DNN/LVZ, 07.01.2014
Gillo sucht eine neue Herausforderung
Ausländerbeauftragter kündigt Rücktritt an - in der CDU werden einige aufatmen
Dresden. Nach zwölf Jahren in der Politik kündigt Sachsens Ausländerbeauftragter Martin Gillo (68) seinen Rückzug an. In seiner Partei werden einige aufatmen. Gegenüber der LVZ erklärt der CDU-Politiker, was er künftig vorhat.
Martin Gillo ordnet die Menschen gern in zwei Gruppen ein. Die Pioniere, die neue Wege gehen, und die Farmer, die ein bereitetes Feld kontinuierlich bearbeiten. Dem 68-Jährigen selbst liegt mehr die Rolle des Wegbereiters. "Ich habe mir immer wieder neue Aufgaben gesucht und mit viel Herz daran gearbeitet", erklärt der Psychologieprofessor seine Rolle. Deshalb sei es jetzt wieder Zeit für einen Umbruch. Bei der Wahl Ende August wird sich Gillo nicht mehr um ein Landtagsmandat bemühen, zweimal hatte er den Wahlkreis 20 in der Region Freiberg an der Grenze zu Tschechien gewonnen. 2009, zu Beginn der laufenden Wahlperiode, wählte ihn der Landtag zum Ausländerbeauftragten.
Schon damals habe er ans Aufhören am Ende der fünfjährigen Parlamentsperiode gedacht. "Wenn der Boden bereitet ist, ist es ein guter Anlass zu gehen." Das habe er auch bei seinem Wechsel vom Geschäftsführer im Halbleiterkonzern AMD in die Politik so gehalten. 2002 war er nach einem Anruf von Georg Milbradt, der gerade Kurt Biedenkopf (beide CDU) als Ministerpräsident beerbt hatte, binnen weniger Tage auf dem Sessel des Wirtschaftsministers gelandet. 22 Jahre war er zuvor in den USA, in Genf und in Dresden für den Elektronik-Riesen tätig gewesen. Mit dem Verlust der absoluten Mehrheit der CDU in Sachsen musste Gillo zwar sein Ministeramt an den Koalitionspartner SPD abgeben, als direkt gewählter Abgeordneter saß er seit 2004 jedoch im Landtag. Scheut der Vorreiter nun die Mühen der Ebene?
"Ach, Sie wissen ja gar nicht, wie schwer es ist, Pionier zu sein", sagt er lachend und spricht vom Ärger mit vielen Leuten, in deren Augen er alles "durcheinander rüttelt".
Gillo führte einen Heim-Tüv gegen Missstände in Unterkünften von Asylbewerbern in den Landkreisen ein. Bei den zuständigen Landräten, allesamt in der CDU, machte er sich damit wenig Freunde. Gillo spricht viel vom Ausbau der Willkommensgesellschaft in Sachsen und von der Gleichheit der Religionen ("Gott hat viele Namen"). Damit überfordert er wohl manchen Parteifreund, ist in "konservativen Kreisen der Partei nicht unumstritten", wie ein Abgeordnetenkollege vom Land einschätzt. Der Ex-Manager sei bisweilen sprunghaft gewesen, habe sein Umfeld vor vollendete Tatsachen gestellt, sagt ein anderer. Niemand hat jetzt versucht, ihn zu halten. Am Freitag wird die CDU Mittelsachsen einen neuen Direktkandidaten aufstellen. "Gegenwind" lässt Gillo jedoch nicht als Rückzugsgrund gelten. "Das ist doch die Bestätigung, dass man auf dem richtigen Weg ist", sagt der Mann mit dem deutschen und dem amerikanischen Pass, der sich nicht zur Ruhe setzen wird.
Nach seiner Amtszeit will er sich für ein "Zentrum für Religionspluralismus" einsetzen, "idealerweise in Dresden". Stiftungen könnten das Zentrum unterstützen, schwebt dem gebürtigen Leipziger vor, der mit seiner Frau in der Landeshauptstadt gerade eine Wohnung gekauft hat. Die Abgrenzung zwischen den Glaubensrichtungen müsste überwunden werden. "Sonst riskieren wir Zustände wie im Libanon." Und auch die Atmosphäre für Zuwanderer in Sachsen liegt ihm weiter am Herzen. In Schulen - bei Kindern und Lehrern - sowie in Unternehmen könnten Migranten für mehr Weltoffenheit sorgen und ein Ausländerbeauftragter mit größeren Ressourcen dies noch besser begleiten.
Damit stößt Gillo sogar bei den Gewerkschaften auf Zustimmung, die seine Zeit als Wirtschaftsminister aufgrund "arbeitgebernaher Positionen" in unguter Erinnerung haben. "Als Ausländerbeauftragter hat er viele positive Akzente gesetzt", sagt DGB-Vizechef Markus Schlimbach: "Der Nachfolger wird es nicht leicht haben."
Von Ingolf Pleil