Freie Presse Chemnitz, 06.02.2014
Sachsensumpf: Streit unter sächsischen Top-Juristen
In den Ermittlungen zur "Sachsensumpf"-Affäre waren sich Juristen nicht immer grün. Lag es auch am Postengerangel?
Dresden - Die zwei Dresdner Staatsanwälte müssen am Abend des 12. Februar 2008 ziemlich irritiert gewesen sein. Jedenfalls fertigten sie gleich am nächsten Tag einen ausführlichen Vermerk über ihr Telefonat vom Vorabend mit dem damaligen Vizepräsidenten am Amtsgericht Dresden, Michael Wolting, an. Der führte seinerzeit die disziplinarrechtlichen Ermittlungen gegen einen sächsischen Spitzenjuristen. Dieser war kurz zuvor durch Berichte über eine Aktensammlung des Verfassungsschutzes in den Verdacht geraten, in den 1990er Jahren Teil eines "kriminellen Netzwerks" in Leipzig gewesen zu sein und im Rotlichtmilieu verkehrt zu haben.
Die als "Sachsensumpf" in die Landesgeschichte eingegangene Affäre beschäftigt immer noch einen Landtagsuntersuchungsausschuss, vor dem der jetzt 53-jährige Wolting gestern als Zeuge aussagte - und sich auch noch an das fast sechs Jahre zurückliegende "Streitgespräch" mit den Staatsanwälten erinnern konnte. Diese notierten an jenem 13. Februar 2008, dass Wolting nach Auswertung neuer Vernehmungsprotokolle nach eigenem Bekunden "dazu neige, den Angaben der beiden Belastungszeuginnen zu glauben" - im Unterschied zu den wesentlich skeptischeren Ermittlern.
Bei den Frauen handelte es sich um zwei einstige Zwangsprostituierte, die damals Juristen als einstige Freier im Leipziger Minderjährigenbordell "Jasmin" identifiziert hatten, was diese aber umgehend bestritten.
Den Frauen brachte das später eine Verleumdungsklage ein, während die Verfahren gegen die Juristen im Frühjahr 2008 eingestellt wurden. Gleiches passierte schließlich auch mit dem disziplinarrechtlichen Verfahren. Wolting sagte gestern, selbst wenn die Frauen Recht gehabt hätten, wäre es nur um den Vorwurf gegangen, dass Juristen 15 Jahre zuvor in einem Bordell verkehrten - da es für den behaupteten sexuellen Missbrauch von Kindern keine Belege gegeben habe.
Seinen damaligen Meinungsbildungsprozess konnte der Ausschuss allerdings nicht schriftlich nachvollziehen, da die Disziplinarakte inzwischen vernichtet ist. Ein Unding, beschwerte sich gestern Grünen-Obmann Johannes Lichdi. Auch Woltings Abschlussbericht von Mitte 2008 liegt nicht vor - nur ein erster Bericht vom September 2007. Pikant wirkt an dem Fall auch der Umstand, dass Wolting inzwischen Präsident des Amtsgerichts Leipzig ist - ein Posten, den auch der von ihm damals disziplinarrechtlich geprüfte Spitzenjurist haben wollte. Dessen Konkurrentenklage scheiterte später. Wolting selbst schloss auf Nachfrage von Ausschussvize Patrick Schreiber (CDU) einen Zusammenhang aus.
Die sächsische Justiz befasst sich derzeit mit den Ausläufern einer anderen Konkurrentenklage. Laut "Sächsischer Zeitung" prüft die Staatsanwaltschaft Dresden, ob Generalstaatsanwalt Klaus Fleischmann eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben hat. Fleischmann soll Oberstaatsanwalt Wolfgang Schwürzer - einst Chefermittler im "Sachsensumpf" - bei einem Streit um die Besetzung von Spitzenposten beleidigt haben.
Von Tino Moritz