spiegel online, 16:40 Uhr, 13.10.2014
Streit um ausgeglichenen Haushalt - CDU-General nennt SPD-Vize "rote Null"
Die Suche nach Antworten auf die lahmende Konjunktur sorgt für Ärger in der Koalition. SPD-Vize Stegner stellt den ausgeglichenen Haushalt infrage, der Konter der CDU folgt prompt.
Berlin - Die schwarze Null muss stehen. Und darum reagiert die Union gereizt, wenn jemand die schwarze Null infrage stellt. So wie an diesem Montag der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner. "Wir sollten nicht den Eindruck erwecken, Haushaltskonsolidierung als reinen Selbstzweck zu betreiben", sagte Stegner SPIEGEL ONLINE mit Blick auf die lahmende Konjunktur. Er betonte: "Die schwarze Null ist eben keine sozialdemokratische Null."
Der Konter der CDU folgte prompt - und in bemerkenswerter Deutlichkeit. "Die rote Null ist Herr Stegner", kanzelte Angela Merkels Generalsekretär Peter Tauber den SPD-Vize ab.
Die barsche Replik zeigt: Bei der schwarzen Null versteht die Union keinen Spaß, eine Debatte darüber innerhalb der Koalition will man unbedingt verhindern. Schließlich ist der ausgeglichene Haushalt für das Jahr 2015 das Prestigeobjekt von CDU und CSU, mithin das einzige Projekt, für das die Schwesterparteien im ersten Jahr des schwarz-roten Bündnisses geschlossen und mit Verve eingetreten sind. Ohne Zweifel wäre ein Etat ohne Neuverschuldung ein schöner Erfolg für Kanzlerin Merkel und ihren Finanzminister Wolfgang Schäuble, ein historischer noch dazu. Dieses Ziel aufzugeben, kommt nicht in Frage.
Doch zuletzt wurden Zweifel laut, ob damit die Prioritäten richtig gesetzt sind. Hintergrund ist die lahmende Konjunktur, die inzwischen auch Deutschland erreicht hat. Im August waren Exporte, Industrieaufträge und Produktion so stark eingebrochen wie seit Anfang 2009 nicht mehr. Nach den führenden Forschungsinstituten wird am Dienstag auch Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) eine Prognose vorlegen, die deutlich nach unten korrigiert wurde. Mittlerweile ist nicht einmal ausgeschlossen, dass Deutschland erneut in eine Rezession rutscht.
Merkel und Schäuble wollen Kurs halten
Aus dem Ausland kommt daher die Forderung, Deutschland solle mehr für das Wachstum tun und die Ausgaben erhöhen. Auch Ökonomen warnen: Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und Regierungsberater, wirft Schäuble vor, mit seiner strikten Sanierungspolitik "ein fatales Signal" an die deutsche und europäische Wirtschaft zu senden.
Merkel und Schäuble wollen davon nichts wissen. "Für uns als Bundesregierung, für unser Land, ist ein ausgeglichener Haushalt, wie wir ihn für nächstes Jahr anstreben, von hohem Wert", ließ Merkel ihren Regierungssprecher am Montag ausrichten. Die Regierung werde diesen Kurs beibehalten.
Dafür warb die Kanzlerin auch hinter den verschlossenen Türen von CDU-Präsidium und -Bundesvorstand. Dort wies sie laut Teilnehmern auch Vorwürfe von Experten zurück, dass die Politik der Großen Koalition verantwortlich für den Abschwung sei. Schuld seien vielmehr die außenpolitischen Krisen und die damit verbundene Unsicherheit. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass das neun Milliarden schwere Rentenpaket die Spielräume der Regierung für schlechte Zeiten einengt.
Im Haushalt soll umgebaut werden
Dennoch will Schäuble nicht über neue schuldenfinanzierte Konjunkturprogramme reden. Der Minister will das Wachstum stabilisieren - nur kosten darf es nichts. Also soll im Haushalt umgeschichtet werden, etwa aus den derzeit gut gefüllten Sozialkassen. Auch soll der private Sektor zu mehr Investitionen animiert werden. Eine Möglichkeit wäre die beschleunigte Einbindung von Finanzinvestoren, für die eine Regierungskommission derzeit nach Modellen sucht. Eine andere bestünde in Steuererleichterungen: In ihrem Herbstgutachten wiesen die Wirtschaftsforscher darauf hin, dass die Unternehmenssteuern in Deutschland trotz einer deutlichen Absenkung vor einigen Jahren noch immer im oberen Drittel der Industrieländer liegen.
"Wir haben in Deutschland in den letzten Jahren bewiesen, dass eine solide Finanzpolitik und besseres Wachstum keine Gegensätze, sondern sich notwendig ergänzende Bedingungen sind", verteidigte Schäuble am Montag vor einem Treffen der Euro-Gruppe in Luxemburg seine Linie. "Warum sollten wir das, was in den letzten Jahren erfolgreich war, in einer Zeit, in der das Umfeld schwieriger geworden ist, aufgeben. Das ist wirklich so was von altmodisches Gerede, dass das ein bisschen schade um die Zeit ist."
SPD: Stegner spricht nicht für gesamte Partei
Die SPD bemühte sich, die Wogen im Streit um rote und schwarze Nullen wieder zu glätten. SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi betonte, Parteivize Stegner spreche nicht für die gesamt SPD. "Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es keinerlei Grund, vom Kurs einer schwarzen Null und dem Ziel einer Haushaltskonsolidierung abzuweichen", sagte Fahimi.
Wie die "Frankfurter Rundschau" berichtet, soll es zuvor im SPD-Vorstand Ärger gegeben haben: SPD-Chef Gabriel, der eine Debatte über den Haushalt vermeiden will, sei Stegner für seine Äußerungen hart angegangen, heißt es. Dieser habe sich zur Wehr gesetzt und dafür auch Unterstützung bekommen. Die Diskussion über die schwarze Null scheint noch nicht beendet.
Von David Böcking, Florian Gathmann und Philipp Wittrock