Sächsische Zeitung, 14.02.2014
Sachsen LB - Ex-Landesbanker kommen ungestraft davon
Weil eine Staatsanwältin eine Unterschrift vergaß, wurde das Strafverfahren
gegen zwei Vorstände der Sachsen LB beerdigt.
Manchmal sind es auf den ersten Blick kleine Formalien, die dann erhebliche Sprengkraft entfalten. Eine dieser Formalien kostete 2005 dem Vorstandschef der Landesbank Sachsen (Sachen LB), Michael Weiss, und seinem Vorstandskollegen Rainer Fuchs deren Ämter. In einem erbittert geführten Streit mit einem Unternehmer um die einst gemeinsam gegründete Leasingtochter MDL hatte man in der Sachsen LB schon frohlockt, dass der Minderheitsgesellschafter vergessen habe, eine aktienrechtliche Pflichtmitteilung rechtzeitig abzugeben. Allein: Auch der Bank war dieser Fehler wohl unterlaufen - und man hatte offenbar nachgearbeitet. Nachdem eine Durchsuchung bei der Sachsen LB etliche Indizien geliefert hatte, dass an der Pflichtmitteilung manipuliert worden war, mussten Weiss und Fuchs gehen.
Eine auf den ersten Blick kleine Formalie sorgt nun auch dafür, dass für Michael Weiss und Rainer Fuchs neben der zivilrechtlichen seit gestern auch die strafrechtliche Aufarbeitung des Landesbank-Desasters erledigt ist. Die Staatsanwaltschaft Leipzig hatte im September 2011 Anklage gegen die ehemaligen Landesbanker erhoben — wegen unrichtiger Darstellung der Jahresabschlüsse 2003 und 2004, Untreue und Beihilfe zur Untreue. Ende November 2013 hatte die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Leipzig es allerdings abgelehnt, das Verfahren zu eröffnen. Die Richter hatten ,,keinen hinreichenden Tatverdacht" gesehen. Gegen diesen „Nichteröffnungsbeschluss" legte die Staatsanwaltschaft umgehend Beschwerde beim Oberlandesgericht (OLG) Dresden ein.
Der ehemalige Sachsen-LB-Chef Michael Weiss, der heute auf Zypern lebt, hat ebenso wie sein Kollege Rainer Fuchs allen Grund, entspannt zu sein: Mit dem Desaster der Bank haben die beiden seit gestern sowohl straf- als auch zivilrechtlich nichts mehr zu tun. Auch für ihren Mit-Vorstand und Nachfolger Hans-Jürgen Klumpp stehen die Chancen dafür gut.
Dummerweise hatte die zuständige Staatsanwältin eine Formalie auf dem 18-seitigen Schriftsatz vergessen — ihre eigenhändige Unterschrift. Stattdessen heißt es am Ende nur: „Diese Mitteilung wurde elektronisch erstellt und enthält deshalb keine Unterschrift, wofür um Verständnis gebeten wird." Dieses Verständnis brachte der zuständige OLG-Senat indes nicht auf Mangels Unterschrift sei die Beschwerde „nicht formgerecht innerhalb der Beschwerdefrist eingegangen", entschieden die Richter gestern.
Damit ist der Versuch endgültig gescheitert, Michael Weiss und Rainer Fuchs für das Desaster der Sachsen LB mit in Haftung zu nehmen. Die Bank hatte sich vor allem mit hochriskanten Geschäften mit USHypothekenmarktkrediten verspekuliert, die über eine Tochter in Dublin abgewickelt wurden. 2007 musste sie an die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) notverkauft werden. Dem sächsischen Steuerzahler wird das aller Voraussicht nach eine Rechnung von 2,75 Milliarden Euro bescheren — in dieser Höhe bürgt der Freistaat für die Verluste.
Für Stefan Heinemann und Bernd Brinkmann, die Anwälte, die Michael Weiss und Rainer Fuchs sowohl straf- als auch zivilrechtlich vertreten haben, kommt dieses Ende zwar „durchaus überraschend". Ungerechtfertigt ist es aus ihrer Sicht aber keinesfalls. Brinkmann hatte stets eingeräumt, dass Weiss und Fuchs die Dublin-Aktivitäten der Sachsen LB durchaus angeschoben hätten. Doch das eigentliche Fiasko sei erst weit nach dem erzwungenen Abgang der Manager ins Rollen gekommen — mit der internationalen Finanz krise und Nachfolgern, die den zur Verfügung gestellten Hochleistungs-Sportwagen „mit Vollgas gegen die Wand" gefahren hätten.
An der Wand gelandet ist auch das Strafverfahren gegen die beiden Ex-Banker. Ricardo Schulz, Sprecher der Leipziger Staatsanwaltschaft, betonte gestern, die Behörde sei bezüglich der Unterschrift „nach wie vor anderer Rechtsauffassung". Man müsse aber die OLG-Entscheidung, gegen die keine Rechtsmittel möglich sind, „zur Kenntnis nehmen". Gleichzeitig verwies Schulz drauf, dass gegen einen „dritten Bankvorstand" nach wie vor eine Anklage anhängig sei. Gemeint ist Hans-Jürgen Klumpp, der nach dem Abgang von Fuchs und Weiss kurzzeitig die Geschäfte führte und deshalb die Bilanz für 2004 unterschrieb. Auch er soll sich wegen unrichtiger Bilanzen und Untreue verantworten. Die Erfolgsaussichten für die Eröffnung dieses Verfahrens dürften gestern indes eher nicht gestiegen sein.
Lars Radau