DNN/LVZ, 20.08.2011
Auf der Suche nach dem Biss
Innenminister Ulbig zeigt neuerdings harte Kante / Die Probleme wird er damit nicht los
Dresden. Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) hat schon bessere Zeiten erlebt. Seit Monaten kämpft der ehemals hochgelobte Kommunalpolitiker mit Imageproblemen, nicht zuletzt im Bereich Innere Sicherheit. Die Polizei nimmt ihm das übel; die CDU hofft auf baldige Besserung.
Wer sich in diesen Tagen in der Union umhört, bekommt nicht selten Sorgenfalten zu sehen. Es klemmt ein wenig im Regierungsgefüge. Vor allem geht es um drei Felder: Kultus, Inneres, Wissenschaften. Kultusminister Roland Wöller (CDU) lässt nach Plagiatsvorwürfen jede Souveränität vermissen. Wissenschaftsministerin Sabine von Schorlemer (parteilos) steht womöglich ein "heißer Herbst" bevor - wegen Kürzungen an Unis. Und bei Innenminister Ulbig (CDU) läuft in diesem Jahr sowieso mehr schief, als es der Union lieb sein kann - von der Polizeireform über Handy-Daten bis zur Razzia beim Jenaer Jugendpfarrer Lothar König.
Vor allem der Bereich Innere Sicherheit bereitet den CDU-Spitzen im Freistaat Kopfschmerzen. Denn klar ist: Ulbig, der Ex-OB aus Pirna, hat ein ebenso großes wie heikles Haus zu führen, und er ist genau das nicht, was entscheidend ist: ein Blaulicht-Minister. "Dazu", meint ein Christdemokrat, "ist er viel zu nett."
Das war erst jetzt wieder im Dresdner Stadtteil Plauen zu beobachten. Gerade befand sich Ulbig auf dem Weg zu einer CDU-Veranstaltung, da stellte sich ein paar Dutzend Demonstranten in den Weg - aus Protest gegen die Razzia in Jena. Der Innenminister reagierte, wie es typisch ist für ihn: Er ging auf die Demonstranten zu, wollte reden. Der Versuch war gut gemeint, endete aber in einer derben Rangelei. Ulbig passierte nichts; ein Personenschützer des Ministers allerdings wurde verletzt.
Dieses Verhalten ist Ulbigs Stärke und Schwäche zugleich. Während er als OB in Pirna einen mehr als guten Ruf genoss, ist sein Image als Innenminister lädiert. Denn der gelernte Kommunalpolitiker ist eher ein Moderator als ein beinharter Amtschef, und schon gar nicht ist er ein Law-and-Order-Mann. Das macht ihn abhängig von seinen Beratern - und angreifbar.
Vor ein paar Tagen erst sorgte eine possierliche Facette für Aufsehen, und kurzfristig schien es so, als ob "der nette Herr Innenminister" (ein CDU-Abgeordneter) mal die Zähne zeigt. Die Meldung lautete, Ulbig habe seinem obersten Polizisten Bernd Merbitz zu "Büro-Arrest" verdonnert. Nun gibt es keinen Haus-Arrest für einen Landespolizeipräsidenten (LPP) von Amts wegen. Aber wahr daran ist immerhin, dass Merbitz gern mal nach vorne prescht und das Rampenlicht sucht. Die Folge ist, dass der erfahrene Kriminalist und engagierte Haudrauf die Sicherheitsdebatten im Freistaat Sachsen zuweilen stärker prägt als sein Minister - zum Beispiel beim Thema "Wohlfühlpolitik" der Stadt Leipzig gegenüber Drogenabhängigen. Merbitz sei eben "schlecht zu kontrollieren", meint ein Mitarbeiter des Innenressorts, "der LPP macht vieles auf eigene Rechnung".
Das ist nur eine zarte Umschreibung für das, was in der Union längst als Gewissheit gilt: Das Binnenverhältnis zwischen dem Innenminister und seinem Manager der Polizeireform ist getrübt, Ulbig habe Zweifel an der Verlässlichkeit von Merbitz. Die Geschichte hinter der Geschichte aber lautet: Was im Falle Merbitz als Stärke erscheint, ist bei Lichte betrachtet eher ein Zeichen von Schwäche.
Das nützt Michael Wilhelm, Ulbigs Staatssekretär. Als dieser im Jahr 2008 als Amtschef ins Innenressort kam, gaben ihm Insider damals kaum mehr als ein paar Quartale. Grund: Wilhelm war zuvor Bevollmächtigter des Freistaats beim Bund, allgemein ein Abschiebeposten. Doch allen Unkenrufen zum Trotz ist er jetzt stärker denn je - weil der Minister mangels Erfahrung intern auf den Verwaltungsfuchs baut.
Dennoch ist Ulbig das CDU-Kernthema Innere Sicherheit mittlerweile nahezu entglitten. Ob bei der Handy-Affäre oder der Razzia in Jena - stets erweist sich Ulbig als Mann der leisen Töne. Unter Druck aber funktionieren weder Kommunikation noch Krisenmanagement. Am Ende leidet das Erscheinungsbild der gesamten Polizei, wie die Polizeigewerkschaft moniert. Und bei all dem kann Justizminister Jürgen Martens (FDP) seelenruhig zuschauen, während es doch sein Apparat ist, der die Verantwortung trägt, die überaus eifrige Dresdner Staatsanwaltschaft vor allem. Doch das merkt kaum einer in Sachsen. Denn Ulbig, der nette Ex-OB aus Pirna, spricht es lieber nicht aus - jedenfalls nicht laut.
Von Jürgen Kochinke