Sächsische Zeitung, 18.01.2020
Darum, liebe Kinder, muss man Krieg führen
Eine neue Sendung mit der Maus über Freund und Feind.
Liebe Kinder, ich hatte euch vor vielen Jahren erklärt, wie man Kriege führen muss. Erinnert ihr euch: Für einen Krieg braucht man erst einmal einen Feind. Sonst kann man keinen Krieg führen. Da ginge es uns so wie vor dreißig Jahren der Nato, als sich der Kommunismus feige auf¬gelöst hat, und die Generäle plötzlich nur noch von Freunden umzingelt waren. Eine furchtbare Zeit. Die Generäle waren vom Frieden bedroht! Und wir wollen doch nicht, dass jemand bedroht wird.
Deshalb sprengten die Moslems die Zwillingstürme in New York in die Luft, damit Amerika wieder einen Feind hat und nun Moslems in die Luft sprengen kann, die nun auch überall herumsprengen, sodass wir in ihren Ländern Kriege führen können, um dort unsere Menschenrechte und unser Öl zu schützen, weshalb die Moslems Terror¬anschläge bei uns verüben, weshalb wir die Führer der Terroristen wegmorden muss¬ten, damit Friede einzieht, auch wenn der manchmal mehr wie Krieg aussieht. Liebe Kinder, lest ihr schon die Bild-Zei-tung? Da stand, dass der gefährlichste Ter¬rorist totgebombt worden ist. Aber Trump lebt noch.
Klingt komisch, ist aber so. Und wenn ihr Nachrichten hört, werdet ihr viel¬ leicht fragen, warum Frau Merkel morgen eine Konferenz einberufen hat, um Frieden in Libyen zu schaffen, wo wir doch vor neun Jahren unsere Militärflugplätze be¬reitgestellt haben, damit Libyen zerbombt werden kann und diejenigen Gaddafi weg-meuchelten, die mit ihm zuvor Bunga-Bunga-Feten feierten und auch Gerhard Schröder den Diktator liebevoll umarmte.
Liebe Kinder: Auch ich verstehe die Welt nicht mehr. Da geht es mir wie Beet¬hoven. Nicht, dass ich taub wäre, ich höre viel zu viel. Nehmen wir mal ein Beispiel: Jemen. Natürlich sind wir gegen diesen Krieg, aber Rheinmetall kann beim Kinder¬töten mitspielen, und wenn Vati und Mutti Aktien von Rheinmetall haben, können sie sich ganz sehr freuen, weil die ums Vierfa¬che gestiegen sind. Das Lustigste: Wir lie¬fern auch Saudi-Arabien Waffen, obwohl Saudi-Arabien im Jemen Krieg führt, den unsere Regierung verurteilt.
Klingt komisch, ist aber so. Und ihr könnt jetzt alle ein bisschen stolz sein, dass unser Land vor Jahren Material zur Herstellung von Giftgas für den Irak geliefert hat, damals, als der Irak noch unser Freund war, weil Saddam Hussein ein Freund der USA war, weil der Iran der Feind war, weil damals die irani¬sche Regierung die amerikanischen Erdöl¬felder verstaatlicht hatte und deshalb der CIA den Schah an die Macht putschen musste, damit der Iran wieder ein Freund der USA wird, weshalb nun der Irak ein Feind der USA war, bis Khomeini den Schah wegrevolutionierte und der Iran wieder ein Feind der USA wurde, weil der Iran nun Atombomben bauen will, um sich vor Israel zu schützen, weshalb sich Israel mit Atombomben vor dem Iran schützen muss, weil der Iran den Atomwaffensperr¬vertrag kündigt, den die Amerikaner ge¬kündigt haben.
Klingt komisch, ist aber so. So liebe Kinder, ich hoffe, ihr seht nun durch. Der US-Außenminister hat kürzlich erklärt, wer der größte Feind ist: Ein Land, dass Kriege führt und Menschen ermordet. Ich habe mich schon gewundert, wieso der Außenminister sein Land so kritisch ein¬schätzt. Aber er hat Russland gemeint, denn Russland ist immer unser Feind, schon deshalb, weil es jetzt diese Nordpipe¬line baut, die eine Bedrohung für die Nato ist, weil Putin seine Soldaten durch die Rohre bis zu uns kriechen lässt.
So, liebe Kinder, nun wisst ihr, was man mit einem Krieg machen muss. Nämlich beenden. Aber nicht sofort. Sondern erst, wenn alle genug daran verdient haben. Denn Kriege führt man nicht, um sie zu ge¬winnen. Kriege führt man, um Gewinn zu machen.
Klingt komisch, ist aber so.
Von Wolfgang Schaller, Kabarettist an der Dresdner Herkuleskeule.