Lausitzer Rundschau, 01.07.2014
NSU-Skandal -"Wesentliche Informationen vorenthalten" - Opposition will nach der Wahl weiter aufarbeiten
Haben sächsische Behörden gegenüber den Rechtsterroristen versagt? Die Landtagsopposition sieht weiter Klärungsbedarf und will den Skandal um den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) in der nächsten Legislaturperiode weiter untersuchen.
Dresden. Das allerdings ist unwahrscheinlich, denn die Regierungsfraktionen haben bereits ihren Abschlussbericht verfasst. Darin kommen CDU und FDP laut Informationen der RUND-SCHAU zum Schluss, dass "an der Sicherheitsstruktur im Freistaat Sachsen keine Änderungen erforderlich" seien. Das sehen die Nach Obleute von Linken, SPD und Grünen anders. Sie gaben am Montag in Dresden ihr Minderheitenvotum zum dritten Untersuchungsausschuss nach zwei Jahren Arbeit des Landtags bekannt. Ergebnis: Es gibt noch viel Klärungsbedarf.
Nach Ansicht der Linken-Obfrau Kerstin Köditz wäre es früh möglich gewesen, das Terrortrio Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe zu fassen, "und zwar in Sachsen". Doch hier hätten sich die Sicherheitsbehörden in "falscher Zurückhaltung" geübt. Die SPD-Abgeordnete Sabine Friedel schließt aus den Zeugenaussagen und Akten aus dem Untersuchungsausschuss, dass Polizei, LKA und Verfassungsschutz "durch erklärte Nichtzuständigkeit, Unwissenheit und Untätigkeit dazu beigetragen haben, Sachsen zum sicheren Heimathafen des NSU zu machen".
In Sachsen tauchten die drei Terroristen 1998 unter und lebten weitgehend unbehelligt, bis im November 2011 ihr Wohnhaus in Zwickau in die Luft flog. Erst danach wurde den Behörden schlagartig klar, dass das Trio für bundesweit elf ungeklärte Morde an Migranten und einer Polizistin verantwortlich sein könnte, wie auch für mehrere Banküberfälle in der Umgebung.
Der NSU-Skandal hat in Sachsen neben dem Untersuchungsausschuss auch die Parlamentarische Kontroll-Kommission (PKK) beschäftigt. In der Folge bekam Sachsens Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) eine neuen Präsidenten, den aus dem Brandenburger Innenministerium abkommandierten Gordian Meyer-Plath. Trotzdem steht gerade diese Behörde im Zentrum der Kritik. Der Verfassungsschutz habe "der Polizei wesentliche Informationen vorenthalten", sagt Grünen-Obmann Miro Jennerjahn. Er hält es für eine Legende, dass allein das thüringische Landeskriminalamt in Sachen NSU versagt habe. Dort lag die Ermittlungsleitung nach dem Abtauchen von Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos.
SPD-Frau Friedel sieht die Zusammenarbeit von staatlichen Institutionen mit Verfassungsfeinden das Hauptübel auch im NSU-Skandal. "Eine echte Reform in Folge des NSU-Skandals darf sich deshalb um dieses Problem nicht drücken", so Friedel gestern. Köditz verlangt die Abschaffung des Verfassungsschutzes und stattdessen eine "gut aufgestellte Polizei".
19 Landtagsabgeordnete arbeiteten im NSU-Untersuchungsausschuss die missglückten Ermittlungen auf. Dabei stellte sich heraus, dass die Ermittler den Gesuchten einige Male sehr nahe gekommen waren, ohne sie indes zu fassen.
Christine Keilholz