Karl Nolle, MdL

zeit.de, 17:36 Uhr, 10.12.2014

CIA-Folterbericht erschüttert Justiz und Politik

 
9/11-Mastermind Khalid Sheikh Mohammed hofft auf Milde, Polens Ex-Präsident Kwasniewski gibt klein bei – der CIA-Folterbericht bringt etliche Akteure in Bedrängnis.

Jahrelang wurde geleugnet, geschwiegen, getäuscht und verheimlicht. Doch nach und nach kommen Details und neue Erkenntnisse über die Verhörmethoden des CIA ans Licht, nachdem der US-Senat seinen Bericht über die systematische Folter durch den Geheimdienst nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 veröffentlicht hat. Auch strafrechtliche Konsequenzen sind nicht auszuschließen, ein Anwalt des Al-Kaida-Chefplaners Khalid Sheikh Mohammed fordert bereits, seinem in Guantanamo einsitzenden Mandanten dürfe nicht länger die Todesstrafe drohen.

Dabei hat Khalid Sheikh Mohammed die Planung der Anschläge vom 11. September 2001 bereits vor Jahren gestanden. Sein Anwalt David Nevin argumentiert jedoch nun: "Es ist nicht legal, menschlich oder fair, jemanden hinzurichten, nachdem man ihn gefoltert hat." Sein Mandant war nach seiner Festnahme 2003 in geheimen CIA-Gefängnissen 183 Mal dem sogenannten Waterboarding unterzogen worden. "Eine reale Hinrichtung von Herrn Mohammed nach 183 Scheinhinrichtungen ist eine grausame und ungewöhnliche Strafe", die gemäß der US-Verfassung verboten ist, sagte Nevin.

Der Fall des Al-Kaida-Chefplaners ist nur ein prominentes Einzelschicksal in einem System, das über Jahre Methode hatte. Zwar hat US-Präsident Barack Obama bereits in der Vergangenheit signalisiert, dass er keine Prozesse und Strafen wolle. Doch die UN, zahlreiche Menschenrechtsorganisationen und Politiker weltweit fordern, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. "Jetzt ist die Zeit zu handeln", sagte der UN-Sonderberichterstatter für Terrorismusbekämpfung und Menschenrechte, Ben Emmerson. Der Senatsbericht belege, dass "systematische Verbrechen und grobe Verletzungen der internationalen Menschenrechtsgesetze" begangen worden seien. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International forderte, jetzt müsse die ganze Wahrheit öffentlich gemacht.

Ehemaliger Präsident Polens gesteht

Über Jahre vermutet, aber nie bestätigt wurde etwa die Existenz von Geheimgefängnissen der CIA in Polen. Jahrelang hatte die dortige Regierung geleugnet, dass auf ihrem Boden Gefangene verhört und gefoltert wurden. Nach Veröffentlichung des US-Senatsberichts räumte der frühere polnische Präsident Aleksander Kwasniewski nun ein, dass der US-Geheimdienst ein Geheimgefängnis betrieben hat.

Polnische Beamte hätten harte Verhörpraktiken oder Folter der dort Inhaftierten nicht autorisiert, sagte Kwasniewski. "Polen hat Schritte unternommen, damit die Aktivitäten in dieser Einrichtung beendet werden und zu einem bestimmten Zeitpunkt sind die Aktivitäten eingestellt worden", sagte er. Er habe den damaligen US-Präsidenten George W. Bush gedrängt, die Operationen zu beenden. Menschenrechtsgruppen gehen davon aus, dass acht Terrorverdächtige in Polen festgehalten wurden, unter ihnen auch Khalid Sheikh Mohammed.

Obama entschuldigt sich für Fehler

"Wenn wir Fehler machen, dann geben wir die auch zu", hatte US-Präsident Barack Obama nach der Veröffentlichung des Berichts am gestrigen Dienstag gesagt. Er versprach, alles in seiner Macht stehende zu tun, damit solche Verhörmethoden nie mehr angewendet werden.

Doch nicht nur die Suche nach den Schuldigen wird mühsam sein, die Aufklärung vielleicht niemals vollständig. Auch der Bericht und dessen Aussagekraft werden bereits unterschiedlich bewertet. Allen voran Mitarbeiter des CIA kritisieren, der Report enthalte "Fehler" hinsichtlich Fakten und Interpretation der CIA-Arbeit und widerspreche "der Realität". Dies erklärte eine Gruppe früherer Agenten auf der Internetseite CIASavedLives.com (Die CIA hat Leben gerettet). Darin heißt es weiter, das CIA-Programm habe auch dabei geholfen, Terrorchef "Osama bin Laden zu finden". Das Weiße Haus und das Justizministerium seien – anders als in dem Bericht dargestellt – von Beginn an eingebunden gewesen.

Auch der amtierende und ehemalige Chefs des US-Geheimdiensts verteidigten die Arbeit ihrer Agenten: Ex-CIA-Chef George Tenet erklärte, der damalige Präsident Bush habe das Programm geleitet, die Kongressführung sei unterrichtet worden. Hingegen heißt es in dem Senatsbericht, Bush habe erst im April 2006 von den Verhörmethoden erfahren.

Michael Hayden, CIA-Chef während der zweiten Amtszeit von Bush, verteidigte die Arbeit der Agenten. Die Geheimdienste hätten nach dem 11. September hart gearbeitet, um weitere Angriffe auf die USA abzuwehren, sagte er dem Fernsehsender NBC. Er habe den Kongress über die harten Verhörmethoden, mit denen Terrorverdächtige befragt worden seien, nicht angelogen.

Der heutige CIA-Direktor John Brennan teilte in einer Erklärung mit, zwar habe seine Behörde Fehler gemacht und daraus gelernt. Jedoch sagte auch er, dass die gewalttätigen Techniken "Geheimdienstinformationen produziert haben, die dabei halfen, Anschlagspläne zu durchkreuzen, Terroristen gefangen zu nehmen und Leben zu retten".

Republikaner kritisieren Senatsbericht

Unterstützung bekamen die CIA-Mitarbeiter aus dem republikanischen Lager. Parteikollegen des ehemaligen Präsidenten Bush kritisierten den Senatsbericht als einen politischen Angriff auf den Geheimdienst und sprachen von einer einseitigen Sichtweise. Diese habe zu "falschen Analysen, ernsthaften Ungenauigkeiten und falschen Darstellungen der Fakten" geführt.

Der Senatsbericht war nach monatelangen Diskussionen zwischen Parlament und Geheimdiensten veröffentlicht worden. Er gibt einen detaillierten Einblick, wie die CIA unter der Regierung Bush ein weltweites System von Geheimgefängnissen aufbaute. In ihnen wurden mutmaßliche Anhänger des Terrornetzwerks Al-Kaida in einem praktisch rechtsfreien Raum festgehalten und brutal verhört.

Die EU lobte die Veröffentlichung des Berichts als positiven Schritt bei der Anerkennung von Fehlern. Der Generalsekretär des Europarats, Thorbjörn Jagland, lobte die Transparenz des Berichts und das klare Bekenntnis Obamas, dass solche Methoden der Vergangenheit angehörten.

Steinmeier lobt neue Offenheit Washingtons

Unterstützung für sein Vorgehen erhielt der US-Präsident auch aus Deutschland. Außenminister Frank-Walter Steinmeier lobte, dass Obama mit der Politik seines Vorgängers gebrochen habe. "Die neue Offenheit Washingtons, Fehler einzugestehen und öffentlich zu versprechen, dass so etwas nie wieder geschehen wird, ist ein wichtiger Schritt, den wir begrüßen", sagte Steinmeier. Die Praktiken des CIA verurteilte er scharf. "Was damals im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus für richtig befunden und dann getan wurde, war inakzeptabel und ein schwerer Fehler", sagte Steinmeier.

Kanzlerin Angela Merkel zeigte sich "erschüttert wie viele Amerikanerinnen und Amerikaner". Vom Ausmaß der CIA-Folterpraktiken sei auch sie überrascht worden.

Karl Nolle im Webseitentest
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