Karl Nolle, MdL

Spiegel, 08.09.2019

Unser Gegner AfD - Mehr Konfrontation

 
Das Land braucht einen neuen Umgang mit der AfD und ihren Wählern.

Ein Kommentar.von Dirk Kurbjuweit

In autoritären Staaten liegt die Verantwortung allein bei den Herrschern, die Bürger sind Objekte der Politik, oft auch deren Opfer. Die Demokratie dagegen teilt die Verantwortung: Die Bürger können über ihre Stimmen die Politik beeinflussen. Damit werden sie politisch mündig und sind mitverantwortlich für die Zustände eines Landes.

Rund ein Viertel der Bürger, die am Sonntag der vergangenen Woche in Brandenburg und Sachsen gewählt haben, entschieden sich für die AfD. Und diese AfD war nicht mehr, wie noch vor einigen Jahren, eine etwas diffuse rechte Partei, die sich in die eine oder andere Richtung bewegen konnte. Vor den Wahlen am Sonntag gab es ein klares Bild.

Andreas Kalbitz, Spitzenkandidat in Brandenburg, hat sein halbes Leben in rechtsextremen Kreisen zugebracht. Jörg Urban, Spitzenkandidat in Sachsen, hat sich mit der fremdenfeindlichen Pegida-Bewegung gemeingemacht. Björn Höcke, demnächst Spitzenkandidat bei der Wahl in Thüringen, zeigte sich mit beiden in Chemnitz bei einem Aufmarsch, an dem viele Neonazis teilnahmen.

Die Spitzenpolitiker der AfD, die sich selbst als gemäßigt darstellen, wie Alexander Gauland oder Jörg Meuthen, haben sich nicht von ihren Parteikollegen distanziert. Die AfD ist damit als Partei kenntlich, die am äußersten rechten Rand steht und ständig Tabus und die Staatsräson der Bundesrepublik verletzt. Alles, was rechtsextrem ist, was den Nationalsozialismus verharmlost oder gar mit ihm flirtet, steht außerhalb des akzeptablen Spektrums.

Im Prinzip gibt es zwei Möglichkeiten, mit der AfD und ihren Wählern umzugehen: Konfrontation oder Versuch der Integration. Oft ist es eine Mischform, mit dem einen oder anderen Schwerpunkt. Früher war es richtig, vor allem auf die Integration zu setzen, zu versuchen, die Wähler ins Lager der liberalen Demokratie zurückzuholen, oder darauf zu hoffen, dass sich die AfD zu einer konservativen Partei innerhalb des akzeptablen Spektrums entwickelt.

Diese Hoffnung ist fürs Erste dahin. Damit sollte sich auch der Umgang mit der AfD und ihren Wählern ändern. Der neue Schwerpunkt heißt Konfrontation.

Dazu gehört, die Bürger an ihre Verantwortung zu erinnern. Natürlich denkt nicht jeder Wähler dieser Partei rechtsextrem oder hegt Sympathien für den Nationalsozialismus. In den Stimmen für die AfD steckt Protest gegen alles Mögliche, gegen Vernachlässigung, gegen Arroganz von etablierten Politikern. Manches ist verständlich.

Aber es ist nicht verständlich, dass Wähler diesen Protest über Stimmen für Leute wie Kalbitz oder Urban ausdrücken und sich damit in den Bereich des Unanständigen begeben. Ein ausgedünnter Busfahrplan kann ein großes Problem sein, weil er den Alltag so beschwerlich macht, das darf aber nicht als Grund dienen, eine solche Partei mitzuwählen. Zumal die auch keine Lösungen hat.

Wer glaubt, rechte Parteien seien besonders fürsorglich gegenüber "dem Volk", sollte sich intensiver mit europäischer Geschichte befassen. In den Diktaturen in Portugal und Spanien litt das Volk an Unterdrückung und wirtschaftlicher Rückständigkeit, für Deutsche und Italiener kamen Kriege mit Millionen Opfern hinzu; halb Europa wurde dabei verwüstet.

Zur Strategie der verstärkten Konfrontation gehört neben der Aufklärung die Investigation. Es muss alles ans Licht, was sich in den Biografien der AfD-Funktionäre noch verstecken mag. Und Investigation ist nicht nur eine Aufgabe für die Medien. Der Verfassungsschutz hat da bislang zu nachlässig gearbeitet.

Bei den Politikern trägt der rechte Rand der Union besondere Verantwortung, da er die Wähler der AfD am ehesten zurückholen kann. Doch sein Angebot beschränkt sich auf ein erbärmliches Nacheifern. Wo sind die Alternativen? Warum stellt man dem aggressiven Nationalismus nicht das Konzept einer freundlichen Nation gegenüber, um bürgerliche Patrioten abzuholen? Kluge Konfrontation kann Integration schaffen.

Leider werden auch die etablierten Spitzenpolitiker ihrer Verantwortung nicht gerecht. In dieser kritischen Situation gibt es in Deutschland ein eklatantes Führungsvakuum. In den ersten Tagen nach der Wahl hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel weder um Konfrontation noch um Integration bemüht. Sie hat einfach geschwiegen.

Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer ringt um ihre Autorität, die SPD ist mit sich selbst beschäftigt, die Grünen kümmern sich vor allem ums Klima. Im Moment fehlt der AfD der starke Gegner, und das ist ein Skandal. So leicht darf man es denen nicht machen.

Karl Nolle im Webseitentest
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