Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 13.01.2014

Sturmtief über Frankenberg - Die SPD wählt auf einem turbulenten Parteitag ihre Kandidaten für die Landtagswahl. Nun gibt es einen Rücktritt.

 
Bis zum frühen Sonnabendnachmittag war die Welt für die sächsische SPD noch in Ordnung. Mit 89 Prozent der Delegiertenstimmen wählte der Landesparteitag in Frankenberg Parteichef Martin Dulig zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl. Es gab Beifall, Blumen und Umarmungen für den 39-Jährigen.

Zehn Stunden später fuhren viele Sozis aus kleineren Kreisverbänden wutentbrannt nach Hause. „Manche Wege finden auch mal ein Ende. Für mich ist es Zeit für eine Zäsur“, schrieb Thomas Jurk, Bundestagsabgeordneter und Kreisvorsitzender in Görlitz, auf seiner Facebook-Seite. Tränenausbrüche und emotionale Wortgefechte am Rande der Delegiertenkonferenz waren die Reaktion auf einen überraschend hart geführten Kampf hinter den Kulissen um die vorderen Listenplätze.

Bis zu diesem Parteitag war die Sachsen-SPD in ganz guter Stimmung. Eine Umfrage sah die Partei, die bei Landtagswahlen bisher schwach abgeschnitten hat, bei 17 Prozent, und die Bild-Zeitung beschrieb Dulig vor wenigen Tagen als „Mister Cool“ mit Fotos wie aus einem Modemagazin. Eitel Sonnenschein herrschte im Kulturforum in Frankenberg auch noch bei den Wahlen für die Listenplätze zwei bis sechs. Die frühere Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (Dresden), SPD-Generalsekretär Dirk Panter (Leipzig), Petra Köpping (Leipzig), Stefan Brangs (Bautzen) sowie Hanka Kliese (Chemnitz) wurden ohne Gegenkandidaten und mit Ergebnissen von über 80 Prozent gewählt. Da die SPD-Kandidaten bei der Landtagswahl kaum eine Chance haben, Wahlkreise gegen die CDU-Konkurrenten zu gewinnen, entscheidet der Platz auf der Landesliste darüber, wer in den Landtag einzieht.

Dulig hatte dem Parteitag eine Liste präsentiert, die vor allem regionale Ausgewogenheit berücksichtigen musste. Auf Platz sieben hatte er Mario Pecher gesetzt, finanzpolitischer Sprecher der Landtagsfraktion und Mitglied des Kreisverbands Zwickau. Doch interne Absprachen zwischen Delegierten aus Dresden und Leipzig verhinderten, dass Duligs Plan aufging. Albrecht Pallas, Kripo-Beamter und Dresdner Kommunalpolitiker, bewarb sich ebenfalls um Platz sieben und setzte sich mit 42 zu 38 Stimmen durch. Nicht einmal Duligs persönliche Bitte an die Delegierten, Pecher zu wählen und damit dieser Region einen Platz zu sichern, konnte die Niederlage verhindern.

Pecher kandidierte dann nach hektischen Verhandlungen der Genossen auf den Gängen um Platz 15 – kein guter, aber je nach Ausgang der Landtagswahl auch kein völlig aussichtsloser Platz. Dulig hatte eigentlich den Dresdner Oberstaatsanwalt und früheren Behördensprecher Christian Avenarius für diesen Platz vorgesehen. Ein Überraschungscoup, der nicht jedem in der Dresdner SPD gefiel. Avenarius erklärte sich daraufhin zum Rückzug bereit. Es sei ihm eine Ehre gewesen, von Dulig so prominent platziert worden zu sein, aber innerparteiliche Solidarität bedeute für ihn, nicht eine ganze Region von der Parteiliste auszugrenzen, sagte er.

Er wolle nun auf Platz 19 kandidieren, kündigte Avenarius an, aber auch daraus wurde nichts. Denn der Kreisverband Görlitz wäre ohne einen halbwegs aussichtsreichen Listenplatz nach Hause gegangen, wenn Avenarius nicht ein zweites Mal und damit komplett auf einen Listenplatz verzichtet hätte. Dafür steht nun der Dresdner Rechtsanwalt Harald Baumann-Hasske auf Platz 16 – ebenfalls entgegen dem ursprünglichen Vorschlag Duligs.

Thomas Jurk, früher selbst SPD-Landesvorsitzender und Ex-Wirtschaftsminister, kündigte gestern seinen Rücktritt als Kreisvorsitzender in Görlitz an. „Wir können so nicht weitermachen“, sagte er der SZ. Die Dresdner Kreisvorsitzende Sabine Friedel hätte ihn vor dem Parteitag informieren müssen, was sie vorhabe. Es sei in Frankenberg nicht um politische Differenzen gegangen, sondern um eine unerträgliche Demonstration von Macht und Stärke, kritisierte Jurk. Auseinandersetzungen werden auch im Dresdner Kreisverband erwartet. Eva-Maria Stange hatte Friedel bereits am Rande des Parteitags aufgebracht und unter Tränen zur Rede gestellt.

Parteichef Dulig steht nun vor der Aufgabe, seine Niederlage wegzustecken, die Gemüter zu beruhigen und den kleinen, aber zerstrittenen Landesverband noch rechtzeitig in den Wahlkampfmodus zu bringen. Die SPD sei eben eine lebendige Partei, sagte er in Frankenberg.

Von Karin Schlottmann

Karl Nolle im Webseitentest
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