefragt wurden die jungen Zeuginnen in der Art: Wie, wo, wann, warum haben sie mit den Journalisten gesprochen? Hat man ihnen Geldd angeboten und so weiter. Das wäre berichtenswert welches Verständnis die Dresdner Staatsanwaltscchaft von journalistischer Arbeit hat. Aber das war im Bericht von Frau Schlottmann Fehlanzeige.
Besonders objektiv ist ihre Bemerkung, dass die Staatsanwaltschaft Dresden die entsprechenden Vorwürfe (waren ehrenwerte Juristen damals als Täter im Bordell) lange untersucht und festgestellt hatte, dass die Rotlichtkontakte der ehrenwerten Bürger frei erfunden waren.
Muß man besonders dumm sein, um keiinen Unterschied zwischen Rotlichtkontakten und Bordellen zu machen, in dem Kinder, Jugendliche auf jeden Fall, mit brutaler Gewalt zur Prostituion gezwungen, ihre Seele nachhaltig beschädigt wurde? Und das mit einer solchen Berichterstattung erneut geschieht?
Nicht weniger bedeutsam ist die folgende Frage: Hat die Staatsanwaltschaft Dresden in diesem Fall etwa genauso intensiv geprüft wie bei der Affäre um die Leipziger Riemannstrasse, die im Zusammenhang mit dem Sachsensumpf ja eine bedeutende Rolle spielte? Die Dresdner Staatsanwaltschaft hatte bekanntlich verkündet (und von bestimmten Medien wurde es entsprechend wiedergekäut), dass ihre intensiven Ermittlungen zu keinem Ergebnis geführt hätten. Hurra, schrieben da manche Medien. Also stimmt nichts an den Vorwürfen über den Sachsensumpf.
Seltsam nur, dass der Sächsische Landesrechnungshof Ende letzten Jahres zu einem ganz anderen Ergebnis gekommen ist. Dazu die entsprechende Presseerklärung der Linken in Sachsen vom 20.11.2009.
Und übrigens. Es wird einen zweiten Untersuchungsausschuss im sächsischen Landtag geben, der sich erneut mit dem nicht vorhandenen Sachsensumpf beschäftigen wird. Da wäre auch die Rolle mancher Journalisten/innen und ihre guten Beziehungen ein Thema.
Doch hier die Presseerklärung der Partei Die Linken: "Zu Darlegungen des Berichts (S. 394-401) des Sächsischen Rechnungshofes (SRH) über Unregelmäßigkeiten bei dubiosen Grundstücksgeschäften der Stadt Leipzig und der Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft (LWB) erklärt der Leipziger Abgeordnete Volker Külow:
Es ist ein großes Verdienst des Sächsischen Rechnungshofes, in einen seit vielen Jahren schwelenden und von vielen Beteiligten systematisch vertuschten Immobilienskandal in Leipzig endlich etwas Licht zu bringen. Der nun auf acht Seiten im Rechnungshofbericht aufgearbeitete Fall gehörte immerhin zum Ausgangspunkt der Affäre, die im Jahr 2007 als „Sachsensumpf“ Schlagzeilen machte. Rund eine Million Euro eines nicht gerechtfertigten Subventionsvorteils zu Gunsten der jetzigen Münchner Rechtsanwältin Sieglinde B. und ihrer damaligen Firma beim Kauf der Riemannstraße 52 haben die Prüfer aufgedeckt. Der Skandal ist umso größer, weil bei dem Deal unterschiedliche Behörden - vom damaligen Regierungspräsidium über das Amt für Stadtsanierung und Wohnungsbau bis zur Sächsischen Aufbaubank – mitgewirkt haben. Völlig unverständlich ist zudem die laut Rechnungshofbericht schlampige Aktenführung der LWB.
Die besondere Brisanz liegt darin, dass sich für die Riemannstraße 52 in der Vergangenheit auch die Leipziger Kriminalpolizei und das zeitweilige Referat „Organisierte Kriminalität“ des Sächsischen Verfassungsschutzes intensiv interessierten. In dicken Aktenbänden ist dokumentiert, wie zunächst zwei Allgäuer Immobilienhändler von den Alteigentümern das Grundstück erworben hatten und dann durch das Zusammenwirken des damaligen LWB-Juristen Martin K. mit besagter Frau B. - die sich nach dem aus dem Rechnungshofbericht ergebenden Eindrücken die Chance auf Subventionserschleichung nicht entgehen lassen wollte - geschickt ausgebremst wurden. Die Hintergründe des anschließenden Attentats auf Herrn K. am 17. Oktober 1994 sind bis heute nicht restlos aufgeklärt: Während das Verfahren gegen die beiden rabiaten Immobilienmakler als Anstifter gegen eine lächerliche Geldauflage eingestellt wurde, sitzen drei Tat ausführende ihre lebenslänglichen Haftstrafen ab.
Der rechtspolitische Sprecher der Fraktion DIE LINKE, Klaus Bartl, in der letzten Legislaturperiode Vorsitzender des Landtags-Untersuchungsausschusses zur Korruptions- bzw. Aktenaffäre, ergänzt: "Die Enthüllungen des SRH beweisen erneut Richtigkeit und Rechtmäßigkeit des beharrlichen Ringens der LINKEN um Aufklärung und bestätigen uns in der Absicht, den Untersuchungsausschuss zum Sachsen-Sumpf erneut einzusetzen. Die LINKE wird jedenfalls darauf drängen, dass die vom SRH geforderte „gründliche Überprüfung“ des Falls „Riemannstraße 52 und gleichgelagerte(r) Fallkonstellationen“ unverzüglich eingeleitet wird. Vieles ist nachzufragen, etwa, ob und mit welchem Eifer sich die Sonderabteilung „Sachsensumpf” der Dresdner Staatsanwaltschaft der Prüfung der Absonderlichkeiten um den Grundstücksdeal gerade beim Objekt Riemannstraße 52 annahm – oder eben nicht"