DNN/LVZ, 02.07.2014
Sachsen-Sumpf: Opposition spricht von "Bananenrepublik"
SPD, Linke und Grüne sehen schwere Vorwürfe gegen Ermittler durch Untersuchung bestätigt .Staatsanwaltschaft war nie offen"
DRESDEN. Der entscheidende Begriff fällt auf Seite 393. Zwar geizen Linke, SPD und Grüne auch in den vorherigen Passagen ihres Minderheitenvotums zum Zweiten Sachsen-Sumpf-Untersuchungsausschuss nicht mit deutlichen Urteilen. Doch erst kurz vor Schluss fällt der Begriff, der die sächsischen Zustände nach dem Bekanntwerden der Affäre am prägnantesten widerspiegelt: "Bananenrepublik".
Bereits in der vorherigen Legislaturperiode hatte sich das Parlament bemüht, den Sachsen-Sumpf aufzuklären. Das Ergebnis blieb in den Augen der demokratischen Opposition aber hinter den hochgesteckten Zielen zurück. Im zweiten Anlauf haben Linke, SPD und Grüne ihrer Meinung nach Licht ins Dunkel gebracht. Kumpanei, Korpsgeist, aktive Unterlassung und Überforderung stehen demnach im Mittelpunkt des Falls. Der Sachsen-Sumpf ist nach Auffassung der Linksopposition nicht das Geflecht um möglicherweise mit Rotlichtmilieu und Organisierter Kriminalität verstrickte Spitzenjuristen.
"Der Sumpf ist die ... verkrampfte Suche nach Schuldigen ... und die verbissene Abmoderation des öffentlichen Skandals, bei der man selbst die physische und psychische Zerstörung von auserkorenen Schuldigen billigend in Kauf nahm", heißt es in dem Abschlusspapier, das heute vorgestellt wird.
Der Hauptvorwurf, den Linke, SPD und Grüne formulieren, zielt auf das politische System. Nachdem unter anderem die DNN Mitte Mai 2007 über ein mögliches Korruptionsnetzwerk in Sachsen berichtet hatten, sei schon Mitte Juni in der Staatsanwaltschaft, dem Verfassungsschutz sowie im Justizund im Innenministerium die These entwickelt worden, dass die Verdachtsmomente unbegründet sind.
Die Staatsanwaltschaft habe nie ermittelt, ob die Spitzenjuristen wirklich Kunden in einem Leipziger Kinderbordell waren. Noch mehr: "Die nahehegenden Ermittlungsschritte wurden nicht unternommen", sagt Ausschussmitglied Johannes Lichdi (Grüne). "Die Staatsanwaltschaft war zu keinem Zeitpunkt offen. Es gab einen steten Druck aus der Kollegenschaft und aus dem Ministerium." Besonders heftig kritisieren die drei Parteien, mit welcher Härte die Schuld für die Affäre bei leitenden Beamten im Verfassungsschutz und der Polizei gesucht wurde, auf deren Ermittlungen sich die Anschuldigungen stützten. Sie wurden mit strafrechtlichen Schritten verfolgt, ihre Karrieren beendet - teüweise mit gesundheitlichen Schäden.
"Diese Folgen wurden billigend in Kauf genommen, obwohl die Betroffenen als langjährige Beamte der uneingeschränkten Fürsorgepflicht des Freistaates als Dienstherr unterliegen", urteilt das Minderheitenvotum. Zudem habe die Justiz seit vielen Jahren dabei versagt, die beiden Opfer zu schützen und zu rehabilitieren, die im Kinder-Bordell anschaffen mussten. Stattdessen mussten sie sich für ihre Aussagen vor Gericht verantworten. Beide Frauen seien durch die sächsische Justiz nochmals zu Opfern gemacht worden, so Lichdi.
Kai Kollenberg