Karl Nolle, MdL

Freie Presse Chemnitz, 29.05.2015

Regieren mit der Roten Laterne - 25 Jahre SPD in Sachsen

 
Sachsens SPD feiert heute ihre Wiedergründung vor einem Vierteljahrhundert. Ausgerechnet im früheren Stammland fällt die Bilanz ziemlich bescheiden aus.

Dresden. Er wollte kilometerlange Tunnel durchs Erzgebirge bauen lassen statt eine Autobahn nach Prag. Und die Kosten von gerade mal einer Milliarde D-Mark sollten über Mautgebühren finanziert werden. Die Idee ist mehr als 21 Jahre alt und wird Michael Lersow zugeschrieben. Durchsetzen konnte sich der SPD-Landtagsabgeordnete freilich nicht mal in seiner Fraktion. Und Parteichef war der Ingenieur da auch schon nicht mehr.

Knapp 160 Delegierte waren bei der Wiedergründung des Landesverbandes am 26. Mai 1990 in Karl-Marx-Stadt dabei. Sie konnten nicht wissen, dass die ein paar Monate später mit SPD-Bundesgeschäftsführerin Anke Fuchs als Spitzenkandidatin erzielten 19,1 Prozent bis heute ihr Spitzenwert sein würden.

"Für Sachsen/In Deutschland/Die Zukunft gestalten" lautete das Motto des Chemnitzer Parteitags, der Lersow zum ersten Nachwende-SPD-Chef wählte. Mit seinem Rücktritt am Vorabend des Zwickauer Parteitages 1993 hatte der gebürtige Stralsunder den Machtkampf mit Karl-Heinz Kunckel verloren gegeben, dem 2012 verstorbenen langjährigen SPD-Landtagsfraktionschef. Ein ganz ähnliches Drama sollte sich 2004 wiederholen. Erneut endete eine Führungskrise mit dem Sieg des Fraktionsvorsitzenden gegenüber der Parteispitze, Kunckels Nachfolger Thomas Jurk triumphierte über die Europaabgeordnete Constanze Krehl.

Das fehlende Glück mit West-Importen - Fuchs blieb im Bundestag - und die internen Personalquerelen allein erklären freilich nicht, warum die Sachsen seit 1999 (10,7 Prozent) die vier schlechtesten SPD-Landtagswahlergebnisse aller Zeiten in der Bundesrepublik eingefahren haben - das viertschlechteste (12,4 Prozent) teilt man sich seit vergangenem Spätsommer immerhin mit den Thüringer Genossen.

"Wir sind der SPD-Landesverband mit dem höchsten Wachstumspotenzial" - diese Pointe von Jurks Nachfolger als Parteichef, dem erst 41-jährigen Martin Dulig, zündet auch heute noch. Mit lediglich 4400 Mitgliedern leidet die Partei an einer im Vergleich zu CDU und Linke nicht einmal halbstarken Personaldecke. Aber das ist nicht alles. "Unsere Basis spiegelt die Bevölkerung nicht wider", sagt Vorstandsmitglied Markus Schlimbach. "Es fehlen die mittleren Jahrgänge, es fehlen die Arbeitnehmer, und weniger als 30 Prozent sind Frauen."

Der linke Parteiflügel sieht im maßgeblich von Kunckel bestimmten Schmusekurs gegenüber dem geglückten CDU-Westimport Kurt Biedenkopf die Hauptursache für die chronische Schwäche im früheren SPD-Stammland. Karl Nolle, der in seiner 15-jährigen Ära als Landtagsabgeordneter wie kein zweiter Parlamentarier die seit 1990 dauerregierende CDU attackierte, prägte das Bild von der "königlich-sächsischen Hofopposition".

Erst seit dem Abgang von Biedenkopf verfehlt die CDU absolute Mehrheiten, weshalb sie seit 2004 auf Koalitionspartner angewiesen ist. Seit Herbst sitzt die SPD deshalb erneut mit am Kabinettstisch, statt Jurk ist nun Dulig Wirtschaftsminister und Vize-Ministerpräsident von CDU-Chef Stanislaw Tillich.

"Ich habe den Eindruck, dass sich manche Genossen vor lauter Ehrfurcht nach einem Handschlag mit Tillich wochenlang die Hände nicht waschen", spottet Nolle. Dem inzwischen 70-Jährigen stößt sauer auf, dass die SPD-Spitze zur Jubiläumsfeier als "besonderen Ehrengast" Tillich eingeladen hat - mit dessen DDR-Karriere er sich schon in Buchform befasst hat. Nolle wird deshalb heute nicht dabei sein, anders als Lersow, der neben Dulig die Festrede hält.
 
Tillichs Grußwort soll 15 Minuten dauern. Zuhören werden auch die Chefs von Linken und Grünen, Rico Gebhardt und Christin Bahnert. Gebhardt gratuliert mit dem Hinweis, dass die Linke heute auch deshalb zweitstärkste Kraft sei, weil Sachsens SPD wechselbereite SED-Mitglieder nicht aufnehmen wollte - aber das sei nun Geschichte.

Tino Moritz

Karl Nolle im Webseitentest
der Landtagsabgeordneten: