BILD-Zeitung, 30.06.2001
Der einzig wahre Boss im Landtag
SPD-Schwergewicht Karl Nolle
DRESDEN. Er ist der einzige Großunternehmer von 120 Abgeordneten in Sachsens Landtag: Druckereibesitzer
Karl Nolle (55, SPD). Neben ihm räkeln sich meist Lehrer, Beamte, Juristen, Mathematiker. Querbeet in allen Fraktionen (CDU, PDS, SPD). Nolle: ,.Kein Wunder, dass so wenig gute Politik für Mittelständler und mehr Arbeitsplätze gemacht wird."
In BILD sagt der Druckereibesitzer (u. a. Stadtmagazin Sax, Fotobände, Kunstdrucke) warum es hier so schwer ist, erfolgreich einen Betrieb zu führen. Nolle: „Jeden Monat fallen 280 000 Mark Lohnkosten für 60 Mitarbeiter, neun Lehrlinge an. Die muss ich zahlen. Egal, wie lange ich auf Außenstände warte." 25 Millionen hat Nolle in Dresden investiert. Jedes Jahr muss neue Technik für eine Million Mark gekauft werden.
Dazu kommt: Nolle ist „roter Kapitalist", steht als Landespolitiker besonders unter Beobachtung. Nicht nur vom politischen Gegner. Dumpinglöhne von neun Mark pro Stunde wie Mitwerber in der Neustadt etwa - kann (und will) er sich nicht leisten.
Nolle: „Bis 30 Mark Stundenlohn zahle ich." Und: 38 Angestellte sind Mitgesellschafter. Kritisch gucken sie jeden Monat auf Umsätze, kontrollieren Ergebnisse.
Im Nolle - Druckhaus gibt es Gratis-Getränke, Frühstück für jeden. Nolle: „Wie im Hotel: Zehn verschiedene Wurstsorten, Müsli, Kaffee. Kostet 2,50 Mark." Ist ein Mitarbeiter mal klamm, gibt's Vorschuss. Nolle: „Der Krankenstand liegt wegen des guten Betriebsklimas bei mageren zwei Prozent."
Was den schwergewichtigen Macher (rund 130 Kilo) so wütend macht: Regierung und Rathäuser vergeben Druckaufträge an Unternehmer, die „Sklavenlöhne" zahlen, besonders billig sind. Nolle: „Uns erzählen die gleichen Herrschaften dann, dass wir mehr Arbeitsplätze schaffen sollen, mehr Azubis, Behinderte, Frauen einstellen. Tun wir das wie ich - steigen Lohnkosten. Logisch. Und dann gehen Aufträge an die Ausbeuter. Das geht durch alle Branchen.“
Was sich in Sachsen laut Nolle ändern muss: Fördermittel landen zuviel in Töpfen von Groß-Betrieben wie AMD, Siemens, VW. Der Mittelstand geht quasi leer aus. Nolle: „Das meiste Geld fließt dadurch in den Westen zurück. Dort hin wo die Großen ihren Sitz haben ...."
(Andreas Harlass)