Agenturen, dpa, 08:15 Uhr, 20.03.2012
Rechte Gewalt - Distanzierung der NPD-Spitze entzweit Extremisten
Politiker halten die NPD für zutiefst verfassungsfeindlich und wollen die Partei am liebsten verbieten lassen. Die NPD geht deshalb auf Distanz zu gewalttätigen Neonazis - und vergrätzt damit ihre Basis.
Dresden/Schwerin (dpa) - Im Wahlkampf griff die rechtsextreme NPD gerne auf die Hilfe rechter Kameradschaften zurück. Dass diese bei der Wahl ihrer Mittel nicht zimperlich waren und politischen Gegnern auch mit roher Gewalt begegneten, nahm die ehemalige Parteispitze um Udo Voigt in Kauf. Doch der Ende 2011 gewählte neue NPD-Bundeschef Holger Apfel hat erkannt, dass die Nähe zur rechten Gewalt für die NPD zur existenziellen Gefahr werden könnte.
Apfel geht auf Distanz zur gewaltbereiten Szene. Er hat das Motto der «seriösen Radikalität» ausgegeben, um dem vorherrschenden Bild tumber, kahlköpfiger Schläger entgegenzuwirken. Das aber spaltet die extreme Rechte offensichtlich.
Seit Bekanntwerden der Mordserie mit zehn Toten, die der Zwickauer Neonazi-Terrorzelle NSU zugeschrieben wird, formiert sich eine breite Parteienfront für ein neuerliches NPD-Verbotsverfahren.
Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) sagt: «Die Morde haben ein Schlaglicht auf die Brutalität dieser Szene geworfen. Nicht nur beim Nationalsozialistischen Untergrund, auch bei anderen Neonazi-Strukturen zeigen sich Verbindungen zur NPD. Deshalb dürfen wir uns bei einem möglichen Verbotsverfahren nicht allein auf die NSU-Gruppe fokussieren.» 2003 war ein erstes Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert - aus formalen Gründen.
Caffier ist derzeit Chef der Länder-Innenministerkonferenz und kennt die NPD aus persönlichem Erleben. 2006 schaffte die Partei auch in Mecklenburg-Vorpommern den Sprung in den Landtag, nachdem sie 2004 schon ins sächsische Parlament eingezogen war. Caffier ist fest überzeugt: «Diese Partei bekämpft unsere Demokratie mit aggressiv-kämpferischen Mitteln und gehört deshalb verboten.»
Dem Verbot aber will die NPD entgehen. Die Parteispitze distanziert sich nach außen von Mord und Gewalt - Fremdenhass wird nicht mehr offen propagiert. Wie tief Gewalt aber in der Partei verwurzelt ist, zeigte ein jüngster Bericht des ARD-Magazins Report Mainz.
Die Journalisten zählten nach eigenen Angaben 110 NPD-Funktionäre und -Mandatsträger, gegen die strafrechtlich ermittelt wurde. Zwei ehemalige Thüringer NPD-Funktionäre stehen in Verdacht, die Neonazi-Gruppe NSU unterstützt zu haben. Und in Mecklenburg-Vorpommern sitzt ein mehrfach vorbestrafter NPD-Aktivist wegen Hehlerei und unerlaubten Waffenbesitzes eine Haftstrafe ab.
Die NPD will aber raus aus der Gewaltecke und soll sich nach dem Willen ihres neuen Bundesvorsitzenden Apfel, der auch Chef der NPD-Landtagsfraktion in Dresden ist, «in der Mitte des Volkes» etablieren. Nach Einschätzung von Parteienforschern hat sie das in Regionen wie dem wirtschaftlich überaus schwachen Ostvorpommern schon fast geschafft. Bei der Landtagswahl im September 2011 erzielte die NPD dort zweistellige Ergebnisse.
Die Parteistrategen hätten sich «eine gewisse ideologische Zurückhaltung auferlegt», heißt es in einer Studie, die jüngst von der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung herausgegeben wurde. Selbst der für seine Hetztiraden bekannte und auch gerichtlich belangte Schweriner Fraktionschef, NPD-Vize Udo Pastörs, fiel im Wahlkampf 2011 nicht sonderlich auf. Seine Partei schaffte mit 6,0 Prozent den Wiedereinzug in den Landtag.
Die NPD steckt in einem Dilemma: Sie muss ein Verbot verhindern, wenn sie weiter in den Landtagen von Sachsen und Mecklenburg- Vorpommern sitzen will. Den demokratischen Rechtsstaat lehnt sie zwar ab, Vorzüge wie die ausgiebige staatliche Parteienfinanzierung nutzt sie aber gern für den Aufbau rechter Netzwerke.
Die Strukturen in den beiden ostdeutschen Bundesländern sind Rückgrat und Lebensquell der gesamten Partei. Allein die Schweriner NPD-Fraktion bezieht jedes Jahr rund eine halbe Million Euro an Staatsgeldern - in Sachsen sind es dem Vernehmen mehr als eine Million. Das ist nicht nur für Caffier ein großes Ärgernis: «Niemand versteht, dass offene Feinde der Demokratie von der Demokratie finanziert werden.»
Andererseits vergnatzt die NPD-Führung mit staatstragendem Vokabular und Parlamentsauftritten im feinen Zwirn all jene, die als «Freie Kräfte» bislang die Auftritte der NPD handfest absicherten und sich als engagierte Wahlhelfer und gut organisierte Stimmenbringer erwiesen. Die Mitgliederschaft, zuletzt mit knapp 6000 beziffert, beginnt offenkundig zu bröckeln. So ging dem Bundesvorsitzenden Apfel jüngst der gesamte NPD-Vorstand im Landkreis Leipzig von der Fahne.
Autoren: Jörg Schurig und Frank Pfaff, dpa
dpa jos/fp yysn/yymv a3 bi
200815 Mrz 12