Agenturen, dpa, 17:26 Uhr, 21.08.2012
Neuer Verfassungsschutzchef: Behörde soll Dienstleister werden - Nolle: Lobhudelei nicht angebracht
Sachsens Verfassungsschutz hat einen neuen Chef, der der Behörde auch gleich ein besseres Image verpassen will. Eine Alternative zur neuen Offenheit sieht Gordian Meyer-Plath nicht.
Dresden (dpa/sn) - Sachsens neuer Verfassungsschutz-Präsident Gordian Meyer-Plath will die Behörde stärker in der Öffentlichkeit verankern. «Ich möchte das Amt zu einem Nachrichten-Dienstleister machen», sagte der 43-Jährige. Wichtig sei ihm, Vertrauen aufzubauen, das Wissen über die Behörde zu erhöhen und die Erkenntnisse der Verfassungsschützer breit an den Mann zu bringen.
Erster Schritt zu mehr Transparenz: Auf der neuen Visitenkarte Meyer-Plaths wird auch seine E-Mail-Adresse stehen - bislang hielten sich Sachsens Verfassungsschützer auch an dem Punkt eher bedeckt.
«Der Verfassungsschutz ist zu 99 Prozent eine Präventionsbehörde, und für Prävention müssen wir unser Wissen offenlegen», sagte Meyer-Plath der Nachrichtenagentur dpa in Dresden. «Wir müssen einen größeren öffentlichen Output hinbekommen.» Der studierte Historiker meinte zudem, dass viel zu wenig über die Arbeitsweise des Verfassungsschutzes bekannt sei. «Ich glaube, dass der Verfassungsschutz häufig entweder maßlos unter- oder überschätzt wird.»
Seiner Ansicht nach gibt es vor allem viel Erklärungsbedarf, um Vertrauen zu schaffen. «Ich kann doch einer Behörde nur vertrauen, wenn sie selber auch darüber spricht, was sie macht, was sie kann und was sie nicht leisten kann. Da ist - glaube ich - über Jahrzehnte im Bereich des Verfassungsschutzes zu wenig getan worden», sagte Meyer-Plath, der bislang in verschiedenen Positionen beim Verfassungsschutz in Brandenburg gearbeitet hat. Dort ist der Verfassungsschutz eine Abteilung des Innenministeriums.
Er selbst sprach mit Blick auf seinen neuen Job in Dresden nicht von einer Bürde, wenngleich die Herausforderung groß ist. Denn Sachsens Geheimdienstler stehen nicht erst seit der erfolglosen Fahndung nach dem im Freistaat untergetauchten Terror-Trio Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) in der Kritik. Sein Vorgänger - einst wegen Ungereimtheiten in der Behörde ins Amt gerufen - warf das Handtuch, als im Zuge der Suche nach neuen Fehlern bislang unbekannte Akten in seiner Dienststelle auftauchten.
Meyer-Plath trat dem Vorwurf entgegen, der Verfassungsschutz in Sachsen sei auf dem rechten Auge blind. Er müsse keine Brillen verteilen, um eine Sehschwäche auf dem rechten Auge zu korrigieren - so hatte es kürzlich der
SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle gefordert. «Das ist Unsinn. Brillenputztücher nehme ich aber gerne.» Der absolute Schwerpunkt des Verfassungsschutzes in Sachsen sei der Kampf gegen den Rechtsextremismus. «Alles andere wäre überraschend und auch nicht zielführend. Das wird auch in den nächsten Jahren so bleiben», sagte Meyer-Plath mit Nachdruck. Mit Blick auf seine Erfahrungen in Brandenburg fügte er hinzu: «Beide Behörden ticken bei der Priorisierung des Rechtsextremismus gleich.»
Die Begrenzung seiner Tätigkeit in Sachsen auf sechs Monate sieht Meyer-Plath nicht als Makel. «Es ist so viel im Fluss, es gibt jetzt so viele Gremien und Untersuchungsausschüsse, die sich alle die Aufgabe gestellt haben, die Sicherheitsarchitektur in Deutschland zu verbessern, zu verändern. Da habe ich jedes Verständnis für politisch Verantwortliche zu sagen, bis diese neue Struktur wirklich Formen angenommen hat, lebe ich mit Provisorien, auch was die Leitungsfunktion angeht.»
Kritisch auf Meyer-Plaths Äußerungen reagierte der
SPD-Abgeordnete Nolle. Er warf dem neuen Verfassungsschutzchef «Lobhudelei» vor, da er die Behörde als «voll funktionstüchtiges Amt» bezeichnet und den Mitarbeitern attestiert, bis zum letzten Tag unter Vorgänger Reinhard Boos «professionell gearbeitet» zu haben. «Warum um alles aber in der Welt wurde dieser Mann geholt, wenn nicht zum Aufräumen, Ausmisten und Neustrukturieren des Verfassungsschutzes», monierte Nolle.
Der Oppositionspolitiker erinnerte zugleich an die Affäre um den «Sachsensumpf», die auf umstrittene Verfassungsschutz-Akten über angebliche Netzwerke der Organisierten Kriminalität im Freistaat zurückgeht. Mit ihnen befasst sich ein Untersuchungsausschuss des Landtags, ein anderer mit den Pannen um den NSU. In beiden Ausschüssen sitzt Nolle als Obmann der SPD-Fraktion.
Autorin: Petra Strutz
dpa stz/tmo yysn z2 k6 aro
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