Sächsische Zeitung, 16.12.2010
Abrechnung bei der Landesbank
"Millionen-Klage in Vorbereitung"
Ex-Regierungschef und bis 2001 Verwaltungsratschef – Georg Milbradt
Drei Jahre nach dem skandalreichen Zusammenbruch der Landesbank Sachsen will der Freistaat nun doch versuchen, Schadenersatz von einigen der damals Verantwortlichen zu fordern. Nach SZ-Informationen soll eine Millionen-Klage in Vorbereitung sein.
Umstritten soll aber noch sein, ob sie nur die damaligen Vorstände der Sachsen LB trifft oder auch Mitglieder des früheren Verwaltungsrates. Letzteres birgt eine große politische Sprengkraft. Denn in dem Gremium saßen Minister, Staatssekretäre, Landräte. Landtagsabgeordnete und Oberbürgermeister.
Der Zeit- und Handlungsdruck auf die Staatsregierung ist enorm. Sie steckt zwar mitten in der Beratung und Verabschiedung des Doppelhaushaltes für 2011/12. Doch Ende des Jahres läuft die Verjährungsfrist für eine mögliche Klage gegen frühere Verantwortliche der Landesbank ab.
360 Millionen Euro Schaden
Im Sommer 2007 war die einstige landeseigene Bank in Schieflage geraten. Riskante Auslandsgeschäfte trieben das Institut dann schließlich nur wenige Monate später nahezu in die Pleite. Nur ein Notverkauf an die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) bewahrte den Freistaat vor zweistelligen Milliarden-Schäden. Doch ein hohes Risiko bleibt: Die nächsten 20 bis 30 Jahre steht der Freistaat noch für mögliche Wertverluste alter Papiere seiner Ex-Landesbank mit bis zu 2,75 Milliarden Euro gerade. Davon wurden bereits knapp 78 Millionen Euro tatsächlich bezahlt.
Während die Staatsanwaltschaft Leipzig seit mehr als drei Jahren gegen die ehemaligen Vorstände wegen des Verdachts der Untreue ermittelt – über eine mögliche Anklage wird frühestens Anfang 2011 entschieden –, hat sich der Freistaat bisher mit einer Schadenersatz-Klage auffällig viel Zeit gelassen. Das aber lag auch an einem Streit mit der LBBW. Nach SZ-Informationen prüften die Schwaben erst rund zwei Jahre lang selbst, ob sie gegen ehemalige Bank-Verantwortliche Ansprüche geltend machen können. Am Ende ließen sie die Finger davon. Nur rund 370000 Euro an Boni-Zahlungen fordert die LBBW von drei Ex-Vorständen zurück – bisher vergeblich. Erst im November 2009 trat die LBBW schließlich mögliche Rückforderungsansprüche an Sachsen ab.
Und so werden hinter den Kulissen des Finanzministeriums seit Monaten Akten gewälzt. Rund zehn Millionen Euro sollen mehrerer Gutachter und Anwälte inzwischen gekostet haben. Sie sollten die Chancen ausloten, wenigstens einen Teil des verlorenen Geldes von einzelnen Beteiligten zurückzuholen. Dabei steht bisher nicht einmal auch nur eine ungefähre Schadenshöhe fest. Offiziell gibt es nur einen Anhaltspunkt: Der sächsische Rechnungshof ging 2007 in einem Gutachten von mindestens 360 Millionen Euro Schaden aus.
Am kommenden Mittwoch will Finanzminister Georg Unland (CDU) den Finanzausschuss des Landtags über Ergebnisse der Gutachten und Konsequenzen informieren. Wie auch immer Unland entscheidet, die nächsten Monaten dürften für ihn nicht leicht werden.
Unland im Dilemma
Sein Dilemma: Leitet er Klagen gegen Ex-Vorstände und Ex-Verwaltungsräte ein, droht ihm der Vorwurf – nach jahrelangen, mühsamen Prozessen – am Ende weniger Geld zurückgeholt zu haben, als er dafür in den mühseligen Verfahren eingesetzt haben müsste.
Klagt Unland nicht, könnte man ihm vorwerfen, er würde aktive oder ehemalige Unionspolitiker schützen. Im schlimmsten Falle droht Unland sogar ein Klage-Bumerang: Er wäre wegen Untreue dran, wenn ihm nachzuweisen wäre, dass er nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft hätte, Schaden wiedergutzumachen. „Der kann gar nicht anders“, wird darum hinter vorgehaltener Hand in Dresden gemunkelt. Eine umfassende Klage sei ein Akt der politischen Hygiene, heißt es bei der Opposition, aber auch in Unionskreisen.
Von Annette Binninger