Karl Nolle, MdL

Agenturen, dpa, 18:58 Uhr, 09.01.2013

Zeugin erhebt in «Sachsensumpf»-Affäre schwere Vorwürfe gegen Justiz

 
Der «Sachsensumpf» sorgt auch nach Jahren für Mutmaßungen. Dabei gerät auch der Umgang sächsischer Behörden mit den Vorwürfen selbst ins Zwielicht. Angeblich sollen viele Akten verschwunden sein.

Dresden (dpa/sn) - Die Hauptzeugin in der «Sachsensumpf»-Affäre hat am Mittwoch schwere Vorwürfe gegen Vorgesetzte aus dem Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) erhoben. So seien nach Bekanntwerden der Anschuldigungen wesentliche Akten über den Fall verschwunden. Das Landesamt erteilte auf Nachfrage zunächst keine Auskünfte, ob und in welchem Umfang Akten fehlen.

Konkret listete die 53 Jahre alte Juristin Simone Skroch (früher Henneck) im Untersuchungsausschuss des Landtages Berichte über Treffen mit Quellen des Geheimdienstes sowie Aussagen von sieben Auskunftspersonen auf. Sie hätten unter anderem Hinweise enthalten, dass Kinder aus Osteuropa zum sexuellen Missbrauch nach Leipzig gebracht werden sollten. Auch Informationen über korrupte Polizisten und sexuelle Neigungen von Justizbeamten hätten sich in den Quellenberichten befunden.

Der «Sachsensumpf» begann im Mai 2007 als vermeintliche Korruptionsaffäre. Damals tauchten in den Medien Berichte auf, wonach Dokumente aus dem LfV Hinweise auf ein Netzwerk der Organisierten Kriminalität (OK) in Sachsen enthielten. Darin sollten angeblich auch Juristen und Polizisten verstrickt sein. Der damalige Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) heizte die Spekulationen mit seiner legendären «Mafia»-Rede im Landtag an. Darin warnte er eindringlich davor, dass die OK zurückschlagen werde.

Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Dresden konnten die in den Akten enthaltenen Vorwürfe nicht belegen. Vielmehr stellten externe Prüfer fest, dass Akten im Geheimdienst aufgebauscht wurden und nur auf Angaben einer Quelle beruhten. Dafür wurde Skroch als Ex-Chefin des OK-Referates verantwortlich gemacht.

Auch bei ihrer dritten Befragung im U-Ausschuss beteuerte Skroch, dass mehrere Quellen unabhängig voneinander Daten lieferten. Als man die Erkenntnisse im Mai 2007 an die Dresdner Staatsanwaltschaft übermittelte, sei dort ein Anfangsverdacht formuliert worden. Später dann habe man alles als «heiße Luft» abgetan. «Ich wurde zum alleinigen Sündenbock erkoren», sagte Skroch. Man habe ihr unter anderem «blinden Jagdeifer» und eine «blühende Fantasie» vorgeworfen.

Die Zeugin verlas mehrere Stunden lang eine Erklärung. Dabei klagte sie auch die sächsische Justiz an. Unter Verletzung ihrer Verteidigungsrechte werde sie seit sechs Jahren mit Disziplinar- und Ermittlungsverfahren überzogen. Allein seit ihrer vorherigen Aussage im U-Ausschuss Anfang 2009 seien vier Ermittlungsverfahren wegen uneidlicher Falschaussage, falscher Verdächtigung und Verleumdung eingeleitet worden.

Skroch beschuldigte Ex-Geheimdienstchef Reinhard Boos, ein klar als Fälschung erkennbares Dokument in einem Disziplinarverfahren gegen sie verwendet zu haben. LfV-Vize Olaf Vahrenhold habe 2007 die Anordnung erteilt, Akten zu vernichten. Insgesamt seien 12 Vermerke zu Treffen und 27 Berichte von Quellen verschwunden. Das Fehlen einer Akte hatte Skroch nach eigenem Bekunden erst am vergangenen Freitag bemerkt - als sie sich beim Aktenstudium auf den U-Ausschuss vorbereiten wollte.

Die Angaben der Zeugin seien schlüssig, nachvollziehbar und mit einer Vielzahl von Detailangaben unterlegt, erklärte Grünen-Politiker Johannes Lichdi. Alle Vorwürfe gelte es nun sorgfältig zu prüfen. Im Nachgang seien «Unterlagen verfälscht worden oder verschwunden», um Skroch strafrechtlich zu belasten. Der von Skroch geschilderte Umgang der Justiz mit der Affäre sei der eigentliche Sumpf, sagte SPD-Obmann Karl Nolle. «Im Sumpf stecken ganz andere als diejenigen, die beschuldigt werden.»

Autor: Jörg Schurig
dpa jos yysn z2 sck
091858 Jan 13


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