Sächsische Zeitung, 04.06.2010
Landtag stoppt Staatsanwalt im Fall Nolle
Die Staatsanwaltschaft Dresden kann vorerst keinen Strafbefehl gegen den SPD-Landtagsabgeordneten und Druckereiunternehmer
Karl Nolle beantragen. Erstmals seit 1990 lehnte es der Immunitätsausschuss des Landtages gestern einstimmig ab, eine Entscheidung über die dafür notwendige Aufhebung von Nolles Immunität zu treffen. Der Antrag der Staatsanwaltschaft wurde an diese zurückgewiesen. Als Grund gab man Verfahrensmängel an. Laut Geschäftsordnung des Landtages hätte die Justiz dem beschuldigten Abgeordneten die Gelegenheit zu einer schriftlichen Stellungnahme geben müssen, erklärte der Ausschussvorsitzende Thomas Schmidt (CDU). Das sei nicht ausreichend erfolgt.
Bei der Staatsanwaltschaft Dresden hält man sich nach der peinlichen und offenbar völlig unerwarteten Schlappe bedeckt. „Uns liegt noch keine Begründung des Ausschusses vor. Bisher haben wir über Umwege nur eine Pressemitteilung erhalten,“ sagte Sprecher Lorenz Haase. Daher könne man noch keine Stellungnahme abgeben. Der Fall würde geprüft. Sollte eine weitere Anhörung des Abgeordneten nötig sein, werde die erfolgen.
Karl Nolle selbst zeigte sich sehr zufrieden. „Mich hat die Entscheidung positiv überrascht.“ Dass sich die Ausschussmitglieder über alle Parteigrenzen hinweg so entschieden haben, verdiene Respekt. Er habe aber weiter großes Interesse daran, dass die Vorwürfe gegen ihn in einem geordneten Verfahren zügig geklärt werden. Die Justiz hält Nolle Subventionsbetrug beim Kauf einer Druckmaschine vor (die SZ berichtete) und plant einen Strafbefehl über 50000 Euro. Nolle weist den Vorwurf zurück und will notfalls vor Gericht seine Unschuld beweisen. Das kann aber dauern. Absehbar erst im September kann ein neuer Antrag auf Aufhebung der Immunität eingereicht werden. Die unnötige Verzögerung habe allein die Staatsanwaltschaft Dresden zu verantworten, kritisiert Nolle. Seine Anwälte hätten diese mehrfach auf die Verletzung der Rechte ihres Mandaten aufmerksam gemacht.
Kritik am Justizminister
Kritik gibt es jetzt aber auch an der Generalstaatsanwaltschaft und an FDP-Justizminister Jürgen Martens. Beiden hatte der gescheiterte Antrag vorab vorgelegen, ohne dass sie an ihm Mängel entdeckten. Der Jurist und Linksabgeordnete Klaus Bartl: „In einer so sensiblen Frage hätte peinlich genau geprüft werden müssen, doch auch der Justizminister hat seine Pflicht zur Überprüfung der Zulässigkeit des Antrags nicht ordentlich erfüllt.“ Das Justizministerium entgegnet, Karl Nolle sei stets über alle Vorwürfe informiert gewesen und hätte ausreichend Gelegenheit für Stellungnahmen gehabt. Minister Martens: „Es gab für mich daher keinen Anlass zum Eingreifen.“ Nun will auch er den Ausschussentscheid prüfen.
Von Gunnar Saft