Freie Presse Chemnitz, 07.11.2013
Sachsensumpf: Staatsanwälte im Zeugenstand
Mit der Vernehmung von Juristen nähert sich der Landtagsausschuss zur
„Sachsensumpf um Dossiers des Verfassungsschutzes dem Abschluss.
DRESDEN — Im Frühsommer 2007 sorgte das Bekanntwerden einer umfangreichen Aktensammlung des sächsischen Verfassungsschutzes über angeblich kriminelle Netzwerke für großes Aufsehen. Schon bald darauf schienen sich Verdächtigungen wie die gegen zwei Juristen, als Freier in einem Leipziger Minderjährigenbordell verkehrt zu haben, als haltlos zu erweisen. Die
Staatsanwaltschaft stellte ihre entsprechenden Ermittlungen jedenfalls im Frühjahr 2008 ein. Dafür widmet sie ihre Aufmerksamkeit bis heute vornehmlich denjenigen, die die Vorwürfe in die Welt gesetzt hatten Zuletzt wurde der Verleumdungsprozess gegen zwei einstige Zwangsprostituierte wegen deren Verhandlungsunfähigkeit eingestellt — und zwei Journalisten, die über fragwürdige Ermittlungen berichtet hatten wurden in zweiter Instanz freigesprochen.
Aber ein Ende der juristischen Auseinandersetzungen um den „Sachsensumpf' ist dennoch nicht in Sicht: Nun hat die Generalstaatsanwaltschaft Anklage gegen die für die brisante Aktensammlung zuständige Ex-Referatsleiterin im Verfassungsschutz, Simone Skroch, erhoben. Ihr wird uneidliche Falschaussage vorgeworfen - wegen fast fünf Jahre zurückliegender Äußerungen als Zeugin im damaligen Untersuchungsausschuss des Landtags. Warum es so lange bis zu einer Entscheidung dauerte, obwohl den Ermittlern die Aussageprotokolle laut Ausschusschef Klaus Bartl seit 2009 vorliegen - diese Frage konnte der gestern als Zeuge geladene Generalstaatsanwalt Klaus Fleischmann nicht beantworten. Er versprach, die Gründe nachzuliefern. Zugleich verteidigte der 62-Jährige, der 2007 als Amtschef des Innenministeriums mit den Aktendossiers in Berührung gekommen war, auch die Ermittlungen gegen Skroch wegen Verfolgung Unschuldiger.
Wie auch der gestern angehörte Ex-Chef der Dresdner Staatsanwaltschaft, Henning Drecoll, .gab Fleischmann deutlich zu verstehen, dass an den Vorwürfen gegen die Juristen nichts dran sei. Drecoll allerdings wurde schon im Herbst 2007 pensioniert und erinnerte sich in seiner vierstündigen Vernehmung gestern nicht mal mehr genau an seine damaligen Besuche im Landesamt für Verfassungsschutz. Dabei hatte der 71-Jährige zur Vorbereitung seiner Aussage, wie er auf Anfrage von Grünen-Obmann Johannes Lichdi freimütig ausplauderte, extra mit seinen früheren Dresdner Kollegen Wolfgang Schwürzer, im Dezember Zeuge, und Christian Avenarius sowie mit Fleischmann telefoniert. Der Grund: Sonst hätte er dem Ausschuss noch weniger erzählen können.
Tino Moritz