Sächsische Zeitung, 06.07.2012
„Von rechts geht die größte Gefahr aus“
Der Verfassungsschutz sieht im Freistaat eine Hochburg der Neonazis – trotz der Zunahme von linker Gewalt.
Mitten in der hitzigen Debatte um das Versagen deutscher Sicherheitsbehörden im Fall des NSU-Terror-Trios präsentierte Innenminister Markus Ulbig (CDU) gestern den Jahresbericht 2011 des sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz. An seiner Seite dessen Präsident Reinhard Boos.
Der Auftritt der beiden Herren geriet zu einer politischen Rund-um-Verteidigung. So erneuerte Minister Ulbig seine Vorwürfe an das Nachbarland Thüringen, dem er vorhält, bei der Zielfahndung nach den Rechtsterroristen die Federführung innegehabt zu haben. Sachsens Verfassungsschutz könne man nur vorwerfen, sich „unkritisch auf Thüringen verlassen zu haben“. Reinhard Boos, oberster Verfassungsschützer im Freistaat Sachsen, sitzt damit offiziell erst einmal weiter auf einem sicheren Stuhl, obwohl Ulbig mehrere interne Verbesserungsmaßnahmen ankündigte, die die Arbeit des Landesamtes künftig effektiver und vor allem erfolgreicher machen sollen.
Radikale unzufrieden mit NPD
Der Jahresbericht geriet dabei fast zur Nebensache. Zumal es inhaltlich wenig Neues gibt. So zählte man im Vorjahr rund 2600 Rechtsextremisten im Land – ein leichter Rückgang gegenüber 2010 (2670). Der NPD, deren Mitgliederzahl laut Verfassungsschutz nur noch 760 Personen beträgt, attestiert man ein Scheitern der von Parteichef Holger Apfel verkündeten „Politik der radikalen Seriosität“. Die werde vor allem von den gewaltbereiten freien Kräften im rechten Lager abgelehnt, die dann auch einen Zuwachs auf rund 1000 Personen verzeichnen konnten. Diese Gruppierung greife nun häufiger auf Provokationen zurück wie zuletzt illegale Fackelmärsche, bei denen die maskierten Teilnehmer Hassparolen skandieren. Mit 42 Konzerten sei Sachsen auch weiterhin Hochburg für rechtsextreme Musik.Die Straftaten der rechten Szene gingen im Vorjahr von 98 auf noch 84 Fälle zurück. Trotzdem legte sich vor allem Boos fest: „Vom Rechtsextremismus gehen in Sachsen nach wie vor die größten Gefahren aus.“
Sachsen im Visier von Spionen
Tatsächlich verzeichnen die Verfassungsschützer im Fall des Linksextremismus eine andere Entwicklung. Hier stieg die Zahl der Gewalttaten von 88 auf 164 pro Jahr. Innenminister Markus Ulbig relativierte jedoch sofort, dass dieser Anstieg allein aus den Auseinandersetzungen rund um den Neonazi-Aufmarsch im Februar 2011 in Dresden resultiert und kein landesweites Phänomen ist. Eine Bewertung, die in dieser Klarheit bisher noch nicht zu vernehmen war.
Nicht zuletzt ist im Bericht von Aktivitäten gewaltbereiter Islamisten – vor allem der Salafisten – die Rede. Erkenntnisse über drohende Anschläge gibt es bisher aber nicht. Zudem registrierte man erneut Spionageaktivitäten vorrangig von Ländern wie China und Russland.
Von Gunnar Saft