DNN/LVZ, 04.07.2012
Neonazi-Terror: Schatten über Wawrzynski - Chemnitzer Vergangenheit des Leipziger OB-Kandidaten beschäftigt U-Ausschuss
Dresden. Der Leipziger CDU droht Ungemach aus Dresden. Es geht um den OB-Kandidaten Horst Wawrzynski (parteilos), seit 2008 Polizeipräsident in der Messestadt. Der könnte in den Strudel um die Zwickauer Terror-Zelle geraten - wegen seiner Rolle als ehemaliger Polizeichef in Chemnitz. Im U-Ausschuss des Landtags sorgt dies bereits für Verwerfungen.
Die Sitzung des Kontrollgremiums am vergangenen Montag dauerte erheblich länger als erwartet. Eigentlich wollten die Mitglieder des U-Ausschusses gegen 15 Uhr den Konferenzraum verlassen haben, doch Stunden später saßen sie noch immer zusammen. Der Grund waren Abstimmungsprobleme. Opposition und Vertreter der regierenden CDU konnten sich nicht einigen, wer wann wie als Zeuge geladen werden soll, heißt es aus Teilnehmerkreisen. Im Zentrum dabei stand ein Name: Wawrzynski. Der ist nicht nur Polizeichef in Leipzig, sondern auch der Kandidat der Union bei der OB-Wahl Ende Januar 2013.
Das macht den U-Ausschuss parteipolitisch brisant. Denn die Opposition würde Wawrzynski gern noch im September vernehmen, ein paar Wochen vor dem Auftritt von Landespolizeipräsident Bernd Merbitz. Das Ziel liegt auf der Hand: Wawrzynski soll erklären, welche Rolle er als Chef im Chemnitzer Polizeipräsidium gespielt hat. Dieses Amt hatte er im Januar 2000 übernommen - just zu jener Zeit, als der "Nationalsozialische Untergrund" (NSU) sein Unwesen trieb. Mehr noch: Chemnitz ist der Ort eines dubiosen Observationsversuchs, an dessen Ende zwar Sicherheitskräfte tagelang im Einsatz waren, das Terror-Trio aber entwischen konnte. Pikant daran ist vor allem die Tatsache, dass offensichtlich gleich zwei Behörden - Polizei und Verfassungsschutz - nebeneinander her agierten, ohne dass der eine vom anderen etwas zu wissen schien. Dabei ging es um die Observierung der Chemnitzer Bernhardstraße 11 vom 27. September bis 2. Oktober 2000, wo die Ermittler die gesuchten Neonazis vermuteten. Nach jetzigem Stand quartierten sich die Geheimen konspirativ im Haus gegenüber ein, installierten eine Kamera - und ließen das Gerät laufen, ohne selbst dabei zu sein. Das ist an sich schon erklärungsbedürftig, da auf diese Art ein Zugriff von vornherein unmöglich ist. Parallel dazu patrouillierte ein Mobiles Einsatzkommando (MEK) der Polizeidirektion Chemnitz, deren Chef Wawrzynski war.
Dieser Doppeleinsatz war nicht nur merkwürdig, sondern auch erfolglos. So tauchten zwar am 29. September zwei Gestalten für wenige Sekunden am Klingelschild auf, dann verschwanden sie. Von Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe fehlte jede Spur. Das wirft ein bezeichnendes Licht auf die Serie von Ermittlungspannen der Sicherheitsbehörden in dem Fall. Denn es belegt, dass die Zusammenarbeit nahe Null lag, vom Austausch relevanter Informationen kann keine Rede sein.
Bisher steht ein Termin für die Vernehmung von Wawrzynski vor dem U-Ausschuss noch nicht fest. Denn die CDU-Mitglieder haben den Plan der Opposition vorerst durchkreuzt und die Sitzungstage im September blockiert. Damit kann der Polizeichef frühestens im Oktober auftreten. Noch in der kommenden Woche dürfte das Kontrollgremium dazu beraten - in einer Sondersitzung am Rande des Plenums.
Von Jürgen Kochinke