Freie Presse, 11.11.2014
Vom konstruierten Vorwurf gegen Pfarrer nichts mehr übrig - Falsch aussagende Polizisten und schwerhörige Staatsanwältinnen
Der geplante Prozess gegen Lothar König findet nicht statt. Das Verfahren wegen schweren Landfriedensbruchs ist eingestellt.
DRESDEN - Erst in der Vorwoche vergab das Amtsgericht Dresden an Journalisten Sitzplätze im Gerichtssaal, in dem Ende November der Prozess gegen den Jenaer Jugendpfarrer Lothar König neu aufgerollt werden sollte. Doch zu dem Prozess wird es gar nicht mehr kommen. Königs Anwälte meldeten gestern, das Verfahren sei eingestellt, so wie sie es im Sommer 2013 gefordert hatten.
Schweren Landfriedensbruch, Nötigung und Aufrufe zur Gewalt gegen die Polizei hatte die Staatsanwaltschaft dem Pfarrer vorgeworfen, der am 19. Februar 2011 mit seinem Lautsprecherwagen eine Gruppe Jugendlicher aus Jena nach Dresden begleitet hatte, um gegen dort geplante Neonazi-Aufmärsche zu demonstrieren. In Dresden kam es zu chaotischen Zuständen, für die man König einen Teil der Schuld gab.
Die am schwersten wiegenden Vorwürfe, die die Staatsanwaltschaft gegen König erhob, wurden beim Prozess im Vorjahr aber bereits ausgeräumt.
Unter anderem hatte man dem Pfarrer unterstellt, per Lautsprecher aufgerufen zu haben: "Deckt die Bullen mit Steinen ein." Der 60-Jährige bestreitet, den Satz je gesagt zu haben.
Im Prozess wurde der Kronzeuge für diesen Vorwurf, ein 36-jähriger Polizist aus Pirna, regelrecht der Lüge überführt.
Er hatte exakt beschrieben, den Satz aus dem Lautsprecher des an ihm vorbeifahrenden Wagens mit König am Steuer gehört zu haben, und das in exakt jenem Moment, als er selbst mit seiner Abteilung auf einer Brücke zum Wenden ansetzte. Im Prozess legte die Verteidigung überraschend ein vom Dach des Lautsprecherwagens aufgenommenes Video eben dieses Szenarios vor.
Statt Königs Stimme erschallte nur eines aus den Boxen: Musik. Auch andere Bestandteile der Anklage fielen in sich zusammen.
Entweder hatte die Staatsanwältin einen auf Polizeivideos vorhandenen Satz Königs falsch verstanden oder falsch verstehen wollen.
Dass Königs von ihr ins Feld geführter Satz. "Die Berliner Polizisten, die werden piesacken" eigentlich lautete: "Die Berliner Polizisten, die werden okay sein", davon konnten sich Prozessbeobachter während der Vorführung der Polizeivideos im Gerichtssaal selbst überzeugen.
Falsch aussagende Polizisten und schwerhörige Staatsanwältinnen -
König willigte jetzt dennoch ein, die Auflage zu erfüllen, unter der die Staatsanwaltschaft selbst die Einstellung des Verfahrens beantragt hat. Der Pfarrer soll jeweils 1500 Euro an den Freistaat und an den Kirchenbezirk Dresden Mitte bezahlen. Dass er das tut, statt in einem neuen Anlauf auf Freispruch zu drängen, begründete König gestern mit "christlicher Überzeugung". Nach der "langen Phase des Haders" wolle er zum "Rechtsfrieden" beitragen. "Jurisdiktion ist Menschenwerk, das fehlsam ist." Ein "versöhnlicher Abschluss" sei mit seinem "seelsorgerischen Auftrag" besser vereinbar als "Rechthaberei".
Die sächsische Landtagsabgeordnete der Linken, Kerstin Köditz, die den Prozess im Vorjahr mit Solidaritätskundgebungen für König begleitet hatte, urteilte gestern: "Eine zuletzt eines Rechtsstaats nur noch unwürdige Farce" sei endlich abgeschlossen. Die Grünen-Abgeordnete Eva Jähnigen ergänzte: "Der Versuch der Kriminalisierung ist gescheitert." Vom "konstruierten Schuldvorwurf" sei nichts mehr übrig.
JENS EUMANN