Sächsische Zeitung, 09.09.2014
Kampf um SPD-Chefposten - Christian Avenarius fordert Sabine Friedel heraus.
Dresdens Sozialdemokraten suchen den Weg zur Volkspartei.
Bis kurz nach den Wahlen hielt der Burgfrieden bei Dresdens Sozialdemokraten. Jetzt wird der interne Zoff fortgesetzt. Und zwar mit einer erneuten Attacke auf Dresdens SPD-Chefin Sabine Friedel. Nachdem sich zunächst kein möglicher Nachfolger für den Parteivorsitz gefunden hatte, verkündete Friedel ihre erneute Kandidatur. Wenige Tage vor der Delegiertenkonferenz, bei der sie wiedergewählt werden sollte, hat Friedel doch Konkurrenz.
Christian Avenarius fordert Friedel heraus. Der Oberstaatsanwalt ist im Mai in den Stadtrat gewählt worden und hat bei der Landtagswahl als Direktkandidat mit 19,1 Prozent das beste SPD-Ergebnis geholt. Avenarius gilt als Gegner von Friedels politischer Ausrichtung und ist einer der fünf Verfasser des SPD-internen Briefes „Vom Ich zum Wir“. Darin war Friedel im Mai 2013 offen attackiert worden. Avenarius bestätigte gegenüber der SZ: „Ja, ich habe intern erklärt, um den Vorsitz zu kandidieren. Es ist normal in einer demokratischen Partei, dass es Gegenkandidaturen gibt.“
Den Brief von vor gut einem Jahr hatten neben Avenarius, Eva-Maria Stange als Vize-Chefin der SPD Sachsen, Peter Lames als Fraktionschef im Stadtrat, der damalige DGB-Chef Ralf Hron und Michael Sturm, den Friedel im Januar 2008 nach einer Kampfkandidatur als Stadt-Chef abgelöst hat, unterzeichnet.
SPD tritt auf der Stelle
In dem Brief werfen die Autoren Friedel Defizite im Führungsstil, wie intransparente Entscheidungen und fehlende Versuche, Kompromisse zu finden, vor. Auch das schlechte Abschneiden von Dresdner Kandidaten auf der SPD-Liste für den Bundestag und der Streit bei der Besetzung der Liste für die Landtagswahl werden Friedel angelastet. Letzterer kostete Avenarius einen Platz, der ihn sicher in den Landtag gebracht hätte. Schlechte Wahlergebnisse insgesamt und dass die SPD in Dresden nicht breite Bevölkerungsschichten anspreche, sind weitere Vorwürfe. Die SPD schöpfe unter Friedel nicht ihre Potenziale aus. Tatsächlich kann die SPD in den letzten Jahren nur einen leichten Zuwachs verzeichnen: Bei der Kommunalwahl 2009 holte sie 12,25 Prozent und in diesem Jahr 12,8 Prozent. Von einer Volkspartei ist sie in Dresden, aber auch in ganz Sachsen, weit entfernt.
Auch die Mitgliederzahlen entwickeln sich schleppend. Derzeit hat die SPD in Dresden 806 Mitglieder, das sind lediglich 14 Personen mehr als 2012. Aus den Reihen der Friedel-Kritiker ist von einem Neuanfang die Rede, der mit ihr nicht umsetzbar sei. Dabei gehe es weniger um die Ausrichtung, als vielmehr um zwischenmenschliche Aspekte. Doch insbesondere Avenarius steht eher für den konservativen Flügel der SPD. Friedel dagegen gilt als eher links. Die Verfasser des Briefes kritisieren deshalb auch eine hohe Einflussnahme durch die Jugendorganisation „Jusos“ in der Partei.
Dass Avenarius nun kandidiert, liegt auch daran, dass Lames sich nicht dazu bereiterklärt hat. Eigentlich wollten die Verfasser des Briefes ihn zum Parteichef machen. Friedel hält an ihrer Kandidatur fest: „Ich blicke auf erfolgreiche sechs Jahre zurück und würde gerne weitermachen. Dass es eine Auswahl an Kandidaten gibt, finde ich gut.“ Nachdem sie den Brief erhalten hatte, hat sie zu mehreren Gesprächsrunden eingeladen. Dass die Vorwürfe nicht ausgeräumt seien, sieht sie als zwischenmenschliche Probleme an.
Unklare Positionen
Befürworter von Friedel kritisieren eher den Stil der anderen Seite. Durch viele Entscheidungen stehe die SPD nach außen nicht klar für Positionen. Darin liege auch die Begründung für die wenigen Wähler. So sei es etwa kritisch zu bewerten, wenn die SPD jahrelang die CDU in der Stadt attackiert, dann mit ihr gemeinsam einen Haushalt beschließt und danach mit den Linken eine Kooperation im Stadtrat eingehe. Wofür die SPD stehe, sei dadurch für mögliche Wähler nicht erkennbar.
Am Sonnabend treffen sich die 80 Delegierten der SPD aus den Ortsverbänden der Stadt im Volkshaus am Schützenplatz, um für die kommenden zwei Jahre den Vorsitz neu zu wählen. Sie entscheiden, ob weiterhin Friedel oder Avenarius die SPD in Dresden leiten soll. Weitere Kandidaten haben sich bisher nicht gemeldet.
Von Andreas Weller
Kommentar: Brieffreunde lösen kein Linksproblem
Andreas Weller über den Kampf um den Vorsitz in der SPD
In der SPD rumort es. Das ist wohl normal in einer Partei. Linke, Grüne und CDU haben das auch hinter sich, zum Teil auch noch nicht ganz. Eine Debatte um die Ausrichtung zeigt, dass eine Partei lebt. Gelebt hat die SPD die ganze Zeit, weil sie eben nicht auf allen Ebenen mit Menschen besetzt ist, die in dieselbe Richtung wollen. Deshalb schwelt seit Jahren ein interner Streit.
Da sind die Schmiede des gemeinsamen Haushaltes mit der CDU in der Stadtratsfraktion. Dieses Projekt hat (noch) Parteichefin Sabine Friedel nicht unterstützt und nicht torpediert. Aber sie hat ihre Meinung gesagt und die Zusammenarbeit mit dem sonst zum Feind erklärten Gegner CDU kritisch betrachtet.
Mit Christian Avenarius hat sie nun einen Herausforderer, der politisches Gewicht hat. Er ist ohne Frage anerkannt und beliebt, hat bei Wahlen ganz persönlich gute Ergebnisse für die Partei geholt und ist ein sachlicher Fachmann. Aber er steht für das Konservative in der SPD. Ob die Partei das will, müssen die Delegierten entscheiden. Denn wenn Friedel vorgeworfen wird, linkslastig zu sein, trifft das nur bedingt zu. Sie ist keine Konservative. Aber die SPD hat ein anderes Linksproblem: Denn die Partei die Linke wird hier eher als Volkspartei wahrgenommen und bedient die Klientel, die in den alten Bundesländern SPD wählt.
Ob ein Ruck ins Konservative da hilft, ist schwierig zu beurteilen. Sicherlich kann Avenarius die SPD auch gut führen. Wenn es nicht Friedel sein soll, wäre aber eine Person optimal, die nicht zu den „Brieffreunden“ der Anti-Friedel-Kampagne zählt. Sonst bleibt der offene Konflikt und belastet die Partei.