Sächsische Zeitung, 30.01.2014
Linkes Lob für Ingrid Biedenkopf
Ihr Bürgerbüro ist mittlerweile anerkannt. Jetzt findet auch die Linke die Idee der einstigen Landesmutter richtig gut.
Ingrid Biedenkopf kümmerte sich bis 2002 in einem Büro um Nöte der Sachsen. Nun drängt auch die Linke auf ein Büro für Bürgeranliegen im Landtag. Foto: SZ/Gunter Hübner Das Anliegen ist hehr. Schon die Überschrift lautet: „Besser leben in Sachsen“. Dann: „Büro für Bürgeranliegen – unbürokratisch helfen!“ Klingt gut, was der Vorsitzende Rico Gebhardt auf der Facebook-Seite der Linksfraktion im Landtag vorschlägt. Der folgende Passus, wirkt – jedenfalls aus dem Mund beziehungsweise der Tastatur eines Linken – allerdings überraschend.
„Erinnern Sie sich noch an das ‚Büro Ingrid Biedenkopf‘?“, will Gebhardt wissen. Und ergänzt: „Eine unbürokratische Anlaufstelle bei Sorgen mit Ämtern wünschen sich alle, wir machen damit ernst!“
Moment mal: Ein Linkenabgeordneter beruft sich auf Ingrid Biedenkopf? Die Gattin des früheren sächsischen Ministerpräsidenten wurde von der Opposition oft kritisch beäugt. Nach wie vor unbestritten ist ihr soziales Engagement, sei es für die Treberhilfe, den Wiederaufbau der Frauenkirche oder die Multiple-Sklerose-Gesellschaft. 2010 erhielt die langjährige Landesmutter den sächsischen Verdienstorden. Doch Abgeordnete des Linkenvorgängers PDS und der SPD stichelten immer wieder gegen das „Büro Frau Biedenkopf“.
Der Kummerkasten, den Tausende Sachsen ab 1995 für ihre meist telefonisch oder schriftlich vorgetragenen Anliegen nutzten, wurde nämlich durch den sächsischen Landeshaushalt finanziert. Geld gab es für Mitarbeiter, Ingrid Biedenkopf brachte sich ehrenamtlich ein. Das „Büro Frau Biedenkopf“, schrieb der damalige Minister Georg Brüggen (CDU) in einer Stellungnahme für den Landtag, sei „sowohl personell als auch organisatorisch in die Sächsische Staatskanzlei eingebunden“.
Die Linke beklagte aus ihrer Sicht mangelnde Regelungen und drohte mit einer Verfassungsklage. 2001 befasste sich auf Antrag von 15 Abgeordneten – darunter
SPD-Mann Karl Nolle und die heutige Linkenvorsitzende Katja Kipping – der Landtag mit der Sache. Letztlich kam das Parlament zu der Erkenntnis, das Büro sei verfassungsgemäß. Mit dem Rücktritt von Kurt Biedenkopf als Regierungschef schloss es 2002 seine Pforten.
Die Heftigkeit der damaligen Attacken auf den prominenten CDU-Mann – Stichworte Paunsdorfcenter und Schevenstraße – ist verblasst. Ist das der Grund, warum die Linke Ingrid Biedenkopfs Wirken quasi lobt? Nicht nur im Statement Gebhardts, auch im 42-seitigen Gesetzentwurf, der heute im Landtag behandelt wird, taucht ihr Name auf. Bei der Einrichtung eines Landesbüros solle an das Modell des Büros von Ingrid Biedenkopf angeknüpft werden, das sich „insbesondere um Bürgeranfragen und soziale Anliegen kümmerte“, heißt es. Nötig sei allerdings eine gesetzliche Grundlage für die Arbeit des Bürgerbeauftragten.
Für Ingrid Biedenkopf dürfte das eine Anerkennung durch die einstigen Gegner bedeuten. Spannend ist, ob die CDU dem Opus der Linken zustimmt.
Von Thilo Alex
Anmerkung Karl Nolle:
Kritik gab es damals an drei nie beantworteten Fragen:
1.) Wie kann eine Privatperson oder Verein eine Aufgabe für den Freistaat wahrnehmen. Wem ist diese verantwortlich? Welche Kompetenzen hat diese? Wer darf/muß die Arbeit überprüfen?
2.) Wem gegenüber muß müssen die erheblichen Einnahmen/Spenden und Ausgaben abgerechnet werden? Oder ist ein Einnahmren/Ausgabennachweis unnnötig?
3.) Wie können die Fragen 1 + 2 bei Verzicht auf unnötige Bürokratie beantwortet werden?