Sächsische Zeitung, 14.11.2012
Reporter wegen „Sachsensumpf“ erneut vor Gericht
Seit gestern müssen sich zwei Journalisten wegen ihrer Veröffentlichungen über Rotlichtvorwürfe verantworten. Den Richter halten sie für befangen.
Mit Befangenheitsanträgen gegen den Vorsitzenden Richter Martin Schulze-Griebler hat gestern der Berufungsprozess gegen zwei freie Journalisten am Landgericht Dresden begonnen. Thomas Datt (39) und Arndt Ginzel (44) müssen sich wegen übler Nachrede und Verleumdung im Zusammenhang ihrer Recherchen über die „Sachsensumpf-Affäre“ verantworten. Sie sollen 2008 im „Spiegel“ und im Internetportal „Zeit.de“ über Rotlichtvorwürfe hochrangiger Juristen rund um das Leipziger „Kinderbordell Jasmin“ berichtet sowie die schnelle Entlastung eines Richters durch die Staatsanwaltschaft kritisch hinterfragt haben.
Die Verteidigung gab sich gestern betont aggressiv. Immer wieder kam es zu scharfen Wortgefechten zwischen Steffen Soult und dem Vorsitzenden. Die Anwälte halten Schulze-Griebler für befangen, weil er 2007, weit vor den Veröffentlichungen der Angeklagten, selbst in einem Beitrag für die Zeitschrift des Sächsischen Richtervereins seine Sicht auf den „Sachsensumpf“ dargelegt hatte. Er habe die Rotlichtvorwürfe gegen hochrangige Juristen „ungeheuerlich“ genannt und die Medienberichterstattung kritisiert. Als „Sumpfgequake“ habe er sie bezeichnet, auf das er emotional reagiert habe. Die Verteidiger Steffen Soult und Ulf Israel halten den Vorsitzenden daher für nicht in der Lage, fair zu urteilen.
Im August 2010 waren Datt und Ginzel am Amtsgericht Dresden für die kritische Frage wegen übler Nachrede zu Geldstrafen von je 2500 Euro verurteilt worden. Im jetzigen Prozess strebt die Staatsanwaltschaft auch eine Verurteilung wegen Verleumdung an. Die Reporter kämpfen um Freisprüche.
Das Verfahren löste ein hohes Medieninteresse aus. Der Deutsche Journalistenverband etwa sieht die Pressefreiheit in Gefahr und erklärte sich mit den Angeklagten solidarisch. Die sächsische Justiz wolle kritische Journalisten mundtot machen, lautet einer der Vorwürfe.
Die Befangenheitsanträge werden nun geprüft. Ein ehemaliger Richter, der als Nebenkläger am Prozess teilnimmt, bestritt gestern, jemals auch nur in der Nähe des „Jasmin“ gewesen zu sein. Er sei falsch beschuldigt worden und leide bis heute an den „haltlosen Vorwürfen“, vor 20 Jahren Freier gewesen zu sein. Er habe sogar an Suizid gedacht.
Von Alexander Schneider