SUPERillu Nr.26/2014, Seite 16, 18.06.2014
Teil 2: Dje Operation Sachsensumpf
Jetzt liegen sie vor, die Abschlussberichte des Untersuchungsausschusses in dem Skandal, der Sachsen in Atem hält. Es geht um die Verwicklung hoher gesellschaftlicher Kreise in kriminelle Netzwerke - ein Sumpf, der offenbar nicht trockengelegt werden kann. Ein SUPERillu-Exklusivreport
So berichtete SUPERillu in der Ausgabe vorn 12. Juni. Beim „Sachsensumpf geht es um ein Netzwerk mit mafiösen Strukturen, um Kinderprostitution, Mord, Geldwäsche, Immobiliendeals
Die Wende sollte für Ostdeutschland mehr Rechtsstaatlichkeit bringen. Im Schatten der neu gewonnenen Freiheit entdeckten aber auch italienische Mafia-Clans das Neuland als lohnenden Markt für schmutzige Geschäfte. Immobilienbetrüger scheffelten Millionen. Kriminelle Zuhälter zwangen Minderjährige zur Prostitution in Bordellen, in denen auch Politiker, Makler und hochrangige Juristen aus Sachsen aus- und eingegangen seih. sollen. Und der Staat soll zugesehen haben, weit weg von den Grundprinzipien rechtsstaatlicher Aufklärung von Straftaten.
Das ist der Stoff, aus dem der „Sachsensumpf" entspross. Jene Affäre, mit der sich seit 2007 ein Untersuchungsausschuss (UA) des Sächsischen Landtages beschäftigt und der jetzt mit den Abschlussberichten der Fraktionen zu seinem Ende kommt.
Der eigentliche Anstoß zur Affäre kam übrigens vom damaligen CDU-Innenminister Albrecht Buttolo, der am 5. Juni 2007 die Öffentlichkeit mit einer dramatischen Brandrede im Landtag über ein Mafia-Netz aus Politikern, Juristen und Immobilienhändlern aufschreckte. Er forderte, wie alle anderen Parteien auch, rückhaltlose Aufklärung der kriminellen Affäre, die inzwischen in der Öffentlichkeit „Sachsensumpf" genannt wurde, auch wenn er kurz darauf zurückruderte. Doch diese Aufklärung hat, nach der festen Überzeugung der Oppositionsparteien Linke, SPD und Grüne, nicht stattgefunden.
Wie SUPERillu exklusiv vorab erfuhr, heißt es in einem ersten Entwurf des Abschlussberichtes der Opposition: „Durch Versäumnisse und Fehlentscheidungen sowie ein politisches Klima der Abwiegelung und Selbstrechtfertigung der Staatsregierung ist eine rechtsstaatliche Aufklärung der möglichen Existenz ,korruptiver Netzwerke in Sachsen im Ergebnis verhindert worden.
Stattdessen wurde zur Verschleierung eben dieser Tatsache ein regelrechtes Szenario entwickelt, in dem nicht davor zurückgeschreckt wurde, nunmehr auf der Aufklärerseite einzelne Menschen in ihrer beruflichen und sozialen Stellung regelrecht zu vernichten." Und weiter: „Es haben sich ernstzunehmende Indizien ergeben, die auf Verbindungen von Erscheinungen organisierter Kriminalität und Politik, Justiz- und Sicherheitsbehörden sowie Wirtschaft hindeuten."
Grundlage für den Verdacht der Verstrickungen, von denen SUPERillu in der letzten Ausgabe detailliert berichtete, war eine mehr als 15 000-seitige Materialsamm-
„Die Aufklärung wurde verhindert”
Klaus Bart!, Die Linke. Chef im UA
lung des sächsischen Verfassungsschutzes. Auf Anweisung der Regierung hatten die Referatsleiterin für Organisierte Kriminalität, Simone Henneck, heute Skroch, und ihre zwölf Mitarbeiter von 2003 bis 2006 die Informationen über Kinderbordelle in Leipzig und verdächtigte Kunden aus Justiz und Wirtschaft, über die italienische Mafia im Freistaat, kriminelle Machenschaften von Rockerbanden und korrupte Polizeiführer aus diversen Quellen zusammengetragen, wie das Geheimdienste nun einmal tun. Doch diese Fleißarbeit fiel und fällt der Verfassungsschützerin kräftig auf die Füße.
Die Verfassungsschützerin als Sündenbock: Simone Skroch, früher Henneck, 54, war Leiterin des Referats für Organisierte Kriminalität beim Verfas sungsschutz, wird von der Regierung jetzt als übereifrige Fantastin disqualifiziert
Die CDU/FDP-Koalition im Untersuchungsausschuss kommt in ihrem Bericht
nämlich zu dem Schluss, dass es „dieses angebliche kriminelle Netzwerk nie gegeben hat", so Christian Piwarz, 38, Sprecher der CDU-Fraktion im UA, zu SUPERiIIu. Der „Sachsensumpf" habe keinen realen Hintergrund, sondern sei eine Legende, die aus den Akten des Verfassungsschutzes gestrickt wurde.
„Wir haben keine Belege gefunden, dass nur irgendetwas von dem, was dort behauptet wird, stichhaltig ist", so Piwarz. Die Fraktion sei sogar zu der Auffassung gekommen, dass Simone Skroch sich einiges von dem, was in den Akten steht, ausgedacht habe. Christian Piwarz: „Warum sie das getan hat, ist schwer zu erklären. Der ehemalige Generalstaatsanwalt Klaus Fleischmann sagte mal, Simone Skroch habe sich in ihren Ermittlungen übermäßig engagiert, sich zu sehr hineingesteigert und regelrecht verrannt."
Verfassungsschützer als erfindungsreiche Dichter? Was nicht sein darf, das nicht sein kann? „Das ist doch lächerlich", sagt Ausschussvorsitzender Klaus Bartl zu SUPERillu. „Wäre der ganze Sachsensumpf allein das Werk einer Verfassungsschützerin, wäre das doch ein Armutszeugnis für den Freistaat."
„Frau Skroch hat nur gesagt, was wahr ist"
Dr. Thomas Giesen, Rechtsanwalt
Wer ist diese Frau, die von der CDU/ FDP-Koalition zum Bauernopfer der Affäre gemacht wird? Die politisch unbelastete DDR-Staatsanwältin leitete nach der Wende die Kriminaldirektion in Freiberg. Als kompetente Fachfrau wurde sie ins Landesamt für Verfassungsschutz nach Dresden berufen, führte dort von 2003 bis 2006 das Referat für Organisierte Kriminalität. Unter ihrer Leitung entstand die Materialsammlung, immer mit den Vorgesetzten abgestimmt.
Simone Skrochs Rolle als Sündenbock wundert ihren Dresdner Strafverteidiger,
Dr. Thomas Giesen, 67, selbst seit 50 Jahren in der CDU, keineswegs.
Wenn die sächsische CDU etwas zugeben wollte von dem, was meine Mandantin sammeln musste, und wie politisiert und unfair man später die Ermittlungen gegen sie geführt hat, müsste die CDU doch alles aufarbeiten, was sie in der Innen-und Justizpolitik von Anfang an verbockt hat."
Es laufen bis heute mehrere Verfahren gegen Simone Skroch. Eines wegen Falschaussage im UA. „Da hat meine Mandantin nur gesagt, was wahr ist", so ihr Anwalt.
Zudem sei sie wegen Verfolgung Unschuldiger angeklagt. Dabei habe sie lediglich ihre Arbeit gemacht. „Die Anklage hat 132 Seiten, 574 Fußnoten - ein absurdes Konstrukt." Skroch war viele Jahre vom Dienstsuspendiert, lange krank und wird ab Juli in die Abteilung Vermögensfragen in die Landesdirektion abgeschoben. „Sie ist durch all das in einer sehr schweren Situation", sagt ihr Verteidiger
Die Version von CDU / FDP: Patrick Schreiber, CDU, Vize-Chef im Ausschuss: Ein kriminelles Netzwerk hat es nie gegeben. Der "Sachsensumpf" ist eine Legende, die vom Verfassungsschutz gestrickt wurde
Die Version der Opposition Ausschusschef Klaus Bartl, Die Linke: Es gibt ernstzunehmende Indizien für Verbindungen von Politik, Justiz, Wirtschaft und organisierter Kriminalität.
100 Aktenordner mit 15 000 Seiten Material zum "Sachsensumpf" sammelte das Sächsische Landesamt für Verfassungsschutz
Der Untersuchungsausschuss Er tagt im Sächsischen Landtag seit 2007 (4. und 5. Wahlperiode), endet im Juli 2014, besteht aus 19 Mitgliedern. CDU: 9. FDP: 2, Linke: 4, SPD: 2, Grüne:1, NPD:1. In den sieben Jahren fanden 80 Sitzungen statt. 60 Zeugen wurden gehört.
Die Oppositionsparteien im UA meinen, dass es kein Zufall war, dass die Staatsanwaltschaft die schweren Straftaten im Zuge der Affäre „Sachsensumpf" nicht wirklich aufgeklärt habe. Die Ursache sollen Anweisungen von Generalstaatsanwaltschaft und Justizministerium gewesen sein, Ermittlungsakten zu schließen. Ist Sachsen nach der Wende an der Rechtsstaatlichkeit vorbeigeschrammt?
Der endgültige Abschlussbericht soll im Juli im Landtag beraten werden. In der Demokratie entscheidet die Mehrheit. Und die hat die Regierungskoalition CDU/FDP. Das Problem: Die Wahrheit kann mit demokratischer Mehrheit auch totgeschwiegen werden ...
ilka.roxin@superillu.de / joerg.abromeit@superillu.de