Agenturen dpa, 15:16 Uhr, 24.01.2014
Blockaden gegen Neonazis: Anwalt rügt Gericht wegen Untätigkeit
Still ruhen die Akten. In Sachsen wartet seit Monaten ein Politiker der Linken auf eine Reaktion der Justiz. Doch bislang ist weder ein Prozess noch eine Einstellung der Ermittlungen in Sicht.
Dresden (dpa/sn) - Sachsens Justiz hat noch immer Teilnehmer von Protesten gegen Neonazis im Februar 2011 im Visier. Doch die Mühlen der Justiz mahlen langsam. Nach der Staatsanwaltschaft hat sich nun auch das Amtsgericht Dresden eine «Verzögerungsrüge» eingehandelt. Darüber informierten am Freitag der Linke-Landtagsabgeordnete Falk Neubert und sein Anwalt André Schollbach. Neubert hatte damals an einer Sitzblockade gegen Neonazis teilgenommen.
Bei den Protesten gegen den jährlichen Aufmarsch von Neonazis in Dresden war es am 19. Februar 2011 zu Gewaltexzessen gekommen. An der Stelle, an der Neubert mit Hunderten anderer Demonstranten eine Kreuzung blockierte, blieb es aber friedlich. Sachsens Justiz wertet Blockaden genehmigter Neonazi-Aufmärsche als Verstoß gegen das Versammlungsgesetz und somit als Straftat. Neubert erhielt deshalb einen Strafbefehl, legte aber Einspruch dagegen ein.
«Ich bin überzeugt, dass mein Handeln vom Grundgesetz gedeckt und nicht strafbar war», bekräftige der 39-Jährige am Freitag. Von der Justiz verlangt er entweder einen Prozess oder die Einstellung des Verfahrens ohne Auflagen. Schollbach vermutet einen politischen Hintergrund. Bei Neubert würden die Mühlen der Justiz auffällig langsam mahlen. Der Anwalt befürchtet, dass Neubert nun kurz vor der Landtagswahl im September der Prozess gemacht wird und sich damit seine Erfolgsaussichten verringern könnten.
Die Staatsanwaltschaft Dresden wies das entschieden zurück. «Der Vorwurf ist nicht nur falsch; die Behauptungen lassen vielmehr erkennen, dass der Beschuldigte selbst den Versuch der Instrumentalisierung eines Strafverfahrens für den politischen Wahlkampf unternimmt», sagte Lorenz Haase, Sprecher der Dresdner Staatsanwaltschaft, auf dpa-Anfrage.
Haase zufolge ist die Staatsanwaltschaft Dresden von Anbeginn maßvoll gegen friedliche Teilnehmer der Blockade vorgegangen. Alle Beschuldigten hätten zunächst das Angebot zur Einstellung des Verfahrens gegen Geldauflage oder die Leistung gemeinnütziger Arbeit erhalten. Eine große Anzahl der Beschuldigten - 87 Betroffene - seien diesem Angebot auch gefolgt. Schollbach stellte dagegen klar, dass Neubert keine strafrechtlichen Sanktionen im Zusammenhang mit einer Einstellung des Verfahrens akzeptiere.
Zugleich kündigte der Anwalt einen Gang vor das Bundesverfassungsgericht an, sollte das Amtsgericht Dresden den Linkspolitiker verurteilen. «Die Staatsanwaltschaft Dresden ist sich im Klaren, dass sie sich bei der strafrechtlichen Verfolgung friedlicher Demonstranten auf dünnem Eis bewegt», zeigte sich der Anwalt überzeugt. Die Verzögerungsrüge sei keinesfalls nur «für die Akten» wichtig, sondern spiele auch bei der Strafzumessung oder möglichen Schadenersatzansprüchen eine Rolle.
Autor: Jörg Schurig
dpa jos yysn z2 nw
241516 Jan 14