Sächsische Zeitung, 11.07.2015
„Erschlagen und ab in die Biotonne“ Sachsen hassen mit – an vorderster Front.
Der Europarat bilanziert ein Anwachsen des Hasses im Internet. Sachsen hassen mit – an vorderster Front. Von Oliver Reinhard
Was jeder längst geahnt hat, der sich im Internet mit den Diskussionen über Ukraine-Konflikt, Islam, Griechenkrise und Asylproblematik beschäftigt, erhält nun seine Bestätigung: Die Kommission gegen Rassismus und Intoleranz des Europarats bilanziert in ihrem Jahresbericht „ein rapides Anwachsen von Hassreden in den sozialen Netzwerken“ des Web. „Wachsender Antisemitismus, Islamfeindlichkeit und Rassismus sind schwere Bedrohungen für die Zukunft Europas“, sagte Thorbjørn Jagland, Generalsekretär des Europarats.
Als Hauptgründe für Islamfeindlichkeit und Antisemitismus gelten die zunehmende Gewalt von Islamisten und Wahlerfolge populistischer Parteien. Ein Hauptgrund für das Ausufern rassistischer Hetztiraden in Deutschland ist zudem die Instrumentalisierung des Problems anschwellender Flüchtlingszahlen durch diverse Interessengruppen wie etwa Gegner geplanter oder bestehender Flüchtlingsheime.
Auch die Facebook-Seite „Heimatschutz Meißen“ duldet Hasstiraden wie „Sieg Heil, Kameraden ... treibt diese Untermenschen zusammen ... und lasst sie spüren was der Spruch ,Arbeit macht Frei‘ bedeutet !!! Dieses Pack
ist mir nicht gleich! Keiner dieser degenerierten Affen ist irgendeinem Deutschen gleich!! Bombt sie ins
Mittelalter zurück!!“
An dieser Internet-Hassfront marschieren Sachsen in den vordersten Reihen mit. Schon im März ergab eine deutschlandweite Analyse diverser Anti-Asylbewerber-Bewegungen auf Facebook, dass von 151 000 „Gefällt mir“-Angaben fast 40 Prozent von Bürgern des Freistaates stammen. Doch es bleibt nicht bei bloßer Zustimmung zu fremden Beiträgen. Auch im Hassen selbst sind Sachsen überaus aktiv.
Beobachten lässt sich das etwa auf den Webseiten von „Nein-zum-Heim“-Gruppierungen wie denen aus dem Erzgebirge oder der Sächsischen Schweiz. Das Ungewöhnliche: Manche Kommentierer fühlen sich inzwischen so sicher – oder sind so töricht –, dass sie sich nicht einmal mehr im Schutz der Anonymität oder hinter Pseudonymen verstecken, sondern mit Klarnamen posten. Was für ein Medium wie die Sächsische Zeitung rechtlich bedenklich ist und deshalb an dieser Stelle – leider – unterbleiben muss. So sind Flüchtlinge, Asylbewerber und Migranten für Sascha ein „sauhaufen“ (Originalschreibweise, d. Red.) und „drecksgesindel“, für Sebastian „Asoziale missgeburten“. Christopher fordert: „Schade das wir dieses undankbare, ignorante ... Pack nicht statt unser Steuern nach Griechenland schicken können. Die sind nischt aber auch nischt wert!!!!“ Sven geht noch weiter: „Hoffentlich ersaufen alle mal“.
Eine steigende Anzahl der Kommentare sind nicht mehr nur „asylkritisch“, vielmehr offen rassistisch und menschenfeindlich und beinhalten, wie der Post von Sven, Todesdrohungen. Sehr deutlich zeigt sich das zurzeit anhand der Kommentare über die Flüchtlingsunterkunft in Freital. Die Seite perlen-aus-freital.tumblr.com prangerte seit geraumer Zeit abschreckende Sprüche an, viele davon aus der Stadt oder über die Stadt. Zu den drastischsten zählt der Beitrag von Marvin: „Hundekot ist noch zu gut für die. Jedes DEUTSCHE Kind einen Zimmermannshammer kaufen und wenn DRECK Kinder kommen sofort mit der Spitze in den Schädel schlagen. Sind ja strafunmuendig. Gottseidank kommen bald Zeiten In der aufgeräumt wird. Dann bestimmt ein Deutschland und sie werden ausgerottet.“ Andreas stimmt zu: „Die kannst nur erschlagen und ab in die Biotonne da wird vielleicht noch was anständiges draus.“ Gegenvorschlag Günther: „Zyklon B“. Ergänzung Diethard: „Gleich an Ort und Stelle erschießen“. Wie man sich entsprechend ausrüstet, erklärt der Freitaler Klemens: „Bei Kotte & Zeller gibt es alles! Der kleine Waffenschein kann im Bürgerbüro am Toom Markt für lächerliche 75 € beantragt werden!!!“
Freilich verirren sich immer wieder Menschen auf die einschlägigen Seiten, um ihren Unmut gegenüber solchen Tiraden zu äußern. Sie werden von den rassistischen Hassern nicht minder heftig attackiert, wie die Reaktion von Jan zeigt: „Ich hoffe deine Freundin wird vom Asylbewerber vergewaltigt.“
Bemerkenswert an diesen Facebook-Pages ist, dass kaum ein Betreiber von seiner Möglichkeit Gebrauch macht, wenigstens die schlimmsten Kommentare zu löschen. Das gilt auch für die Meißener Seite „Initiative Heimatschutz“. Dort darf ein „Fritz Todt“ seit Tagen ungestört „Sieg Heil, Kameraden!“ grüßen und fordern: „treibt diese untermenschen zusammen, sperrt sie in wohnAnlagen die der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme dienen ... und lasst sie spüren was der Spruch ,Arbeit macht Frei‘ bedeutet!!! Dieses pack ist mir nicht gleich! Keiner dieser degenerierten Affen ist irgendeinem Deutschen gleich!! Bombt sie ins Mittelalter zurück, ihre Kultur ist bereits da!!!“
Längst überfordert die schiere Masse solcher Kommentare alle Institutionen, die dem Einhalt gebieten könnten. „Sofern die Sicherheitsbehörden Kenntnis von möglicherweise strafbaren Äußerungen erhalten, gehen sie diesen konsequent nach“, heißt es aus Sachsens Innenministerium, verbunden mit der Bitte um Unterstützung: „Die Bürger sind deshalb aufgerufen, solche Äußerungen zu melden.“
Auch Facebook selbst duldet laut Eigenaussage zwar keine Inhalte, die rassistisch oder menschenverachtend sind. Doch das auf solche Kommentare angesetzte Kontrollteam ist für seine Aufgabe viel zu schwach. Facebook wird die Dämonen unter den Geistern, die sie gerufen haben, nicht mehr los und verkommt mehr und mehr zum Abkotzkübel der Hetzer.
Der Segen des Internets insgesamt stellt sich in vielerlei Hinsicht immer deutlicher als weltweiter Fluch heraus. So können auch all die sächsischen Saschas und Marvins, Romys und Alinas nahezu ungestört weiterhetzen. Der Jahresbericht des Europarats 2016 dürfte entsprechend ausfallen.
Die Seite perlen-aus-freital, die Hass-Sprücheklopfer anprangert, ist übrigens seit gestern tot. Auf SZ-Anfrage erklärte die Kriminalpolizei, man ermittle wegen Volksverhetzung. Ob sich die Ermittlungen gegen den Seiten-Betreiber oder die darauf zitierten Hetzer richten, ist nicht bekannt.