Dresdner Morgenpost, 08.12.2011
Vernichtende Urteile bei Expertenanhörung - Funkzellenabfrage nur ,letztes Mittel'
Schnüffel-Skandal: Datenschützer rüffeln Polizei und Regierung
DRESDEN - Die Grünen lassen in Sachen Handy-Schnüffelei nicht locker. Gestern initiierten sie eine entsprechende Expertenanhörung im Rechtsausschuss des Landtages. Und die geladenen unabhängigen Experten stärkten dem von Regierung und Justiz heftig gescholtenen Datenschutzbeauftragen Andreas Schurig den Rücken.
Sachsens Ex-Datenschützer Thomas Giesen brachte es auf den Punkt: „Auch der Datenschutzbeauftragte darf Gerichtsentscheide oder die Arbeit von Ermittlungsbehörden kritisieren. Wie jeder Bürger in einem Rechtsstaat. Die Zeiten von Majestätsbeleidigungen sind vorbei!" Damit spielte er auf die heftige Kritik an, die auf Andreas Schurig einprasselte, nachdem er in seinem Bericht die Erhebung von über einer Million Handydaten rund um den 13. Februar 2011 in Dresden und deren Verwendung scharf rügte.
Giesen kritisiert auch die Polizei: „Die staatsanwaltschaftliche Prüfung entbindet die Polizei nicht von der eigenen Prüfung ihres datenschutzrechtlichen Handelns." Auch andere Experten waren der Meinung, dass die Funkzellenabfrage wohl zu leichtfertig eingesetzt wurde. „Sie darf nur das letzte Mittel sein", so Thilo Weichert, Datenschützer aus Schleswig-Holstein. Schurig habe sein Gutachten korrekt verfasst: „Ich war sehr erstaunt, was es für un angemessene Angriffe auf meinen Kollegen hier in Sachsen durch die Justiz gab."
Das gleiche Problem wie 2011 könnte sich 2012 fortsetzen: Die Gesetze und Vorschriften für Polizisten seien noch immer schwammig, so Weichert. Wie sie anzuwenden seien weiter unklar. „Es fehlt außerdem eine Angemessenheitskontrolle!" Axel Henrichs, Polizeidirektor aus Rheinland-Pfalz: „Die Funk zellenabfrage wird sonst bei schweren Fällen wie der Terrorfahndung oder Kinderpornografie eingesetzt." Aber bei Demos? Die Staatsregierung solle, so die Experten, sich endlich erklären. Nicht benötigte Datensätze sofort löschen. Bis heute gibt es übrigens keinerlei konkrete Ermittlungsergebnisse.
Von Jens Jungmann