Sächsische Zeitung, 16.10.2010
Ein guter Ossi? Flexibel, brav und biegsam!
Sächsisch betrachtet von Gunnar Saft
STUTTGART 21 ist längst überall. Inzwischen kämpft auch Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) an vorderster Front gegen die bösen Anti-Bahnhofs-Demonstranten aus Baden-Württemberg. Dabei lenkt Herr Tillich allerdings keinen Wasserwerfer, sondern greift nach noch schmerzhafteren Mitteln: In einem Gastbeitrag für das Münchner Magazin „Focus“ erteilte er seinem Stuttgarter Amts- und Parteikollegen Stefan Mappus schlagfertige Argumente zum Durchhalten und Draufhauen.
IN Sachsen, so resümiert CDU-Landeschef Tillich zufrieden, klappe das mit der harten Hand schon seit 20 Jahren hervorragend: Egal wie groß Bürgerproteste seien, die Politik dürfe auf einem einmal eingeschlagenen Weg nicht umkehren. (Ob das auch für Sackgassen gilt, schreibt er leider nicht.) Dafür zählt Stani der Unbarmherzige, der sich im eigenen Land gern als smarter Lächler tarnt, genüsslich die Erfolge einer solchen Einbahnstraßen-Taktik auf. So werde in Dresden heute selbst die umstrittene Waldschlößchenbrücke weitergebaut und die CDU trotzdem immer wieder gewählt. So einfach und basta! Mappus muss beim Lesen dieser Zeilen gelb vor Neid geworden sein.
OSSIS und speziell die Sachsen, so schreibt Herr Tillich fort, seien aber noch zu viel mehr zu gebrauchen. So gebe es hier keine Klagen, durch die der Bau von Kraftwerken oder Autobahnen gestoppt wird. Auch werde nicht gemeckert, wenn die Marktwirtschaft mal ein paar Tausend Jobs koste. Kurz und gut: Sachsen seien eben anpassungsfähiger und motivierter als Wessis, meint der Landesvater. Danke, dass das endlich mal einer sagt! Und weil mich ein solches Lob stolz macht, rufe ich gleich zum nächsten sächsischen Großprojekt auf. Aus aktuellem Anlass sollte man nun auch Tillichs Staatskanzlei unterirdisch verlegen. Das hat er sich verdient.