Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 18.11.2010

Sächsischer Stasi-Aufklärer als IM enttarnt

Akten belegen Spitzel-Dienst von Michael Richter
 
Leipzig/Dresden. Der sächsische Stasi-Aufklärer Michael Richter wird von seiner Vergangenheit eingeholt. Eine umfangreiche IM-Akte, die der LVZ vorliegt, belegt, dass er belastende Berichte über Bekannte und Studienkollegen geliefert hat.

Der heute 57-Jährige wurde 1979 IM, durfte 1981 in den Westen aus­reisen, ist seit 1994 Mitarbeiter des Dresdner Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung (HAIT), hat Bücher über die Stasi und die Friedliche Revolution verfasst.

Bei einer Überprüfung 1991 hatte die Gauck-Behörde Richter entlastet. "Die Personalie Richter war lange vor meiner Amtsübernahme 1997 durch das Kuratorium des HAIT unter Vorsitz des damaligen Staatsministers Matthias Rößler (CDU) positiv entschieden worden", erklärte der frühere Instituts-Chef Klaus-Dietmar Henke. Zudem habe der frühere Bautzen-Häftling Karl Wilhelm Fricke dem Wissenschaftler ein Entlastungszeugnis ausgestellt. Richter habe sich im Westen sofort als IM offenbart, sagte Fricke der LVZ. Die jetzt vorliegende Akte sei ihm bislang jedoch nicht bekannt gewesen. Der heutige Landtagspräsident Rößler erklärte gestern, er habe erhebliche Vorbehalte wegen der Vergangenheit Richters gehabt. Es hätten aber mehrere Gutachten vorgelegen, die das Kuratorium überzeugt hätten. Sachsens Regierungssprecher Johann Adolf Cohausz forderte das Institut auf, die Vorwürfe ernstzunehmen und zu prüfen.

Für das HAIT sei der Fall "die maximal mögliche Katastrophe", erklärte Sachsens Stasi-Akten-Beauftragter Michael Beleites. "Wenn ein Institut, das sich die Aufarbeitung des Totalitarismus auf die Fahnen geschrieben hat, einen solchen Stasi-Fall unter der Decke hält, ist es diskreditiert."

Richter war 2009 in die Kritik geraten, nachdem der damalige Bundespräsident Horst Köhler in einer Rede zum 9. Oktober 1989 falsche Informationen verbreitet hatte, die aus einem Buch des Historikers stammten. Laut Beleites hat der Wissenschaftler zudem bei der Darstellung der Friedlichen Revolution "die Rolle Dresdens gegenüber jener Leipzigs überbewertet". 

Von Thomas Mayer, Jürgen Kochinke und Armin Görtz

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