Karl Nolle, MdL

Süddeutsche Zeitung, 10.12.2011

Zwickauer Neonazi-Zelle: Extreme Verbindungen

Pflegte die rechtsextreme Zwickauer Terror-Zelle mörderische Seitentriebe ins Ausland? Vieles deutet darauf hin, dass die Neonazis international vernetzt war - Spuren führen in die Schweiz, nach Norwegen und Südafrika.
 
Als Antwort auf den Terror der Roten Brigaden, der Action Directe, der Eta, der IRA und der RAF wurde 1979 die "Police Working Group on Terrorism" (PWGT) gegründet. Dieser polizeilichen Anti-Terror-Einheit gehören mittlerweile fast 30 Länder an; sie soll jetzt helfen, mögliche Verbindungen der deutschen Terrorbande "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) aufzuklären. Ein Spezialist des Bundeskriminalamts teilte neulich den Kollegen von der PWGT vorsorglich mit, es werde demnächst einige größere Anfragen geben.

In den bisher bekannten Umrissen ist das Monstrum NSU deutsch: Die Killer lebten viele Jahre lang in Zwickau, es gab Unterstützer und Helfer im Osten und wohl auch im Westen. Die Frage ist nur: Pflegte die NSU mörderische Seitentriebe ins Ausland? Sitzen dort Helfer, Unterstützer der Mörderbande? Es gibt unterschiedlich stark ausgeprägte Spuren in die Schweiz, nach Südafrika und nach Norwegen.

Die Schweiz ist auch wegen der Waffen besonders in den Blick der Ermittler geraten. Seit Jahren stand schon fest, dass die Tatwaffe in der Mordserie, bei der zwischen 2000 und 2006 acht türkische und ein griechischer Kleinunternehmer ermordet worden waren, eine Ceska, Modell 83, Kaliber 7,65 Millimeter, war und dass die Waffe aus der Schweiz stammte. Aber erst seit die Waffe in Zwickau gefunden wurde und die Seriennummer bekannt ist, kann ihr Weg einigermaßen nachgezeichnet werden

Ein Schweizer Waffenimporteur hatte sie in den neunziger Jahren an einen konzessionierten Händler verkauft. Der veräußerte sie an einen Schweizer, dessen Familie Verbindungen in den deutschen Osten hat - die Ehefrau stammt aus Thüringen. Der Mann ist in den neunziger Jahren gestorben, die Waffe soll zu seiner Hinterlassenschaft gehört haben. Jetzt wird geklärt, ob im Wege des Erbes und dann auf Umwegen oder über Schweizer Rechtsradikale die Ceska in die Hände der Terroristen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos geriet.

Schießübungen in der Schweiz

Zwischen der rechtsextremen Schweizer Szene und der militanten deutschen Szene gibt es viele Verbindungen. Deutsche Neonazis reisen gern zu Schießübungen in die Alpenrepublik. So trainierten vor einigen Jahren Neonazis der "Freien Nationalisten Rhein-Main" zusammen mit Schweizer Kameraden aus dem Kanton Aargau mit Sturmgewehren. In den Akten der Verfassungsschutzämter gibt es etwa ein Dutzend einschlägige Berichte über ähnliche Treffen. Auch sollen Unterstützer der Zwickauer Terrorzelle gute Verbindungen in die Schweiz pflegen.

Der aus Thüringen stammende Unterstützer Holger G., der in Untersuchungshaft sitzt, hat gestanden, 2001 oder 2002 als Kurier angeblich im Auftrag des damaligen NPD-Funktionärs Ralf Wohlleben eine Waffe in das Versteck der Zelle nach Zwickau gebracht zu haben. Welche Waffe es war, wisse er nicht. G. sollen in den nächsten Tagen alle 19 sichergestellten Schießgeräte der Bande gezeigt werden. Ob er die Waffe, die er damals überbrachte, identifizieren kann, wird sich zeigen.

Spuren nach Norwegen

Nach Norwegen, in die Heimat des rechtsradikalen Massenmörders Anders Behring Breivik, gibt es hingegen nur eine sehr dünne Verbindung. Im Wohnmobil der toten Terroristen wurde ein Handy gefunden, dessen Besitzerin meist in Norwegen lebt. Es handelt sich um eine Deutsche, die angibt, die Terrorzelle nicht gekannt zu haben. Die Ermittler hegen, derzeit zumindest, keinen Verdacht gegen die Frau.

Viel ist in den vergangenen Wochen über angebliche Spuren auf die Farm des rechtsextremistischen Publizisten Claus Nordbruch spekuliert worden. Der ehemalige Bundeswehroffizier war in den achtziger Jahren nach Südafrika ausgewandert, und er unterstützt dort die rassistische Vereinigung "Hilfskomitee Südliches Afrika". Nordbruch ist ein bekennender Waffennarr, der Kameraden Schießübungen als Belohnung für Feldarbeit versprach. In abgehörten Telefonaten von Unterstützern war im Jahr 1999 über eine Flucht nach Südafrika geredet worden.

Unter ihren richtigen Namen allerdings sind weder die angebliche NSU-Mitgründerin Beate Zschäpe noch die beiden Killer Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nach Südafrika gereist. Auch bei den Tarnnamen, die sie häufig verwendeten, gab es bislang keinen Treffer.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz prüft derzeit die Spuren, die das internationale Netzwerk "Blood and Honour" in Deutschland hinterlassen hat. Der deutsche Ableger des 1987 in England gegründeten rechtsradikalen Netzwerks ist im Jahr 2000 verboten worden.

Deutsche Behörden haben Hinweise, dass Mundlos manchmal in der Hauspostille des Netzwerks "White Supremacy" ("Weiße Überlegenheit") losgeledert hat: Das "antideutsche Pack", schrieb er, brauche einen "Arschtritt". Böhnhardt wiederum soll geholfen haben, in Thüringen Nazi-Konzerte von "Blood and Honour" zu organisieren. Über diese Gruppe zumindest war der Verfassungsschutz einigermaßen im Bild. Der einstige Mitgründer der Thüringer Sektion des ehrlosen blutigen Netzwerks war ein V-Mann des Verfassungsschutzes.

Von Hans Leyendecker

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