Karl Nolle, MdL

www.nachdenkseiten.de (NachDenkSeiten – Die kritische Website), 30.10.2010

2,945 Millionen registrierte Arbeitslose – 283.000 (8,8%) weniger als im Oktober 2009. - Die tatsächliche Arbeitslosigkeit liegt jedoch lt. den Zahlen der Bundesagentur bei mindestens 6.118.402 Menschen.

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) vergleicht Äpfeln mit Birnen - Seit dem Beginn der 90er Jahre wurde die Arbeitslosenstatistik mehrmals “bereinigt”.
 
Arbeitsmarkt im Oktober 2010 - Arbeitsmarktzahlen

5,507 Millionen “Arbeitslosengeld-Empfänger/innen” (SGB III und SGB II)
4,767 Millionen Arbeitslosengeld II-Empfänger/innen – 129.000 (2,6%) weniger als im Oktober 20092
2,945 Millionen registrierte Arbeitslose – 283.000 (8,8%) weniger als im Oktober 2009

Veränderungsraten (registrierte Arbeitslose) in den Ländern (Oktober 2009 – Oktober 2010):

Männer und Frauen: –18,1% in Thüringen bis +1,0% in Bremen
Frauen: –16,8% in Thüringen bis +2,6% in Bremen
Männer: -19,2% in Thüringen bis –0,2% in Bremen
unter 25 Jahre: -29,3% in Thüringen bis –2,7% in Bremen

69,2% der Arbeitslosen sind im Rechtskreis SGB II (Hartz IV) registriert (Oktober. 2009: 66,7%)

Im Oktober 2010 wurden von der Statistik der BA insgesamt 2,945 Millionen Arbeitslose registriert, 283.000 bzw. 8,8% weniger als im Oktober 2009.
Von diesen 2,945 Millionen Arbeitslosen waren 0,909 Millionen (30,8%) im Rechtskreis SGB III und 2,037 Millionen (69,2%) im Rechtskreis SGB II (Hartz IV) registriert.

Als Arbeitsuchende waren im Oktober 2010 insgesamt 5,472 Millionen Frauen und Männer registriert, 485.000 (8,1%) weniger als im Oktober 2009. Die von der Statistik der BA ermittelte „Unterbeschäftigung ohne Kurzarbeit“ betrug im Oktober 2010 4,060 Millionen, 383.000 (8,6%) weniger als im Oktober 2009.

Nach vorläufigen, hochgerechneten Daten hatten 0,826 Millionen (arbeitslose und nicht arbeitslose) Frauen und Männer Anspruch auf das beitragsfinanzierte Arbeitslosengeld (SGB III) und 4,767 Millionen Anspruch auf Arbeitslosengeld II.

Bereinigt um die Zahl der etwa 86.000 sog. Aufstocker (gleichzeitiger Bezug von Arbeitslosengeld und Arbeitslosengeld II) hatten im Oktober 2010 etwa 5,507 Millionen erwerbsfähige Frauen und Männer Anspruch auf Arbeitslosengeld (SGB III) bzw. Arbeitslosengeld II, 339.000 weniger als vor einem Jahr (BA-Monatsbericht, S. 18). Quelle: Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugend berufshilfe e.V. (BIAJ)

Arbeitslosenzahl sinkt unter drei Millionen

Es ist soweit: Der Wirtschaftsaufschwung sorgt dafür, dass die Marke von drei Millionen Arbeitslosen fällt. Die tolle Nachricht wollte Arbeitsministerin Ursula von der Leyen nicht für sich behalten, brüskierte damit die Bundesagentur – und patzte auch noch.

Nächster Durchbruch auf dem Arbeitsmarkt: Die Zahl der Arbeitslosen ist im Oktober auf 2,945 Millionen gesunken.

Das teilte Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) am Mittwoch in Berlin mit. Dies sei der niedrigste Wert seit 1991, sagte die Ministerin. Später musste sich ihr Ministerium zähneknirschend korrigieren. Ein Blick in die Allzeit-Statistik der Bundesagentur für Arbeit offenbarte: Im Oktober ‘91 waren es zwar 2,647 Millionen Arbeitslose – aber auch der Oktober ‘92 war mit 2,927 Millionen besser als der aktuelle Kalendermonat. Das letzte Mal unter drei Millionen lag die Zahl im November 2008. Quelle: stern.de

Vergleich von Äpfeln mit Birnen

Anmerkung unseres Lesers G.K.: Ein viel gravierenderer “Patzer” unserer Bundesarbeitsministerin ist, dass sie überhaupt die Behauptung aufstellt, die heutige Arbeitslosigkeit sei niedriger als zu Beginn der 90er Jahre. Und da ist es völlig gleichgültig, ob sie für diesen Vergleich den Oktober 1991 oder den Oktober 1992 heranzieht, denn beides läuft auf einen Vergleich von Äpfeln mit Birnen hinaus:

Seit dem Beginn der 90er Jahre wurde die Arbeitslosenstatistik mehrmals “bereinigt”. Allein in den vergangenen Jahren wurden z.B. folgende statistische “Bereinigungen” (treffender: Manipulationen) vorgenommen: Große Teile der 58 jährigen und älteren Arbeitslosen wurden aus der Statistik entfernt, kranke Arbeitslose und von privaten Arbeitsvermittlern betreute Arbeitslose werden ebenfalls nicht mehr in der offiziellen Arbeitslosenstatistik ausgewiesen.

Beim Vergleich mit den Arbeitslosenzahlen zu Beginn der 90er Jahre wirkt sich besonders gravierend aus, dass sich der Anteil der Vollzeitarbeitsplätze reduziert und im Gegenzug der Anteil der zumeist prekären, nicht vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer drastisch ausgeweitet hat.

Diese Entwicklung spiegelt sich in der starken Zunahme der Teilzeitarbeitsplätze, Mini-/Midijobs und 1-Euro-Jobs wider. Dies führte zu einer deutlichen Aufhübschung sowohl der Arbeitslosenstatistik als auch der Beschäftigungsstatistik: Obwohl die Zahl der von den Beschäftigten abgeleisteten Arbeitsstunden von 52 Milliarden Stunden in 1991 um 7,7 Prozent auf 48 Milliarden Stunden in 2008 (dem Jahr vor dem Abschwung) abgesunken ist, hat sich die Zahl der Beschäftigten in diesem Zeitraum von 35,1 Millionen auf 35,9 Millionen (+2,3 Prozent) erhöht.

FAZIT:  Ministerin von der Leyen und nahezu sämtliche Mainstreammedien streuen der Bevölkerung Sand in die Augen, wenn sie behaupten, die Arbeitslosigkeit sei auf dem niedrigsten Stand seit Anfang der 90er Jahre. Wegen der seit ca. 20 Jahren betriebenen Manipulationen an der Arbeitslosenstatistik sowie wegen der in diesem Zeitraum eingetretenen deutlichen Reduzierung des Anteils der vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer (was auch zum starken Anstieg prekärer Beschäftigungsverhältnisse mit beitrug) ist dieser Vergleich äußerst unseriös.

Was die offizielle Statistik verbirgt

Millionen Menschen in Deutschland sind arbeitslos. Die genaue Zahl veröffentlicht die Bundesagentur für Arbeit jeden Monat. Doch nicht jeder Erwerbsfähige, der einen Job sucht, taucht in der Statistik auf. tagesschau.de erklärt in Fragen und Antworten, wer aus welchen Gründen fehlt. Quelle: ARD Tagesschau (Ein interessanter Überblick aus einer gewiss ausgewogenen Quelle.)

Ergänzende Anmerkung unseres Lesers V.W.: In der Realität sieht die Zahl der Arbeitslosen (und das Überangebot an Arbeitskräften) lt. Bundesagentur für Arbeit (aktuellster offizieller Monatsbericht, September 2010) wie folgt aus:

In Sperrzeiten gemäß §144 SGBIII (ALGI): 61.930 Menschen
Teilnehmer an „ausgewählten Maßnahmen aktiver Arbeitsmarktpolitik“: 1.430.234 Menschen

1-€-Zwangsarbeit nach §16d SGB II: 324.238 Menschen

Leistungsempfänger ALGI: 866.000 Menschen

Leistungsempfänger ALGII: 4.832.000 Menschen (ohne Angehörige)

Das sind 7.514.402 Menschen. Von dieser Statistik abzuziehen sind (je nach Ansicht) 1.396.000 Millionen zu Niedriglöhnen arbeitende ALG II-Bezieher („Aufstocker“), die durch den von den Argen mit verursachten Druck auf die Löhne weniger als ALG II verdienen.

Die tatsächliche Arbeitslosigkeit liegt also lt. Bundesagentur bei mindestens 6.118.402 Menschen.

Hinzu kommen Arbeitsuchende/Erwerbsfähige, die keinen Anspruch auf Leistungen des SGB haben, z.B. mehrere Millionen (in keiner Statistik erfasste) erwerbsfähige Lebenspartner und Kinder, die mit über den ALG II-Sätzen verdienenden Erwerbstätigen zusammenleben.
 
Ebenfalls mitzählen müßte man mehrere Millionen in den Vorruhestand gedrängte Frührentner („58er-Regelung“ gemäß § 53a Abs. 2 SGB II.).

Stefan Sell: Tatsächlich 4,4 Millionen Arbeitslose

Arbeitslose im engeren Sinne haben wir nicht etwa unter 2 Millionen sondern über 4 Millionen. Die Stellenreserve umfasst über 800.000 Menschen. Wir haben eine Unterausweisung von Arbeitslosigkeit, das zeigt die Gegenüberstellung von unter 3 Millionen zu tatsächlich 4,4 Millionen, wenn man richtig rechnet. Quelle: ARD Morgenmagazin

Karl Nolle im Webseitentest
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