Karl Nolle, MdL

Neues Deutschland, 10.08.2018

Bündelung ja, aber nicht von oben

 
Inge Hannemann über die linke Sammlungsbewegung »aufstehen« von Sahra Wagenknecht

Eine reine Abwehrhaltung gegenüber dieser Idee der Sammlung, wie sie in den sozialen Netzwerken zu lesen ist, bringt uns aber auch nicht weiter. Dabei ist der kritische Diskurs um die Thesen und Ziele durchaus angebracht. Dass die gesellschaftliche Linke endlich zusammenfindet und Gemeinsamkeiten und Schnittmengen aufzeigt, um eine politische Alternative zu beschreiben, ist zur Zeit eher ein großer Konsens innerhalb der bewegten Linken. Genau dieses Bedürfnis greift die Sammlung auf.

In ähnlicher Intention, aber mit anderer Richtung, hat das Institut Solidarische Moderne mit seinem Aufruf »Solidarität statt Heimat« zivilgesellschaftlich einen Nerv getroffen. Mehr als 18.000 Unterschriften innerhalb kurzer Zeit belegen das. Dieser Aufruf, gemeinsam mit Kritnet und Medico, ist gerichtet gegen die zunehmende Hetze, den Rassismus, die verschärfte und inhumane Geflüchtetenpolitik und die gezielten sprachlichen Entgleisungen (»Asyltouristen« etc.) der konservativ-bürgerlichen und rechten Parteien und Bewegungen. Auch das hat innerhalb der gesellschaftlichen Linken zu kontroversen Debatten geführt. So erfolgreich der Aufruf war, den viele auch unterschrieben, obwohl sie nicht in allen Punkten übereinstimmten, so sehr wurde er als Affront gegen die Sammlung Wagenknechts interpretiert.

In dieser verzwickten Lage erscheint ein gemeinsamer linker Aufbruch wie eine Quadratur des Kreises. Dabei wäre er zivilgesellschaftlich, politisch und kulturell dringend erforderlich, denn die rechtsextremen und rechtspopulären Kräfte sammeln sich durchaus.

Unbedingt muss der Blick aber auch auf die in der linken Zivilgesellschaft bereits erfolgreiche Sammlungen gerichtet werden. Das Institut Solidarische Moderne arbeitet seit 2010 wissenschaftlich, politisch und kulturell an gesellschaftlichen Alternativen und hat dafür mit einem breiten Netzwerk solidarisiert. Protestbewegungen wie Blockupy, TTIP, attac, die Refugee Gruppen, Europa neu begründen, die Seebrücke, Grundeinkommensbewegung, Solidarity Cities, die sehr aktive Klimabewegung, Degrowth, feministische und queere Bewegungen und viele andere mehr brachten und bringen hunderttausende Menschen gegen Rassismus, Austerität, Finanzspekulation, ungerechte Verteilung, Klimawandel auf die Straßen. Dabei geht es um nationale Fragen ebenso wie um das solidarische Europa und einen Diskurs über die Ursachen von Krieg, Flucht und Vertreibung.

Wenn diese kritische Masse als Akteurin einer politischen Alternative die progressiven Parteien so unter Druck setzt, dass sie das bleierne »weiter so« für sich selbst in Frage stellen und neue Bündnisse eingehen wollen, dann kann gemeinsam die Frage des sozial-ökologisch-kulturellen Umbaus der Gesellschaft bearbeitet werden. Das wäre etwas vollkommen anderes als eine Neuauflage des wohlfahrtsstaatlich-nationalen Projektes der Nachkriegszeit.

»Aufstehen« wäre ein Anfang, wenn die Frage nach einer Transformationspolitik nicht verstellt wird. Bestünde die Bereitschaft, über die nationalen Fragen hinaus für eine gemeinsame solidarische Europapolitik zu streiten, der europäischen Abschottungspolitik und auch der globalen Frage der imperialen Lebensweise nicht auszuweichen, gäbe es Gemeinsamkeiten. Dabei sind die universellen Menschenrechte nicht verhandelbar. Sammeln heißt nun einmal die Pluralität berücksichtigen, nicht ausgrenzen oder spalten.

Die Aufgabe, die sich stellt, erfordert die Schnittmengen zu finden, Gemeinsamkeiten zu stärken und eine strategische Allianz der linken Kräfte zu ermöglichen.

Karl Nolle im Webseitentest
der Landtagsabgeordneten: