Sächsische Zeitung, 02.06.2010
Im Fadenkreuz der anderen
Karl Nolle kämpft wieder. Und wieder geht es um mögliche Verfehlungen, um vermutete Betrügereien und damit letztlich um den öffentlichen Leumund eines Prominenten. Doch eines ist diesmal anders. Der genauso streitbare wie umstrittene Sozialdemokrat, Landtagsabgeordnete und Druckereibesitzer greift jetzt nicht an, sondern er verteidigt – sich selbst.
Öffentlichkeit ist gespalten
Karl Nolle, mittlerweile 65 Jahre alt und in der dritten Legislaturperiode im Parlament vertreten, sieht sich bösen Vorwürfen ausgesetzt. Er soll sich, das meinen zumindest Finanzamt und Justiz, des Subventionsbetrugs schuldig gemacht haben. Morgen entscheidet sich, ob der Landtag Nolles Immunität aufhebt und so den Weg für einen drohenden Strafbefehl frei macht.
Für den inoffiziellen SPD-Chefaufklärer ist das ein ungewohnter Rollenwechsel. Zu Nolles Selbstverständnis gehört, dass er der Jäger ist. Seit 1999 prangert er vermeintliches und tatsächliches Unrecht im Freistaat an – von Korruption bis Vetternwirtschaft. Dass er dabei nicht immer richtig liegt, ficht ihn nicht an. Für Karl Nolle zählen allein die Erfolge. Auch Sachsens Ex-Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf und Georg Milbradt hatte er einst mit Ungereimtheiten um den Verkauf einer Immobilie in Leipzig-Paunsdorf sowie mit dem Notverkauf der Landesbank arg zugesetzt. Die späteren Rücktritte der beiden CDU-Politiker rechnet er sich seitdem als Verdienst an. Seine eigene Bilanz hält er damit für positiv.
Nolles Eifer bei der Verfolgung der Verfehlungen anderer hat aber seinen Preis. Die Öffentlichkeit spaltet er längst in zwei Gruppen: absolute Bewunderer und absolute Gegner. Eine Trennlinie, die sich sogar durch seine eigene Partei zieht. Spürbar wurde das alles, als Nolle im Vorjahr zum dritten Schlag ausholte und mit seinem Buch „Sonate für Blockflöten und Schalmeien“ die DDR-Vergangenheit vieler sächsischer CDU-Funktionäre aufs Korn nahm – allen voran die des amtierenden Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich. Diesmal war die Kritik an Nolle, der aus Hannover stammt und seit 1990 in Sachsen lebt, sehr stark. Es protestierten Ostdeutsche, Parteifreunde und die CDU sowieso. Deren Abgeordneter Heinz Eggert warf ihm Stasimethoden vor. SPD-Kollege Gunther Hatzsch giftete, Nolle sei ein „Hassprediger“.
Als Unternehmer unter Druck
Ein Dämpfer, der Nolle nicht aus der Bahn warf. Das schaffte Ende 2009, nach seiner Wiederwahl als Abgeordneter, erst ein schwerer Sturz und die folgende Beinverletzung, die ihn Monate ans Bett fesselt. Wenn er sich jetzt ausgerechnet mit Negativschlagzeilen zurückmeldet, dürfte das Karl Nolle doppelt wurmen. Debattiert wird nun nicht nur über seinen Ruf als Politiker, sondern auch über den als Unternehmer. Mit der Affäre wird zwangsläufig öffentlich, dass auch Nolles Dresdner Druckhaus schwierige Zeiten durchmacht. Laut dem jüngsten Jahresabschluss sind Millionenkredite zu stemmen, um die etwa 70 Arbeitsplätze weiter zu sichern. Der Vorwurf des Subventionsbetrugs kommt damit zur Unzeit und sorgt bei seinen Anhängern sofort für Verschwörungstheorien, die aus Finanzbehörden und Justiz den verlängerten Arm der regierenden CDU machen. Nolle selbst spricht von einem „vorauseilenden Gehorsam von unten“. Er verweist auf gefälschte Unterlagen, die belegen sollen, dass bei seiner Finanzprüfung nicht alles korrekt zugegangen sein soll. In Justizkreisen winkt man jedoch ab. Niemand würde etwas gegen ihn unternehmen, wenn man sich seiner Sache nicht sicher sei, heißt es. Der Gejagte gibt sich trotzdem optimistisch: „Ich komme wieder.“ Spätestens nach der Sommerpause will der SPD-Politiker erneut im Landtag mitmischen – und zuvor seinen Ruf als Unternehmer verteidigt haben.
Von Gunnar Saft