Sächsische Zeitung, 08.11.2013
Sachsen LB: 190 Millionen Euro für den Freistaat?
Das Landgericht Leipzig entscheidet am Freitag über eine Schadenersatzklage gegen die Ex-Chefs der Sachsen LB.
Wenn Conny Schröpfer, Vorsitzende Richterin am Landgericht Leipzig, am Freitag Vormittag die Entscheidung ihrer 8. Zivilkammer verkündet, dürfte nicht nur auf der Beklagtenbank die Luft angehalten werden. Auch im Finanzministerium und der Staatskanzlei wird man gespannt auf das Ergebnis des Verfahrens mit dem Aktenzeichen 8 O 3757/10 warten. Dahinter verbirgt sich nicht weniger als eine 190 Millionen Euro schwere Schadenersatzklage des Freistaates Sachsen gegen ehemalige Vorstände der inzwischen von der baden-württembergischen LBBW übernommenen Landesbank Sachsen (Sachsen LB).
Der Freistaat hatte gegen den früheren Vorstandschef Michael Weiss und seine Vorstandskollegen Rainer Fuchs, Hans-Jürgen Klumpp und Gerrit Raupach Organhaftungsklagen eingereicht. Sie sollen für riskante Finanzgeschäfte verantwortlich sein, die während der Finanzkrise beinahe zum Zusammenbruch der Sachsen LB geführt hatten. Auf der Beklagtenbank nehmen heute indes nur die Anwälte von drei Ex-Vorständen Platz. Der seinerzeit für das Firmenkunden- und Immoblienkreditgeschäft zuständige Gerrit Raupach hatte bereits im Juli einen Vergleich mit dem Freistaat abgeschlossen. Er werde einen „nicht unerheblichen Teil“ seines Vermögens als „persönlichen Beitrag“ an den Freistaat zahlen, hieß es. Wie viel genau der Banker, der heute Vorstandsmitglied der Essener Valovis-Bank ist, aus seiner Privatkasse beisteuern muss, darüber haben beide Seiten jedoch Stillschweigen vereinbart.
Die sächsische Landesbank war im Sommer 2007 durch hochriskante Auslandspapiere in Schieflage geraten und konnte nur durch einen Notverkauf an die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) gerettet werden. Allerdings: Der Freistaat haftet noch über Jahre für Ausfälle – im schlimmsten Falle mit bis zu 2,75 Milliarden Euro. Mehr als eine Milliarde Euro wurde bereits gezahlt.
Für Bernd Brinkmann, Anwalt des Ex-Vorstandschefs Michael Weiss, ist es schwer nachvollziehbar, dass sein Mandant mit in Verantwortung genommen werden soll. Weiss hatte die Sachsen LB von 1992 bis 2005 geleitet, musste dann aber ebenso wie Rainer Fuchs wegen einer Affäre um Vetternwirtschaft und Missmanagement gehen. Ministerpräsident Georg Milbradt höchstselbst hatte den Rücktritt der Banker damals im Landtag verkündet.
Hohe Erwartungen, hohes Risiko
Zwar habe, argumentieren Brinkmann und die anderen Anwälte, der Vorstand unter Michael Weiss die Gründung der Sachsen LB-Tochter im irischen Dublin und die Geschäfte mit US-Hypothekenmarktkrediten durchaus ins Rollen gebracht – unter großem politischem Druck und der stets pointiert vorgebrachten Erwartung hoher Gewinnausschüttungen. Dass sich die Hypothekenmarktkredite und andere Investments in der Finanzkrise ab 2007 aber als Geldverbrennungs-Instrument entpuppten, sei ihnen nicht mehr zuzuschreiben.
Die Argumentation des Finanzministeriums geht dagegen verkürzt so: Bei den Geschäften in Dublin habe es sich von Anfang an erkennbar keineswegs um ein marktübliches und gefahrloses Modell gehandelt. Deshalb seien die Engagements durchaus ihren Initiatoren anzulasten. Gleichwohl klagt der Freistaat auch gegen die ehemaligen Sachsen LB-Vorstände Herbert Süß und Stefan Leusder, die dem Vorstand um Michael Weiss folgten – auch bei ihnen geht es um eine Schadenersatzforderung von 190 Millionen Euro.
Ob tatsächlich Geld fließen wird – und wie viel – dürfte auch nach der Entscheidung von Conny Schröpfer vorerst offen bleiben. Beobachter rechnen damit, dass das Verfahren in die nächste Instanz geht, wenn es einen klaren Verlierer gibt – entweder den Freistaat oder die ehemaligen Vorstände. Hinter den Kulissen hatte es nach SZ-Informationen daher durchaus Annäherungsversuche gegeben, die aber bei Michael Weiss, Hans-Jürgen Klumpp und Rainer Fuchs nicht in konkreten Vergleichsgesprächen mündeten.
Parallel zu den Schadenersatz-Streitigkeiten sollen insgesamt sieben Ex-Vorstände der Sachsen LB auch strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Bereits 2011 hat die Staatsanwaltschaft Leipzig Anklage gegen drei ehemalige Vorstände erhoben, im März dieses Jahres gegen vier weitere. Der Vorwurf: Untreue im besonders schweren Fall sowie unrichtige Darstellungen in Jahresabschlüssen und Lageberichten.
Bei beiden Anklagen, sagt Landgerichts-Sprecher Hans Jagenlauf, gebe es von der zuständigen Kammer aber noch keine Entscheidung über eine Eröffnung des Verfahrens. Sie sei momentan auch „nicht absehbar“. Als Grund nannte Jagenlauf die „mehr als umfangreiche Anklage“ und den „großen Umfang“ des Aktenmaterials. Dem Vernehmen nach soll es sich mittlerweile um mehr als 11.000 Aktenordner handeln.
Von Lars Radau