Lausitzer Rundschau, 15.09.2000
"Für die Lausitz kein Konzept"
Rundschau - INTERVIEW mit Karl Nolle, MdL
SACHSEN. Auf Antrag der SPD debattiert der Sächsische Landtag heute die "wirtschaftliche Lage in der Lausitz". Der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, der Dresdner Unternehmer
Karl Nolle, hatte kürzlich geäußert, dass die Region ausblute. Im Gespräch mit der RUNDSCHAU wirft er der Staatsregierung vor, für die Entwicklung der Lausitz kein Konzept zu haben.
Herr Nolle, blutet die Lausitz aus? Die Lausitz blutet, das zumindest dürfte unbestritten sein. Wir haben in der Region geradezu eine Auswanderungswelle. Auf der einen Seite gibt es mittelständische Unternehmen, die junge Fachkräfte suchen, auf der anderen Seite hat das Arbeitsamt Bautzen einen Kooperationsvertag mit Freisingen in Bayern und unterstützt den Wegzug junger Leute mit Mobilitätsprämien. Dennoch bleibt die Arbeitslosigkeit unverändert hoch.
Wollen Sie die jungen Leute in der Lausitz einsperren? Keineswegs, ich habe Verständnis für jeden Einzelnen der geht, weil er in der Region keine Chance mehr sieht. Was micht stört, ist der Denkansatz der Staatsregierung, der dahinter zum Vorschein kommt. Offensichtlich ist es so, dass die Staatsregierung mit ihrem Latein am Ende ist und sich außerstande sieht, die Lausitz wirtschaftlich zu entwickeln. Die Region schrittweise zu entvölkern, kann ich jedenfalls nicht als Lösungsansatz akzeptieren.
Die Staatsregierung und auch die Industrie- und Handelskammer sehen die Lage nicht so dramatisch. Warum sehen Sie das anders? Es ist sicher so, dass im Einzugsgebiet von Dresden die Situation etwas besser ist als in der Region weiter östlich. Obgleich die Staatsregierung erst vor einem halben Jahr im Landtag versprochen hat, gerade der Lausitz besondere Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, ist kaum eine Entwicklung zu erkennen.
Es wird argumentiert, dass die Unternehmen nicht gezwungen werden könnten, in der Lausitz zu investieren. Können Sie das? Darum geht es nicht. Tatsache ist, dass für die Lausitz, die zu den fünf Planungsregionen im Freistaat zählt, bislang kein regionaler Strukturentwicklungsplan vorliegt. Der ist seit vier Jahren überfällig. Wirtschaftsminister Kajo Schommer hat mit seiner liberalen Wirtschaftspolitik allein auf die Marktkräfte vertraut und ist gescheitert. Selbst Lohn- und Preisdumping schlagen nun negativ zu Buche, weil dem regionalen Wirtschaftskreislauf die Kaufkraft fehlt. Die Staatsregierung hat für die Lausitz kein Konzept, ihr fällt offensichtlich nichts mehr ein.
(Gespräch: Ralf Hübner)