spiegel-online, 16:18 Uhr, 25.12.2013
NPD-Schlammschlacht: Parteifreund legte Holger Apfel Selbstmord nahe
Holger Apfel hat die NPD verlassen. In einer Erklärung spricht er von einer persönlichen Hasskampagne gegen ihn - er sei sogar aufgefordert worden, eine Pistole gegen sich selbst zu richten. Die Häme gegen den ehemaligen Spitzenfunktionär ist groß.
Hamburg/Dresden - Der Druck von den eigenen Kameraden ist offenbar zu groß geworden: Ex-Parteichef Holger Apfel ist aus der NPD ausgetreten - nach 24 Jahren Mitgliedschaft. Er kommt damit einem drohenden Parteiausschlussverfahren zuvor. In der Führung hatten viele darauf gehofft, dass Apfel diesen aus Sicht vieler Anhänger notwendigen letzten Schritt bald vollziehen würde.
Zu schwer wiegen die Vorwürfe gegen den Ex-Spitzenfunktionär, der im Sommer einen Kameraden, Anfang 20 Jahre und NPD-Mitglied, auf einer Wahlkampftour belästigt haben und sich darüber hinaus bereits seit Jahren erpressbar gemacht haben soll, wie es hieß. Die Glaubwürdigkeit der rechtsextremen Partei ist vor dem wichtigen Wahljahr 2014 schwer beschädigt - propagiert sie doch so gern einen "sauberen und korrekten" Lebensstil.
Spott und Häme
Dass Apfel seinen Austritt nun so schnell noch am Heiligabend bekanntgab, damit hatte wohl dann doch kaum einer gerechnet. Schließlich hatte sich der Rechtsextremist in den vergangenen 20 Jahren fast ausschließlich für die Partei engagiert: Apfel hatte die Leitung und Chefredaktion des NPD-Verlags Deutsche Stimme inne, war Landeschef in Sachsen, führte seit 2004 die Fraktion in Dresden und übernahm nach Jahren als Bundesvize 2011 das Amt des Parteichefs.
Doch die Häme der einstigen Kameraden, die nicht zuletzt seit den Vorwürfen massiv gegen Apfel Stimmung machen, waren für den 42-Jährigen vermutlich zu viel. Das legt die persönliche Erklärung des ehemaligen Spitzenkaders nahe, in der er von Grabenkämpfen und Hasskampagnen gegen sich spricht. Darin beklagt er, dass ein Funktionsträger ihn zuletzt bei Facebook sogar zum Selbstmord aufgefordert habe. Dabei soll es sich nach Angaben des Blogs Publikative.org um einen ehemaligen NPD-Bundestagskandidaten aus Sachsen-Anhalt halten. Dieser postete, wie ein Screenshot zeigt: "Der einzige Rat, den ich dem geschiedenen NPD-Parteivorsitzenden Holger Apfel auf den Tisch legen würde, besteht aus einer Pistole und exakt einer Patrone! M." Auch ein hochrangiger Spitzenfunktionär klickte "Gefällt mir".
Zu viel Alkohol
In seiner Erklärung greift Apfel aber nicht nur die einstigen Kameraden, sondern auch das Präsidium an, das die von ihm angeführten "Krankheitsgründe" für seinen Rücktritt als offenbar nur "einen Teil der Wahrheit" bezeichnet hatte. In der Mitteilung der Parteispitze nach einer Krisensitzung hatte es zudem geheißen, Apfel habe "weitergehende Vorwürfe, die Verfehlungen in der Vergangenheit betreffen", nicht entkräftet, er solle einen umfangreichen Fragenkatalog beantworten.
Diese Mitteilung der Spitze habe nur mehr Fragen als Antworten aufgeworfen, kritisiert Apfel, der alle Vorwürfe gegen ihn bestreitet. Der Rechtsextremist gibt nun an, er habe an dem betreffenden Abend vor vier Monaten, an dem ihm vorgeworfen wird, den Ordner unsittlich berührt zu haben, zu viel Alkohol getrunken und keine Erinnerungen mehr an die Ereignisse. Zudem liegt eine Erklärung des ehemaligen DVU-Vorsitzenden Matthias Faust vor, der angibt, den ganzen Abend mit Apfel verbracht zu haben.
Parteiloser Abgeordneter
Der Ex-Vorsitzende wird nun bis Ende der Legislatur parteiloser Abgeordneter im sächsischen Landtag bleiben - am 31. August wählt der Freistaat ein neues Parlament. Dann wird Apfel wohl gänzlich aus der Politik ausscheiden.
Auf dem Szeneportal "Altermedia" wird er auch nach seinem Rückzug weiter massiv angegangen. Ein User erklärte zur Tatsache, dass Apfel sein Landtagsmandat nicht an die Partei abtritt: "Na ja, wir haben ihm ja wenigstens ab dem 55. Lebensjahr eine anständige Altersversorgung besorgt." Ein anderer: "Ist doch die beste Nachricht des Jahres!!! Wurde auch Zeit, dass wir diesen faulen 'APFEL' endlich los sind."
Doch die Vorwürfe gegen den Ex-Parteichef bleiben bestehen - zumal sie von einem NPD-Anhänger stammen. Die Führung will Apfel deshalb Anfang des Jahres ihre Fragen zustellen, wie es am Mittwoch hieß. Dass der Rechtsextremist die beantworten wird, gilt als kaum wahrscheinlich. So schnell wird die NPD, ohnehin finanziell und personell angeschlagen, ihr Apfel-Problem also nicht los.
Von Christina Hebel