Sächsische Zeitung, 14.04.2012
Hat jemand Herrn Tillich gesehen?
Sächsisch betrachtet - Kolummne von Gunnar Saft
In Krisenzeiten ziehen sich unsere gestressten Politiker gern zurück – zum Papst, in den Zirkus oder aufs Dach.
Was macht Sachsens Ministerpräsident, wenn es in seinem Laden gewaltig kracht, der Kultusminister entnervt das Handtuch wirft und die Bürger plötzlich kritische Fragen stellen? Ganz einfach: Er gibt eine Erklärung ab wie jüngst im SZ-Interview. Dort beschied Stanislaw Tillich allen Buh-Rufern lapidar: „Oben schlagen die Blitze eben zuerst ein!“ Das sollte seiner Meinung nach reichen. Doch dieser Satz verfolgt den Regierungschef inzwischen gnadenlos. Als Tillich jüngst während der Landtagssitzung nicht auf seinem Platz saß, fragte eine Rednerin, wo denn der Herr Ministerpräsident sei? Es war SPD-Chef-Wadenbeißer
Karl Nolle, der laut in die Runde rief:
„Der sitzt auf dem Dach und wartet auf den Blitz!“
Selbst Tillichs CDU-Freunde hatten danach Tränen in den Augen. Geweint haben sie aber nicht.
WER derart heftig auf die Mütze bekommt, sucht natürlich Beistand. Und auch da wagt sich unser Regierungschef wieder tapfer nach oben. Nächste Woche reist Stanislaw Tillich nach Rom und wird im Vatikan Papst Benedikt während einer Privataudienz treffen. Hinter geschlossenen Türen können sich dann beide trefflich darüber austauschen, wie man sich gegen das Böse in dieser Welt zur Wehr setzt. Nicht nur
Karl Nolle, auch alle CDU-Abgeordneten, die laut gelacht haben, sollten aufpassen: Die Inquisition und wütende Parteichefs vergessen nie.
EINEN anderen Weg, um dem aktuellen Dresdner Regierungsdilemma zu entkommen, wählte jetzt Tillichs erster Jünger ... äh, natürlich sein treuester Minister. Der heißt Johannes Beermann, ist Chef der Staatskanzlei und war dieser Tage wieder einmal in Abu Dhabi unterwegs. In der Gegend darf über die Mächtigen bekanntlich nicht gemeckert werden, es sei denn, man will Kopf und Kragen riskieren. Herr Beermann hat sich dort sicher wohlgefühlt. Zumal zeitgleich das Dresdner Varietétheater Sarrasani in dem Wüsten-Emirat gastierte. Zucht und Ordnung auf der einen, bunte Spiele auf der anderen Seite. So stellen sich Sachsens Spitzenpolitiker ganz sicher den Himmel vor.