DNN/LVZ, 08.12.2011
Innenminister Ulbig: "V-Leute ermöglichen Einblicke"
Leipzig. Sachsen setzt das NPD-Verbot auf die Tagesordnung der Ministerpräsidenten-Konferenz am 15. Dezember in Berlin. Innenminister Markus Ulbig (CDU) äußert sich zu den Chancen.
Frage: Viele Politiker sehen nach der Festnahme des Jenaers Ralf Wohlleben freie Bahn für ein NPD-Verbot. Gibt es damit genug Belege für eine aktiv-kämpferische Haltung gegen die Verfassung?
Markus Ulbig: Allein wegen der Verstrickung eines NPD-Funktionärs in die Terrorszene kann die NPD nicht verboten werden. Nachgewiesen werden muss, dass die NPD als Partei darauf aus ist, in aktiv-kämpferischer und aggressiver Weise die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen. Es braucht nicht einen oder mehrere Flecken auf der braunen Weste der NPD, sondern etwas, was sich klar erkennbar durch das ganze Gewebe zieht.
Ist der Einsatz von V-Leuten nicht nach wie vor ein Fallstrick? Müssen sie abgezogen werden?
Der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht Hassemer hat es jüngst auf den Punkt gebracht: Nicht an den V-Leuten ist das letzte Verbotsverfahren geschei tert, sondern an nicht sorgfältig aufbereitetem Material. Das ist für uns entscheidend. Ob und wenn ja welche V-Leute abzuziehen sind und welche Folgen dann damit verbunden sind, wird man bewerten müssen, wenn alles andere steht. Sachsen arbeitet dabei aktiv in einer länderoffenen Arbeitsgruppe der Innenministerkonferenz mit.
Was bringen V-Leute überhaupt noch? Ist man wirklich die zweifelhaften Dienste bezahlter Spitzel angewiesen?
Manche Menschen wenden sich mit ihrem Wissen an Behörden und sind bereit, ihre Aussagen auch in einem Verfahren zu bezeugen. Andere bestehen darauf, dass ihre Auskünfte vertraulich behandelt werden, so dass niemand etwas von der Zusammenarbeit mit den Behörden erfährt. Vertrauensleute nennt man jene, denen in diesem Sinne Vertraulichkeit zugesagt wurde. Daraus ergibt sich ein zusätzliches Wissen, auf das man sonst verzichten müsste. Ob wir auf sie angewiesen sind? Jede Erkenntnis ist wichtig. V-Leute ermöglichen Einblicke, die wir sonst nicht hätten. Ich befürchte, dass wir in manchen Konstellationen auf sie angewiesen sind. So konnte beispielsweise ein geplanter Sprengstoffanschlag auf die Münchner Synagoge im Jahr 2003 vereitelt werden. Auch in Sachsen konnte durch den Einsatz von V-Leuten in der rechtsextremistischen Szene in umfangreichem Maße Schusswaffen aus dem Verkehr gezogen werden.
2003 war das Gericht gespalten. Die Zusammensetzung des Verfassungsgerichts hat sich geändert - stehen die Chancen deshalb besser?
Ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht werde ich nicht mit Charakterstudien über die Richter gewinnen, sondern nur mit juristischer Millimeterarbeit.
Interview: Roland Herold, Frank Lindscheid