DNN/LVZ, 21.06.2012
Langer Kampf gegen Extremismus - Konferenz in Riesa: Tillich lobt Demokratie-Bündnisse
Riesa. Gründlichkeit vor Schnelligkeit sei das oberste Prinzip bei einem neuerlichen Anlauf zum Verbot der rechtsextremen NPD. Mit dieser Botschaft war Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) gestern zur Extremismus-Konferenz nach Riesa gekommen.
Nachdem im November die Straftaten der rechtsextremistischen Terrorzelle NSU bekannt geworden waren, dauerte es Wochen, bis Tillich sich äußerte. Dann aber stellte er sich gleich an die Spitze der NPD-Verbotsbewegung. Jahrelang hatte sich die CDU gedrückt, das Problem der rechtsextremen Gewalt beim Namen zu nennen. Nun aber soll eine Konferenz "Für Sachsen - gegen Extremismus" den offenen Umgang einläuten. 600 Vertreter von Verbänden und Aktionsbündnissen waren gekommen.
Klar wurde gestern, dass die Kommunen bei dem Thema Extremismusbekämpfung schon viel weiter sind. Riesas Oberbürgermeisterin Gerti Töpfer (CDU) sagte es am deutlichsten: Lange habe gegolten, "bloß nicht drüber reden". Darüber nämlich, dass in Riesa die sächsische NPD ihre Schaltzentrale und ihren Verlag eingerichtet hat. 2010 änderte die Stadt ihre Strategie, verfasste einen Riesaer Appell und drückte der NPD mit einer wirkungsvollen Straßenumbenennung den Widerstand in den Briefkopf. Olaf Ehrlich, Bürgermeister von Reinhardtsdorf-Schöna, berichtete aus seiner Gemeinde in der Sächsischen Schweiz, wo die NPD bei den Landtagswahlen 2004 ihr bestes Ergebnis einfuhr: 23,1 Prozent. Er freue sich "über jeden Prozentpunkt, den es runter geht". Harry Habel, Bürgermeister der Stadt Bernsdorf, die 2000 wegen eines rechtsradikalen Vorfalls in die Schlagzeilen geriet, sprach sich für mehr Offenheit aus.
Genau die vermisst die Opposition indes bei Tillichs Extremismus-Konferenz: Die Fraktionschefs von Linker, SPD und Grünen blieben der Veranstaltung fern. In der Tat vermied der Ministerpräsident in Riesa das Wort "Rechtsextremismus" und wand sich um den NSU herum, der für ihn immer noch das "Thüringer Terrortrio" ist - trotz mindestens zehn Jahren Aufenthalts in Sachsen. Von den anwesenden Kabinettsministern sprach allein der FDP-Justizminister Jürgen Martens von "einem Problem mit rechtsextremen Straftaten in Sachsen" und von der "Zwickauer Terrorzelle". Tillich indes begründete rechtsextreme Einstellungen in Sachsens Bevölkerung mit "jahrelanger Arbeitslosigkeit, unsicheren Arbeitsverhältnisse und Armut" sowie mit Werteverlust. Er zitierte Rosa Luxemburg mit dem Ansatz, dass "Freiheit auch die Freiheit des Andersdenkenden ist". Erstmals sagte Tillich, dass die Dresdner Februar-Proteste gegen die Neonazi-Aufmärsche "aus der Mitte der Gesellschaft" kämen und würdigte das Engagement der Bündnisse für Demokratie und Toleranz - eben jene Bündnisse, die wegen Sitzblockaden gegen die Rechten belangt werden. Beifall war dafür gestern nicht zu erwarten.
Von Christine Keilholz