Sächsische Zeitung, 12.07.2000
SPD will Billig-Taxi für Diskobesucher
Gesponserte Heimfahrt soll Jugendliche vor Alkoholunfällen schützen
Sachsens SPD-Landtagsfraktion lässt nicht locker. Diskobesuchern zwischen 16 und 25 Jahren sollen Tickets für billige Taxifahrten angeboten werden, damit sie künftig ihr eigenes Auto stehen lassen, fordern die beiden Abgeordneten Simone Raatz und
Karl Nolle. Sie hoffen, dass dadurch weniger junge Leute während des Heimwegs dem Teufel Alkohol und dem eigenen Leichtsinn zum Opfer fallen.
AOK und Brauerei zahlen für Sicherheit der Zecher. Die Idee ist nicht neu. In anderen Bundesländern gibt es seit Jahren ähnliche Kampagnen. In Mecklenburg-Vorpommern übernimmt zurzeit die AOK, eine Brauerei sowie die Mineralölfirma Esso die Hälfte der Fahrtkosten. Voraussetzung: Mindestens ein Mitfahrer liegt im angegebenen Alterslimit und die Taxis werden freitags und sonnabends in der Zeit zwischen 20 und 6 Uhr genutzt. Die Diskobesucher müssen sich zuvor nur noch die Billig-Tickets an den diversen Vorverkaufsstellen besorgen. Das Mecklenburger Innenministerium organisiert, dass die Taxifahrer später gegen Vorlage der eingenommenen Tickets (zu je fünf oder zehn Mark) den vollen Fahrpreis erstattet bekommen. Innerhalb von knapp anderthalb Jahren wurden so 210 000 Taxifahrten gesponsert. Bisherige Zuschüsse: 600 000 Mark. Im Norden Deutschlands ist man überzeugt, dass das Konzept aufgeht. Die Zahl der tödlich verunglückten jungen Autofahrer sei deutlich zurückgegangen, heißt es aus Schwerin.
zukommen lassen. Einräumen musste man, dass auch Kritik laut wurde. Vor allem die Beteiligung der Krankenkasse sorgte für Empörung. Tenor: Statt jugendliche Trunkenbolde zu chauffieren, sollten lieber mehr Kranke und Behinderte unterstützt werden.
Polizei macht nach Mitternacht Druck. In Sachsen steht der Landesverband der Taxi- und Mietwagenunternehmen dem Projekt jedoch aufgeschlossen gegenüber. Jürgen Zetzsche: "Aber nicht wegen der zusätzlichen Aufträge, sondern weil viele unserer Fahrer jedes Disko-Wochenende auf den Straßen die furchtbaren Folgen von Alkohol und Übermut erleben müssen." Der Verband drängt aber darauf, dass auch hier zu Lande das Innenministerium mitmacht. Dort wird aber noch abgeblockt. Referatsleiter Gerd Schneckenburger hält die Billig-Taxis nur für eine von vielen Möglichkeiten, Diskoheimfahrten sicherer zu machen. Sachsen setze eher darauf, dass sich Vernunft und Einsicht bei den jungen Leuten stärker durchsetzen. Um den dafür notwendigen Druck auszuüben, hätte man allein 1999 eine Million Autos und Fahrzeugführer in den ersten drei Stunden nach Mitternacht kontrolliert. "Das wirkt mehr, als bei Diskobesuchen von vornherein zu Alkoholkonsum zu animieren, wie es bei den günstigen Taxifahrten ja unterschwellig der Fall ist." Ganz ablehnen wollte Schneckenburger eine Mitarbeit dann aber nicht. Eine Entscheidung sei im Innenministerium noch nicht gefallen, ließ er alles offen.
(von Gunnar Saft)